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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.
heiligen Stuhle förmlich beendigen. Unterdessen blieben die übrigen Staats-
männer bei den beiden Kaisern in Laibach um den Gang der kriegerischen
Ereignisse abzuwarten. Der Anfang des Feldzuges versprach wenig; er
bewies, daß Oesterreich seine glänzende Stellung an der Spitze der euro-
päischen Mächte nicht seiner eigenen Stärke verdankte, sondern nur Met-
ternich's diplomatischer Kunst und der Rathlosigkeit der anderen Höfe.
Schwerfällig zog die Armee des Generals Frimont südwärts, und als
sie endlich vor den Thoren Roms anlangte, da stellte sich heraus, daß
nach siebenmonatlichen Vorbereitungen nicht einmal die Geldmittel für
diesen unbedeutenden Krieg zur Stelle waren. Die Armeeverwaltung
gerieth in peinliche Verlegenheit, Niemand wollte ihr leihen. Da half ihr
Niebuhr aus der Noth, indem er in seinem eigenen Namen Wechsel auf
die Preußische Bank zog, die von den römischen Bankiers sofort ange-
nommen wurden.*) Der beschämende Vorfall ward rasch vergessen, da
das Kartenhaus der Revolution gleich darauf zusammenfiel. In heller
Begeisterung war die Landwehr der Samniter und der Marsen soeben
gegen die Schergen der Tyrannen ausgezogen, und die Kronprinzessin
hatte die Fahnen der Jauchzenden mit selbstgestickten Carbonaribändern
geschmückt. Aber Wilhelm Pepe ließ die Oesterreicher ungehindert durch
den schwierigen Paß von Antrodocco im Hochgebirge der Abruzzen heran-
kommen, und als Frimont ihn darauf am 7. März bei Rieti angriff, da
hielt das Freiheitsheer nur vier Stunden lang leidlich Stand, dann lief
Alles in wilder Flucht schimpflich auseinander; taub für die Mahnungen
des tapferen Führers eilte Jeder in unwiderstehlichem Heimweh seinem
Vaterstädtchen zu. Der Krieg war beendet, das ganze Land lag zu Oester-
reichs Füßen. --

Diese Siegesbotschaft hatten die Monarchen noch nicht erhalten, als
am 15. März eine andere unerwartete Nachricht bei ihnen einlief, die
auf die Laibacher Versammlung ähnlich wirkte wie einst die Kunde von
Napoleon's Rückkehr auf den Wiener Congreß. Alle die kleinen Mißhel-
ligkeiten, welche noch immer zwischen den beiden Kaiserhöfen bestanden,
verstummten augenblicklich, sobald man erfuhr, daß auch in dem königs-
treuen Piemont eine Revolution ausgebrochen war. Es war die vierte
binnen Jahresfrist, und sie schien dem Wiener Hofe weit furchtbarer
als der Aufruhr in Neapel; denn sie hatte ihren Sitz in dem einzigen
tapferen und nationalen Heere der Halbinsel, in dem Staate, der seine
Verwandtschaft mit dem aufstrebenden Preußen, seinen Beruf als Vor-
kämpfer der Einheit Italiens bereis zu ahnen begann. Graf Santa Rosa
und andere tüchtige Offiziere aus den ersten Familien des Landes, sogar
ein Sohn des Grafen St. Marsan gehörten der Verschwörung an. Sie
schaarten sich nicht um das Parteibanner der Carbonari, sondern um die

*) Bernstorff an Ancillon, 13. März 1821.

III. 3. Troppau und Laibach.
heiligen Stuhle förmlich beendigen. Unterdeſſen blieben die übrigen Staats-
männer bei den beiden Kaiſern in Laibach um den Gang der kriegeriſchen
Ereigniſſe abzuwarten. Der Anfang des Feldzuges verſprach wenig; er
bewies, daß Oeſterreich ſeine glänzende Stellung an der Spitze der euro-
päiſchen Mächte nicht ſeiner eigenen Stärke verdankte, ſondern nur Met-
ternich’s diplomatiſcher Kunſt und der Rathloſigkeit der anderen Höfe.
Schwerfällig zog die Armee des Generals Frimont ſüdwärts, und als
ſie endlich vor den Thoren Roms anlangte, da ſtellte ſich heraus, daß
nach ſiebenmonatlichen Vorbereitungen nicht einmal die Geldmittel für
dieſen unbedeutenden Krieg zur Stelle waren. Die Armeeverwaltung
gerieth in peinliche Verlegenheit, Niemand wollte ihr leihen. Da half ihr
Niebuhr aus der Noth, indem er in ſeinem eigenen Namen Wechſel auf
die Preußiſche Bank zog, die von den römiſchen Bankiers ſofort ange-
nommen wurden.*) Der beſchämende Vorfall ward raſch vergeſſen, da
das Kartenhaus der Revolution gleich darauf zuſammenfiel. In heller
Begeiſterung war die Landwehr der Samniter und der Marſen ſoeben
gegen die Schergen der Tyrannen ausgezogen, und die Kronprinzeſſin
hatte die Fahnen der Jauchzenden mit ſelbſtgeſtickten Carbonaribändern
geſchmückt. Aber Wilhelm Pepe ließ die Oeſterreicher ungehindert durch
den ſchwierigen Paß von Antrodocco im Hochgebirge der Abruzzen heran-
kommen, und als Frimont ihn darauf am 7. März bei Rieti angriff, da
hielt das Freiheitsheer nur vier Stunden lang leidlich Stand, dann lief
Alles in wilder Flucht ſchimpflich auseinander; taub für die Mahnungen
des tapferen Führers eilte Jeder in unwiderſtehlichem Heimweh ſeinem
Vaterſtädtchen zu. Der Krieg war beendet, das ganze Land lag zu Oeſter-
reichs Füßen. —

Dieſe Siegesbotſchaft hatten die Monarchen noch nicht erhalten, als
am 15. März eine andere unerwartete Nachricht bei ihnen einlief, die
auf die Laibacher Verſammlung ähnlich wirkte wie einſt die Kunde von
Napoleon’s Rückkehr auf den Wiener Congreß. Alle die kleinen Mißhel-
ligkeiten, welche noch immer zwiſchen den beiden Kaiſerhöfen beſtanden,
verſtummten augenblicklich, ſobald man erfuhr, daß auch in dem königs-
treuen Piemont eine Revolution ausgebrochen war. Es war die vierte
binnen Jahresfriſt, und ſie ſchien dem Wiener Hofe weit furchtbarer
als der Aufruhr in Neapel; denn ſie hatte ihren Sitz in dem einzigen
tapferen und nationalen Heere der Halbinſel, in dem Staate, der ſeine
Verwandtſchaft mit dem aufſtrebenden Preußen, ſeinen Beruf als Vor-
kämpfer der Einheit Italiens bereis zu ahnen begann. Graf Santa Roſa
und andere tüchtige Offiziere aus den erſten Familien des Landes, ſogar
ein Sohn des Grafen St. Marſan gehörten der Verſchwörung an. Sie
ſchaarten ſich nicht um das Parteibanner der Carbonari, ſondern um die

*) Bernſtorff an Ancillon, 13. März 1821.
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[180/0196] III. 3. Troppau und Laibach. heiligen Stuhle förmlich beendigen. Unterdeſſen blieben die übrigen Staats- männer bei den beiden Kaiſern in Laibach um den Gang der kriegeriſchen Ereigniſſe abzuwarten. Der Anfang des Feldzuges verſprach wenig; er bewies, daß Oeſterreich ſeine glänzende Stellung an der Spitze der euro- päiſchen Mächte nicht ſeiner eigenen Stärke verdankte, ſondern nur Met- ternich’s diplomatiſcher Kunſt und der Rathloſigkeit der anderen Höfe. Schwerfällig zog die Armee des Generals Frimont ſüdwärts, und als ſie endlich vor den Thoren Roms anlangte, da ſtellte ſich heraus, daß nach ſiebenmonatlichen Vorbereitungen nicht einmal die Geldmittel für dieſen unbedeutenden Krieg zur Stelle waren. Die Armeeverwaltung gerieth in peinliche Verlegenheit, Niemand wollte ihr leihen. Da half ihr Niebuhr aus der Noth, indem er in ſeinem eigenen Namen Wechſel auf die Preußiſche Bank zog, die von den römiſchen Bankiers ſofort ange- nommen wurden. *) Der beſchämende Vorfall ward raſch vergeſſen, da das Kartenhaus der Revolution gleich darauf zuſammenfiel. In heller Begeiſterung war die Landwehr der Samniter und der Marſen ſoeben gegen die Schergen der Tyrannen ausgezogen, und die Kronprinzeſſin hatte die Fahnen der Jauchzenden mit ſelbſtgeſtickten Carbonaribändern geſchmückt. Aber Wilhelm Pepe ließ die Oeſterreicher ungehindert durch den ſchwierigen Paß von Antrodocco im Hochgebirge der Abruzzen heran- kommen, und als Frimont ihn darauf am 7. März bei Rieti angriff, da hielt das Freiheitsheer nur vier Stunden lang leidlich Stand, dann lief Alles in wilder Flucht ſchimpflich auseinander; taub für die Mahnungen des tapferen Führers eilte Jeder in unwiderſtehlichem Heimweh ſeinem Vaterſtädtchen zu. Der Krieg war beendet, das ganze Land lag zu Oeſter- reichs Füßen. — Dieſe Siegesbotſchaft hatten die Monarchen noch nicht erhalten, als am 15. März eine andere unerwartete Nachricht bei ihnen einlief, die auf die Laibacher Verſammlung ähnlich wirkte wie einſt die Kunde von Napoleon’s Rückkehr auf den Wiener Congreß. Alle die kleinen Mißhel- ligkeiten, welche noch immer zwiſchen den beiden Kaiſerhöfen beſtanden, verſtummten augenblicklich, ſobald man erfuhr, daß auch in dem königs- treuen Piemont eine Revolution ausgebrochen war. Es war die vierte binnen Jahresfriſt, und ſie ſchien dem Wiener Hofe weit furchtbarer als der Aufruhr in Neapel; denn ſie hatte ihren Sitz in dem einzigen tapferen und nationalen Heere der Halbinſel, in dem Staate, der ſeine Verwandtſchaft mit dem aufſtrebenden Preußen, ſeinen Beruf als Vor- kämpfer der Einheit Italiens bereis zu ahnen begann. Graf Santa Roſa und andere tüchtige Offiziere aus den erſten Familien des Landes, ſogar ein Sohn des Grafen St. Marſan gehörten der Verſchwörung an. Sie ſchaarten ſich nicht um das Parteibanner der Carbonari, ſondern um die *) Bernſtorff an Ancillon, 13. März 1821.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/196>, abgerufen am 23.11.2024.