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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Kunstpflege in Preußen.
traten die Mecklenburger zusammen und ließen durch Gottfried Schadow
ihrem Landsmanne Blücher ein Standbild errichten, das erste größere
Werk der neu erstandenen deutschen Erzgießerei. Nachher wurde in Schle-
sien gesammelt und Rauch aufgefordert, dem Feldherrn des schlesischen
Heeres dort neben dem Breslauer Ringe, wo sich einst die Freiwilligen
zusammengeschaart hatten, ein Denkmal zu setzen. Dann verlangte auch der
König Monumente für seine Generale, zunächst für die früh Verstorbenen,
Scharnhorst und Bülow. Ein weites Gebiet großer, lohnender Aufgaben
erschloß sich dem Künstler, der zugleich für den bildnerischen Schmuck der
Schinkelschen Bauten mit zu sorgen hatte und das Erz wie den Marmor
gleich glücklich zu bewältigen verstand. Ernst, mannhaft und edel, natur-
getreu und doch in hohem Stile gehalten, so erschienen die Bilder seiner
Helden; und selbst jenen leisen Zug der Steifheit, der ihnen anhaftete,
durfte man nicht schelten, weil er dem Charakter des preußischen Heeres
entsprach. In seinen mächtigsten Werken, den Reliefs für die Denkmäler
Scharnhorsts und Bülows erhob sich Rauch zu einem heroischen Schwunge,
den unsere Bildnerkunst nicht wieder überboten hat, und schilderte mit
den einfachsten Mitteln, in wenigen majestätischen Gestalten den ganzen
Verlauf des Kampfes von den Tagen an, da Preußens Jünglinge sich
aus Fichtenstämmen ihre Lanzen schnitzten bis zu dem stolzen Siegesfluge
ihres Adlers hoch über die Festungen Niederlands und Frankreichs da-
hin. Rauch wurde der Historiker des deutschen Befreiungskrieges gleich-
wie einst Rembrandt und Bol, van der Helst und Flinck den Geist und
Sinn des achtzigjährigen Krieges der Niederländer der Nachwelt über-
liefert hatten.

Zugleich geschahen die ersten Schritte um den Plan eines großen
Museums in der Hauptstadt zu verwirklichen. Der Gedanke war schon in
den ersten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms aufgetaucht und nachher,
als W. Humboldt das Unterrichtswesen leitete, ernstlicher erwogen wor-
den. Nunmehr erwarb der König, um die Staatskassen zu schonen, die
beiden großen Gemäldesammlungen von Giustiniani und Solly aus den
Mitteln seiner Schatulle und überließ sie dem Staate. Er befahl den
Beamten über die Verhandlungen mit Solly streng zu schweigen; denn
die kunstfreundlichen Absichten seiner Regierung fanden vorerst nur in
einem kleinen Kennerkreise verständige Würdigung; man fürchtete, daß
die verstimmte öffentliche Meinung, die mit pessimistischem Behagen den
Zustand des Staates in den finstersten Farben darzustellen liebte, den
Monarchen der Verschwendung anklagen würde statt ihm für seine Hoch-
herzigkeit zu danken. Der ebenfalls beabsichtigte Ankauf der Boisseree-
schen Gallerie mußte freilich unterbleiben, da der Brand des Schau-
spielhauses alle noch verfügbaren Mittel verschlang. Doch wurden die
besten Stücke der Sammlung durch die neue, kürzlich von Sennefelder
erfundene Kunst des Steindrucks nachgebildet und weithin verbreitet, sie

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Kunſtpflege in Preußen.
traten die Mecklenburger zuſammen und ließen durch Gottfried Schadow
ihrem Landsmanne Blücher ein Standbild errichten, das erſte größere
Werk der neu erſtandenen deutſchen Erzgießerei. Nachher wurde in Schle-
ſien geſammelt und Rauch aufgefordert, dem Feldherrn des ſchleſiſchen
Heeres dort neben dem Breslauer Ringe, wo ſich einſt die Freiwilligen
zuſammengeſchaart hatten, ein Denkmal zu ſetzen. Dann verlangte auch der
König Monumente für ſeine Generale, zunächſt für die früh Verſtorbenen,
Scharnhorſt und Bülow. Ein weites Gebiet großer, lohnender Aufgaben
erſchloß ſich dem Künſtler, der zugleich für den bildneriſchen Schmuck der
Schinkelſchen Bauten mit zu ſorgen hatte und das Erz wie den Marmor
gleich glücklich zu bewältigen verſtand. Ernſt, mannhaft und edel, natur-
getreu und doch in hohem Stile gehalten, ſo erſchienen die Bilder ſeiner
Helden; und ſelbſt jenen leiſen Zug der Steifheit, der ihnen anhaftete,
durfte man nicht ſchelten, weil er dem Charakter des preußiſchen Heeres
entſprach. In ſeinen mächtigſten Werken, den Reliefs für die Denkmäler
Scharnhorſts und Bülows erhob ſich Rauch zu einem heroiſchen Schwunge,
den unſere Bildnerkunſt nicht wieder überboten hat, und ſchilderte mit
den einfachſten Mitteln, in wenigen majeſtätiſchen Geſtalten den ganzen
Verlauf des Kampfes von den Tagen an, da Preußens Jünglinge ſich
aus Fichtenſtämmen ihre Lanzen ſchnitzten bis zu dem ſtolzen Siegesfluge
ihres Adlers hoch über die Feſtungen Niederlands und Frankreichs da-
hin. Rauch wurde der Hiſtoriker des deutſchen Befreiungskrieges gleich-
wie einſt Rembrandt und Bol, van der Helſt und Flinck den Geiſt und
Sinn des achtzigjährigen Krieges der Niederländer der Nachwelt über-
liefert hatten.

Zugleich geſchahen die erſten Schritte um den Plan eines großen
Muſeums in der Hauptſtadt zu verwirklichen. Der Gedanke war ſchon in
den erſten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms aufgetaucht und nachher,
als W. Humboldt das Unterrichtsweſen leitete, ernſtlicher erwogen wor-
den. Nunmehr erwarb der König, um die Staatskaſſen zu ſchonen, die
beiden großen Gemäldeſammlungen von Giuſtiniani und Solly aus den
Mitteln ſeiner Schatulle und überließ ſie dem Staate. Er befahl den
Beamten über die Verhandlungen mit Solly ſtreng zu ſchweigen; denn
die kunſtfreundlichen Abſichten ſeiner Regierung fanden vorerſt nur in
einem kleinen Kennerkreiſe verſtändige Würdigung; man fürchtete, daß
die verſtimmte öffentliche Meinung, die mit peſſimiſtiſchem Behagen den
Zuſtand des Staates in den finſterſten Farben darzuſtellen liebte, den
Monarchen der Verſchwendung anklagen würde ſtatt ihm für ſeine Hoch-
herzigkeit zu danken. Der ebenfalls beabſichtigte Ankauf der Boiſſeree-
ſchen Gallerie mußte freilich unterbleiben, da der Brand des Schau-
ſpielhauſes alle noch verfügbaren Mittel verſchlang. Doch wurden die
beſten Stücke der Sammlung durch die neue, kürzlich von Sennefelder
erfundene Kunſt des Steindrucks nachgebildet und weithin verbreitet, ſie

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[51/0065] Kunſtpflege in Preußen. traten die Mecklenburger zuſammen und ließen durch Gottfried Schadow ihrem Landsmanne Blücher ein Standbild errichten, das erſte größere Werk der neu erſtandenen deutſchen Erzgießerei. Nachher wurde in Schle- ſien geſammelt und Rauch aufgefordert, dem Feldherrn des ſchleſiſchen Heeres dort neben dem Breslauer Ringe, wo ſich einſt die Freiwilligen zuſammengeſchaart hatten, ein Denkmal zu ſetzen. Dann verlangte auch der König Monumente für ſeine Generale, zunächſt für die früh Verſtorbenen, Scharnhorſt und Bülow. Ein weites Gebiet großer, lohnender Aufgaben erſchloß ſich dem Künſtler, der zugleich für den bildneriſchen Schmuck der Schinkelſchen Bauten mit zu ſorgen hatte und das Erz wie den Marmor gleich glücklich zu bewältigen verſtand. Ernſt, mannhaft und edel, natur- getreu und doch in hohem Stile gehalten, ſo erſchienen die Bilder ſeiner Helden; und ſelbſt jenen leiſen Zug der Steifheit, der ihnen anhaftete, durfte man nicht ſchelten, weil er dem Charakter des preußiſchen Heeres entſprach. In ſeinen mächtigſten Werken, den Reliefs für die Denkmäler Scharnhorſts und Bülows erhob ſich Rauch zu einem heroiſchen Schwunge, den unſere Bildnerkunſt nicht wieder überboten hat, und ſchilderte mit den einfachſten Mitteln, in wenigen majeſtätiſchen Geſtalten den ganzen Verlauf des Kampfes von den Tagen an, da Preußens Jünglinge ſich aus Fichtenſtämmen ihre Lanzen ſchnitzten bis zu dem ſtolzen Siegesfluge ihres Adlers hoch über die Feſtungen Niederlands und Frankreichs da- hin. Rauch wurde der Hiſtoriker des deutſchen Befreiungskrieges gleich- wie einſt Rembrandt und Bol, van der Helſt und Flinck den Geiſt und Sinn des achtzigjährigen Krieges der Niederländer der Nachwelt über- liefert hatten. Zugleich geſchahen die erſten Schritte um den Plan eines großen Muſeums in der Hauptſtadt zu verwirklichen. Der Gedanke war ſchon in den erſten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms aufgetaucht und nachher, als W. Humboldt das Unterrichtsweſen leitete, ernſtlicher erwogen wor- den. Nunmehr erwarb der König, um die Staatskaſſen zu ſchonen, die beiden großen Gemäldeſammlungen von Giuſtiniani und Solly aus den Mitteln ſeiner Schatulle und überließ ſie dem Staate. Er befahl den Beamten über die Verhandlungen mit Solly ſtreng zu ſchweigen; denn die kunſtfreundlichen Abſichten ſeiner Regierung fanden vorerſt nur in einem kleinen Kennerkreiſe verſtändige Würdigung; man fürchtete, daß die verſtimmte öffentliche Meinung, die mit peſſimiſtiſchem Behagen den Zuſtand des Staates in den finſterſten Farben darzuſtellen liebte, den Monarchen der Verſchwendung anklagen würde ſtatt ihm für ſeine Hoch- herzigkeit zu danken. Der ebenfalls beabſichtigte Ankauf der Boiſſeree- ſchen Gallerie mußte freilich unterbleiben, da der Brand des Schau- ſpielhauſes alle noch verfügbaren Mittel verſchlang. Doch wurden die beſten Stücke der Sammlung durch die neue, kürzlich von Sennefelder erfundene Kunſt des Steindrucks nachgebildet und weithin verbreitet, ſie 4*

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/65>, abgerufen am 28.04.2024.