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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 2. Die letzten Reformen Hardenbergs.
noch einmal mit jugendlicher Schnellkraft aufgestanden, um sich einzuleben
in einen Gedankenkreis, der seiner Bildung fern lag, um sicheren Blicks
die rechten Männer, Maassen, Rother, Friese, Hoffmann, an die rechte
Stelle zu setzen und schließlich bald schmeichelnd bald schlagend alle die
Gegner von rechts und links zu überwinden, die nur er mit seiner schmieg-
samen Findigkeit besiegen konnte. Es war nicht das schlechteste Blatt in
dem vollen Kranze seines Ruhmes. --


Nach solchen Erfolgen durfte Hardenberg sich's wohl zutrauen, daß
er auch das letzte Ziel aller seiner Reformen noch erreichen und sein Tage-
werk mit der Berufung des ersten preußischen Landtags abschließen werde.
Durch die neuen Finanzgesetze war das Versprechen von 1815 förmlich
erneuert und bekräftigt, die Staatsschuld unter die Obhut der Reichsstände
gestellt, den Provinzialständen die Mitwirkung bei der Ausgleichung der
Grundsteuer zugesagt. Von so feierlichen Verheißungen wieder abzugehen
schien unmöglich. Der König hatte nicht nur diese Gesetze von freien
Stücken gebilligt, sondern auch während der Verhandlungen der jüngsten
Monate fast immer im Sinne des Kanzlers sich entschieden und ihn selbst
gegen die königlichen Prinzen nachdrücklich in Schutz genommen. Alles
schien auf gutem Wege. In einem Privatbriefe, der bald die Runde durch
die Zeitungen machte, mahnte Hardenberg, "dem langsamen aber folge-
rechten Gange der Regierung" besseres Zutrauen zu schenken: unzweifel-
haft werde die Verfassung noch zu Stande kommen. Er hoffte um so
sicherer, über die Flüsterer und Warner, die am Hofe umherschlichen, noch
den Sieg davonzutragen, da der König alle Eingaben der altständischen
Partikularisten scharf abgewiesen hatte, und außer dem wenig einfluß-
reichen Klewiz bisher noch kein namhafter Staatsmann, auch Metternich
nicht, dem Verfassungsplane offen entgegengetreten war.

Allerdings hatten die Finanzverhandlungen abermals bewiesen, daß
nicht blos Vorurtheile, sondern auch berechtigte, ernste Bedenken der Be-
rufung der Reichsstände entgegenstanden. Wie sollte das nothwendige
Geheimniß, das über der Bank und der Staatsschuld lag, gewahrt bleiben,
wenn die allgemeinen Landstände zusammentraten? Und war es nicht
leicht möglich, daß der Landtag die zur Sicherung des neuen Abgaben-
systems unentbehrlichen Zollverhandlungen mit den deutschen Nachbar-
staaten durch partikularistische Kleinmeisterei erschweren würde? Weit
überwiegende Gründe sprachen jedoch für die entschlossene Durchführung der
Pläne Hardenberg's. Wie schwer mußte die monarchische Gesinnung in
diesem mit seiner Krone so fest verwachsenen Volke erschüttert werden,
wenn zum ersten male in Preußens Geschichte die zornige Frage erklang:

III. 2. Die letzten Reformen Hardenbergs.
noch einmal mit jugendlicher Schnellkraft aufgeſtanden, um ſich einzuleben
in einen Gedankenkreis, der ſeiner Bildung fern lag, um ſicheren Blicks
die rechten Männer, Maaſſen, Rother, Frieſe, Hoffmann, an die rechte
Stelle zu ſetzen und ſchließlich bald ſchmeichelnd bald ſchlagend alle die
Gegner von rechts und links zu überwinden, die nur er mit ſeiner ſchmieg-
ſamen Findigkeit beſiegen konnte. Es war nicht das ſchlechteſte Blatt in
dem vollen Kranze ſeines Ruhmes. —


Nach ſolchen Erfolgen durfte Hardenberg ſich’s wohl zutrauen, daß
er auch das letzte Ziel aller ſeiner Reformen noch erreichen und ſein Tage-
werk mit der Berufung des erſten preußiſchen Landtags abſchließen werde.
Durch die neuen Finanzgeſetze war das Verſprechen von 1815 förmlich
erneuert und bekräftigt, die Staatsſchuld unter die Obhut der Reichsſtände
geſtellt, den Provinzialſtänden die Mitwirkung bei der Ausgleichung der
Grundſteuer zugeſagt. Von ſo feierlichen Verheißungen wieder abzugehen
ſchien unmöglich. Der König hatte nicht nur dieſe Geſetze von freien
Stücken gebilligt, ſondern auch während der Verhandlungen der jüngſten
Monate faſt immer im Sinne des Kanzlers ſich entſchieden und ihn ſelbſt
gegen die königlichen Prinzen nachdrücklich in Schutz genommen. Alles
ſchien auf gutem Wege. In einem Privatbriefe, der bald die Runde durch
die Zeitungen machte, mahnte Hardenberg, „dem langſamen aber folge-
rechten Gange der Regierung“ beſſeres Zutrauen zu ſchenken: unzweifel-
haft werde die Verfaſſung noch zu Stande kommen. Er hoffte um ſo
ſicherer, über die Flüſterer und Warner, die am Hofe umherſchlichen, noch
den Sieg davonzutragen, da der König alle Eingaben der altſtändiſchen
Partikulariſten ſcharf abgewieſen hatte, und außer dem wenig einfluß-
reichen Klewiz bisher noch kein namhafter Staatsmann, auch Metternich
nicht, dem Verfaſſungsplane offen entgegengetreten war.

Allerdings hatten die Finanzverhandlungen abermals bewieſen, daß
nicht blos Vorurtheile, ſondern auch berechtigte, ernſte Bedenken der Be-
rufung der Reichsſtände entgegenſtanden. Wie ſollte das nothwendige
Geheimniß, das über der Bank und der Staatsſchuld lag, gewahrt bleiben,
wenn die allgemeinen Landſtände zuſammentraten? Und war es nicht
leicht möglich, daß der Landtag die zur Sicherung des neuen Abgaben-
ſyſtems unentbehrlichen Zollverhandlungen mit den deutſchen Nachbar-
ſtaaten durch partikulariſtiſche Kleinmeiſterei erſchweren würde? Weit
überwiegende Gründe ſprachen jedoch für die entſchloſſene Durchführung der
Pläne Hardenberg’s. Wie ſchwer mußte die monarchiſche Geſinnung in
dieſem mit ſeiner Krone ſo feſt verwachſenen Volke erſchüttert werden,
wenn zum erſten male in Preußens Geſchichte die zornige Frage erklang:

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[98/0114] III. 2. Die letzten Reformen Hardenbergs. noch einmal mit jugendlicher Schnellkraft aufgeſtanden, um ſich einzuleben in einen Gedankenkreis, der ſeiner Bildung fern lag, um ſicheren Blicks die rechten Männer, Maaſſen, Rother, Frieſe, Hoffmann, an die rechte Stelle zu ſetzen und ſchließlich bald ſchmeichelnd bald ſchlagend alle die Gegner von rechts und links zu überwinden, die nur er mit ſeiner ſchmieg- ſamen Findigkeit beſiegen konnte. Es war nicht das ſchlechteſte Blatt in dem vollen Kranze ſeines Ruhmes. — Nach ſolchen Erfolgen durfte Hardenberg ſich’s wohl zutrauen, daß er auch das letzte Ziel aller ſeiner Reformen noch erreichen und ſein Tage- werk mit der Berufung des erſten preußiſchen Landtags abſchließen werde. Durch die neuen Finanzgeſetze war das Verſprechen von 1815 förmlich erneuert und bekräftigt, die Staatsſchuld unter die Obhut der Reichsſtände geſtellt, den Provinzialſtänden die Mitwirkung bei der Ausgleichung der Grundſteuer zugeſagt. Von ſo feierlichen Verheißungen wieder abzugehen ſchien unmöglich. Der König hatte nicht nur dieſe Geſetze von freien Stücken gebilligt, ſondern auch während der Verhandlungen der jüngſten Monate faſt immer im Sinne des Kanzlers ſich entſchieden und ihn ſelbſt gegen die königlichen Prinzen nachdrücklich in Schutz genommen. Alles ſchien auf gutem Wege. In einem Privatbriefe, der bald die Runde durch die Zeitungen machte, mahnte Hardenberg, „dem langſamen aber folge- rechten Gange der Regierung“ beſſeres Zutrauen zu ſchenken: unzweifel- haft werde die Verfaſſung noch zu Stande kommen. Er hoffte um ſo ſicherer, über die Flüſterer und Warner, die am Hofe umherſchlichen, noch den Sieg davonzutragen, da der König alle Eingaben der altſtändiſchen Partikulariſten ſcharf abgewieſen hatte, und außer dem wenig einfluß- reichen Klewiz bisher noch kein namhafter Staatsmann, auch Metternich nicht, dem Verfaſſungsplane offen entgegengetreten war. Allerdings hatten die Finanzverhandlungen abermals bewieſen, daß nicht blos Vorurtheile, ſondern auch berechtigte, ernſte Bedenken der Be- rufung der Reichsſtände entgegenſtanden. Wie ſollte das nothwendige Geheimniß, das über der Bank und der Staatsſchuld lag, gewahrt bleiben, wenn die allgemeinen Landſtände zuſammentraten? Und war es nicht leicht möglich, daß der Landtag die zur Sicherung des neuen Abgaben- ſyſtems unentbehrlichen Zollverhandlungen mit den deutſchen Nachbar- ſtaaten durch partikulariſtiſche Kleinmeiſterei erſchweren würde? Weit überwiegende Gründe ſprachen jedoch für die entſchloſſene Durchführung der Pläne Hardenberg’s. Wie ſchwer mußte die monarchiſche Geſinnung in dieſem mit ſeiner Krone ſo feſt verwachſenen Volke erſchüttert werden, wenn zum erſten male in Preußens Geſchichte die zornige Frage erklang:

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/114>, abgerufen am 28.04.2024.