Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.Uebereinkunft mit dem römischen Stuhle. das napoleonische Bisthum Aachen sowie das kleine Corvey aufgehobenund dafür der erzbischöfliche Stuhl von Köln wiederhergestellt, mit den Suffraganbisthümern Trier, Münster, Paderborn. Aengstliche Gemüther befürchteten zwar, die Massen am Rhein würden in dem neuen Erzbischof den Nachfolger der alten Kurfürsten, den eigentlichen Landesherrn sehen; der König aber hegte ein besseres Zutrauen: wo anders als im Kölner Dome durfte der Stuhl des ersten preußischen Prälaten stehen? Alle diese Bisthümer lagen innerhalb der Landesgrenzen. Nur der Sprengel des Breslauer Fürstbischofs erstreckte sich auch über das österreichische Schlesien, während die Grafschaft Glatz und einige andere Landstriche der Provinz unter ihren böhmisch-mährischen Bischöfen verblieben. So stand der schlesische Clerus unter einem zweifachen fremden Einfluß, von Rom und von Oesterreich her, und der Oberpräsident Merckel rieth dringend, die lästige Ausnahme zu beseitigen; die Krone gab jedoch seinen Mahnungen keine Folge, weil der Wiener Hof nach seiner Gewohnheit den bestehenden Zustand aufrecht halten wollte, und weil das Breslauer Bisthum in Oesterreich noch große Güter, in Preußen seit der Secula- risation von 1811 fast nichts mehr besaß. Die Besetzung der Bischofsstühle geschah im Osten unverändert nach Uebereinkunft mit dem römiſchen Stuhle. das napoleoniſche Bisthum Aachen ſowie das kleine Corvey aufgehobenund dafür der erzbiſchöfliche Stuhl von Köln wiederhergeſtellt, mit den Suffraganbisthümern Trier, Münſter, Paderborn. Aengſtliche Gemüther befürchteten zwar, die Maſſen am Rhein würden in dem neuen Erzbiſchof den Nachfolger der alten Kurfürſten, den eigentlichen Landesherrn ſehen; der König aber hegte ein beſſeres Zutrauen: wo anders als im Kölner Dome durfte der Stuhl des erſten preußiſchen Prälaten ſtehen? Alle dieſe Bisthümer lagen innerhalb der Landesgrenzen. Nur der Sprengel des Breslauer Fürſtbiſchofs erſtreckte ſich auch über das öſterreichiſche Schleſien, während die Grafſchaft Glatz und einige andere Landſtriche der Provinz unter ihren böhmiſch-mähriſchen Biſchöfen verblieben. So ſtand der ſchleſiſche Clerus unter einem zweifachen fremden Einfluß, von Rom und von Oeſterreich her, und der Oberpräſident Merckel rieth dringend, die läſtige Ausnahme zu beſeitigen; die Krone gab jedoch ſeinen Mahnungen keine Folge, weil der Wiener Hof nach ſeiner Gewohnheit den beſtehenden Zuſtand aufrecht halten wollte, und weil das Breslauer Bisthum in Oeſterreich noch große Güter, in Preußen ſeit der Secula- riſation von 1811 faſt nichts mehr beſaß. Die Beſetzung der Biſchofsſtühle geſchah im Oſten unverändert nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0221" n="205"/><fw place="top" type="header">Uebereinkunft mit dem römiſchen Stuhle.</fw><lb/> das napoleoniſche Bisthum Aachen ſowie das kleine Corvey aufgehoben<lb/> und dafür der erzbiſchöfliche Stuhl von Köln wiederhergeſtellt, mit den<lb/> Suffraganbisthümern Trier, Münſter, Paderborn. 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Uebereinkunft mit dem römiſchen Stuhle.
das napoleoniſche Bisthum Aachen ſowie das kleine Corvey aufgehoben
und dafür der erzbiſchöfliche Stuhl von Köln wiederhergeſtellt, mit den
Suffraganbisthümern Trier, Münſter, Paderborn. Aengſtliche Gemüther
befürchteten zwar, die Maſſen am Rhein würden in dem neuen Erzbiſchof
den Nachfolger der alten Kurfürſten, den eigentlichen Landesherrn ſehen;
der König aber hegte ein beſſeres Zutrauen: wo anders als im Kölner
Dome durfte der Stuhl des erſten preußiſchen Prälaten ſtehen? Alle
dieſe Bisthümer lagen innerhalb der Landesgrenzen. Nur der Sprengel
des Breslauer Fürſtbiſchofs erſtreckte ſich auch über das öſterreichiſche
Schleſien, während die Grafſchaft Glatz und einige andere Landſtriche
der Provinz unter ihren böhmiſch-mähriſchen Biſchöfen verblieben. So
ſtand der ſchleſiſche Clerus unter einem zweifachen fremden Einfluß, von
Rom und von Oeſterreich her, und der Oberpräſident Merckel rieth
dringend, die läſtige Ausnahme zu beſeitigen; die Krone gab jedoch ſeinen
Mahnungen keine Folge, weil der Wiener Hof nach ſeiner Gewohnheit
den beſtehenden Zuſtand aufrecht halten wollte, und weil das Breslauer
Bisthum in Oeſterreich noch große Güter, in Preußen ſeit der Secula-
riſation von 1811 faſt nichts mehr beſaß.
Die Beſetzung der Biſchofsſtühle geſchah im Oſten unverändert nach
dem alten Herkommen, das will ſagen: durch eine Scheinwahl, unter ent-
ſcheidender Mitwirkung der Krone. Das Breslauer und die vier Dom-
capitel des Weſtens hingegen erhielten dem Namen nach freies Wahlrecht;
ſie ſollten jedoch durch ein Breve des Papſtes angewieſen werden, nur
einen dem Könige genehmen Geiſtlichen zu wählen und ſich deſſen vor
der Wahl genau zu verſichern. Damit wurde die gefährliche Liſtenwahl,
die ſo leicht zur Umgehung der ſtaatlichen Oberaufſicht mißbraucht wird,
glücklich vermieden. Die Krone war befugt, jeden ihr mißfälligen Can-
didaten unbedingt auszuſchließen; es ſtand ihr ſogar frei, den Wählenden
zu erklären, daß ſie im gegebenen Falle nur einen einzigen Mann als
persona grata anſehe. So wirkſame Rechte hatte die Curie einem pro-
teſtantiſchen Fürſten bisher noch niemals förmlich zugeſtanden; ſie that
es diesmal, weil der König der Kirche von ihrem alten Reichthum ſo viel
zurückgab als ſich nach den Seculariſationen der jüngſten Jahre noch er-
ſtatten ließ. Die Vorſchrift des Reichsdeputationshauptſchluſſes, welche
den Kirchen den ungeſtörten Genuß ihrer Güter und Schulfonds zuſagte,
konnte jetzt ohne Verletzung neubegründeter Rechte nicht mehr buchſtäblich
erfüllt werden; dafür verhieß der König einen Staatszuſchuß, der allmählich
bis zum Anfang der vierziger Jahre auf 712,000 Thlr. ſtieg, während
die genügſamere evangeliſche Kirche für ihre ſo viel zahlreicheren Gemein-
den mit kaum 240,000 Thlr. vorlieb nehmen mußte. Die beiden Erz-
biſchöfe und der Fürſtbiſchof erhielten außer dem Genuſſe ihrer Paläſte
jeder 12,000 Thlr. jährlich. Wie auffällig erſchien daneben die Karg-
heit Napoleon’s. Frankreich hatte für die Bisthümer Aachen und Trier
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