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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Benzenberg. Bülow-Cummerow.
einem vertraulichen Briefe, so halte ich es für ein verdienstliches Werk,
wenn man ihnen einmal erklärt, was dieser siebzigjährige Mann für den
König und für das Gemeinwesen Alles gethan hat."*) Darum ward
er auch von der liberalen Presse hart angelassen, und Grävell erwiderte
ihm in einem "Anti--B--z--b--g": nicht jeder Zauderer sei ein Fabius,
wie viel schneller habe man doch einst in dem aufgeklärten Königreiche
Westphalen die Steuerreform beendigt! Ja der Verleger der Zeitgenossen,
Brockhaus selbst verlegte auch den Anti--B--z--b--g und kündigte
nachher dem Bewunderer Hardenberg's als einem verdächtigen Conser-
vativen die Freundschaft auf, da "meine Zeitschriften pure dem Liberalis-
mus und seiner Verbreitung gewidmet sind". Gleichwohl hatte Benzen-
berg sich's nicht versagen können, einige halbwahre Schlagwörter des
Tages auf seinen Gönner anzuwenden: er nannte die Städte-Ordnung
und die Agrargesetze demokratisch, schilderte den Staatskanzler als einen
entschiedenen Liberalen, der die Grundsätze von 89 in Preußen verwirk-
licht und neuerdings blos zum Schein dem Strome der Reaction nach-
gegeben habe; er behauptete gar -- was der Meinung Hardenberg's
schnurstracks zuwiderlief -- die am 22. Mai verheißene Repräsentation
des Volks schließe ihrem Begriffe nach die ständische Vertretung aus.
In der Geschichte, so weissagte er, wird man die Regierung des Königs
die bürgerliche nennen; um seiner Verfassung willen darf Preußen selbst
den Krieg mit Oesterreich nicht scheuen, der wird ihm die Herrschaft über
Deutschland sichern!

Mit lauter Schadenfreude begrüßten die Feinde der Verfassung die
ungeschickte Lobschrift. Der tiefe, bis zum heutigen Tage noch unversöhnte
Groll des brandenburgischen Adels wider den Staatskanzler fand jetzt
neue Nahrung. Nun war doch klar erwiesen, daß Hardenberg sich selber
als einen Jacobiner verherrlichen ließ, daß er das demokratische Reprä-
sentativsystem, nicht eine ständische Verfassung erstrebte. Der Staats-
kanzler fühlte, wie sehr ihn sein Bewunderer bloßgestellt. Er erklärte
sofort in den Zeitungen mit Namensunterschrift, daß er keinen Antheil
an der Schrift habe, ihren Verfasser nicht kenne, und ließ durch seinen
getreuen Scharnweber eine Erwiderungsschrift ausarbeiten, die aber so
unglücklich ausfiel, daß man sie in den Acten vergraben mußte.**) Seine
Versicherungen fanden nirgends Glauben; konnte er sich doch in seiner
Herzensgüte nicht einmal entschließen, den gewohnten brieflichen Verkehr
mit seinem Lobredner abzubrechen.

Gegen Benzenberg schrieb E. v. Bülow-Cummerow seinen "Punkt
auf's i" -- ein in Pommern angesiedelter Mecklenburger von scharfem

*) Benzenberg an Graf Solms-Laubach, 10. Aug. 1820.
**) Hardenberg's Tagebuch, 1. Nov. 1820. Das Manuskript Scharnweber's be-
findet sich noch im G. St. Archiv.
8*

Benzenberg. Bülow-Cummerow.
einem vertraulichen Briefe, ſo halte ich es für ein verdienſtliches Werk,
wenn man ihnen einmal erklärt, was dieſer ſiebzigjährige Mann für den
König und für das Gemeinweſen Alles gethan hat.“*) Darum ward
er auch von der liberalen Preſſe hart angelaſſen, und Grävell erwiderte
ihm in einem „Anti—B—z—b—g“: nicht jeder Zauderer ſei ein Fabius,
wie viel ſchneller habe man doch einſt in dem aufgeklärten Königreiche
Weſtphalen die Steuerreform beendigt! Ja der Verleger der Zeitgenoſſen,
Brockhaus ſelbſt verlegte auch den Anti—B—z—b—g und kündigte
nachher dem Bewunderer Hardenberg’s als einem verdächtigen Conſer-
vativen die Freundſchaft auf, da „meine Zeitſchriften pure dem Liberalis-
mus und ſeiner Verbreitung gewidmet ſind“. Gleichwohl hatte Benzen-
berg ſich’s nicht verſagen können, einige halbwahre Schlagwörter des
Tages auf ſeinen Gönner anzuwenden: er nannte die Städte-Ordnung
und die Agrargeſetze demokratiſch, ſchilderte den Staatskanzler als einen
entſchiedenen Liberalen, der die Grundſätze von 89 in Preußen verwirk-
licht und neuerdings blos zum Schein dem Strome der Reaction nach-
gegeben habe; er behauptete gar — was der Meinung Hardenberg’s
ſchnurſtracks zuwiderlief — die am 22. Mai verheißene Repräſentation
des Volks ſchließe ihrem Begriffe nach die ſtändiſche Vertretung aus.
In der Geſchichte, ſo weiſſagte er, wird man die Regierung des Königs
die bürgerliche nennen; um ſeiner Verfaſſung willen darf Preußen ſelbſt
den Krieg mit Oeſterreich nicht ſcheuen, der wird ihm die Herrſchaft über
Deutſchland ſichern!

Mit lauter Schadenfreude begrüßten die Feinde der Verfaſſung die
ungeſchickte Lobſchrift. Der tiefe, bis zum heutigen Tage noch unverſöhnte
Groll des brandenburgiſchen Adels wider den Staatskanzler fand jetzt
neue Nahrung. Nun war doch klar erwieſen, daß Hardenberg ſich ſelber
als einen Jacobiner verherrlichen ließ, daß er das demokratiſche Reprä-
ſentativſyſtem, nicht eine ſtändiſche Verfaſſung erſtrebte. Der Staats-
kanzler fühlte, wie ſehr ihn ſein Bewunderer bloßgeſtellt. Er erklärte
ſofort in den Zeitungen mit Namensunterſchrift, daß er keinen Antheil
an der Schrift habe, ihren Verfaſſer nicht kenne, und ließ durch ſeinen
getreuen Scharnweber eine Erwiderungsſchrift ausarbeiten, die aber ſo
unglücklich ausfiel, daß man ſie in den Acten vergraben mußte.**) Seine
Verſicherungen fanden nirgends Glauben; konnte er ſich doch in ſeiner
Herzensgüte nicht einmal entſchließen, den gewohnten brieflichen Verkehr
mit ſeinem Lobredner abzubrechen.

Gegen Benzenberg ſchrieb E. v. Bülow-Cummerow ſeinen „Punkt
auf’s i“ — ein in Pommern angeſiedelter Mecklenburger von ſcharfem

*) Benzenberg an Graf Solms-Laubach, 10. Aug. 1820.
**) Hardenberg’s Tagebuch, 1. Nov. 1820. Das Manuſkript Scharnweber’s be-
findet ſich noch im G. St. Archiv.
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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/131>, abgerufen am 27.04.2024.