Seitdem ward Kapodistrias ganz still, Nesselrode gewann wieder für einige Zeit die Oberhand.*) Aus den Tuilerien verlautete auch kein Wort des Widerspruchs.
Ungestört, in stolzer Sicherheit durfte Metternich seines Weges ziehen. Ueberall in Europa meinte er bereits die segensreichen Folgen seiner "diplomatischen Contrerevolution" zu bemerken: scharf wie seit Langem nicht mehr traten die französischen Minister den Independenten entgegen, und im englischen Parlament erfocht das Tory-Cabinet einen Sieg nach dem andern.**) Gentz hatte niemals stolzer, zuversichtlicher geschrieben als in diesem gesegneten Winter. Auf die Angriffe der französischen Presse erwiderte er höhnisch: "der Augenblick ist vielleicht nicht ferne, wo alle guten Väter in Deutschland erkennen werden, daß das, was Verblendung oder Erbitterung den Todesstreich der deutschen Universitäten nannte, der An- fang ihrer Wiedergeburt war." Als die französischen Abgeordneten in einem Anfall zügelloser Parteiwuth den Königsmörder Gregoire darauf aus der Kammer verstießen, da feierte der Oesterreichische Beobachter die preis- würdige That mit dem staatsmännischen Ausspruch: "das Resultat muß für die Wünsche der Gutgesinnten heilbringend sein, weil es die Gegner in Trostlosigkeit versenkt hat." Adam Müller aber rief dem Freunde zu: "Nunmehr besteht diesseits und jenseits des Rheines eine solidarisch ver- bundene Gemeinde für die Sache Gottes und der Wahrheit, und sie ist Ihr Werk." Was man in Wien unter der Sache Gottes und der Wahr- heit verstand, darüber wurden die Deutschen in der Weihnachtszeit noch einmal gründlich belehrt. Eben in diesen Tagen, da die deutschen Dema- gogen in den Kerker wanderten, setzte Kaiser Franz den General Mack, der einst bei Ulm capitulirt hatte, in alle seine Ehren und Würden wieder ein. Durch "ein Uebermaß kaiserlicher Gnade" -- wie General Krusemark nicht umhin konnte zu bemerken -- wurde dem Helden auch noch der gesammte Gehalt, den man ihm seit dem Ulmer Ruhmestage vorenthalten, nachträglich ausbezahlt.***) --
Ungleich werthvoller als die freundliche Haltung der fremden Mächte wurde für die Hofburg ein Kampf im preußischen Ministerium, der zwar nur mittelbar mit den Karlsbader Beschlüssen zusammenhing, aber mit einem Siege der österreichischen Partei endigte. Frohen Muthes war der Staatskanzler am 5. August nach Glienicke zurückgekehrt; er meinte sich durch den Teplitzer Vertrag das Vertrauen des Königs von Neuem ge- sichert zu haben und schritt jetzt hoffnungsvoll an die Vollendung seiner
*) Krusemarks Berichte, 17. Jan., 12. Febr. 1820.
**) Krusemarks Bericht, 26. Dec. 1819.
***) Krusemarks Bericht, 13. Dec. 1819.
II. 10. Der Umſchwung am preußiſchen Hofe.
Seitdem ward Kapodiſtrias ganz ſtill, Neſſelrode gewann wieder für einige Zeit die Oberhand.*) Aus den Tuilerien verlautete auch kein Wort des Widerſpruchs.
Ungeſtört, in ſtolzer Sicherheit durfte Metternich ſeines Weges ziehen. Ueberall in Europa meinte er bereits die ſegensreichen Folgen ſeiner „diplomatiſchen Contrerevolution“ zu bemerken: ſcharf wie ſeit Langem nicht mehr traten die franzöſiſchen Miniſter den Independenten entgegen, und im engliſchen Parlament erfocht das Tory-Cabinet einen Sieg nach dem andern.**) Gentz hatte niemals ſtolzer, zuverſichtlicher geſchrieben als in dieſem geſegneten Winter. Auf die Angriffe der franzöſiſchen Preſſe erwiderte er höhniſch: „der Augenblick iſt vielleicht nicht ferne, wo alle guten Väter in Deutſchland erkennen werden, daß das, was Verblendung oder Erbitterung den Todesſtreich der deutſchen Univerſitäten nannte, der An- fang ihrer Wiedergeburt war.“ Als die franzöſiſchen Abgeordneten in einem Anfall zügelloſer Parteiwuth den Königsmörder Gregoire darauf aus der Kammer verſtießen, da feierte der Oeſterreichiſche Beobachter die preis- würdige That mit dem ſtaatsmänniſchen Ausſpruch: „das Reſultat muß für die Wünſche der Gutgeſinnten heilbringend ſein, weil es die Gegner in Troſtloſigkeit verſenkt hat.“ Adam Müller aber rief dem Freunde zu: „Nunmehr beſteht diesſeits und jenſeits des Rheines eine ſolidariſch ver- bundene Gemeinde für die Sache Gottes und der Wahrheit, und ſie iſt Ihr Werk.“ Was man in Wien unter der Sache Gottes und der Wahr- heit verſtand, darüber wurden die Deutſchen in der Weihnachtszeit noch einmal gründlich belehrt. Eben in dieſen Tagen, da die deutſchen Dema- gogen in den Kerker wanderten, ſetzte Kaiſer Franz den General Mack, der einſt bei Ulm capitulirt hatte, in alle ſeine Ehren und Würden wieder ein. Durch „ein Uebermaß kaiſerlicher Gnade“ — wie General Kruſemark nicht umhin konnte zu bemerken — wurde dem Helden auch noch der geſammte Gehalt, den man ihm ſeit dem Ulmer Ruhmestage vorenthalten, nachträglich ausbezahlt.***) —
Ungleich werthvoller als die freundliche Haltung der fremden Mächte wurde für die Hofburg ein Kampf im preußiſchen Miniſterium, der zwar nur mittelbar mit den Karlsbader Beſchlüſſen zuſammenhing, aber mit einem Siege der öſterreichiſchen Partei endigte. Frohen Muthes war der Staatskanzler am 5. Auguſt nach Glienicke zurückgekehrt; er meinte ſich durch den Teplitzer Vertrag das Vertrauen des Königs von Neuem ge- ſichert zu haben und ſchritt jetzt hoffnungsvoll an die Vollendung ſeiner
*) Kruſemarks Berichte, 17. Jan., 12. Febr. 1820.
**) Kruſemarks Bericht, 26. Dec. 1819.
***) Kruſemarks Bericht, 13. Dec. 1819.
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Seitdem ward Kapodiſtrias ganz ſtill, Neſſelrode gewann wieder für einige
Zeit die Oberhand. *) Aus den Tuilerien verlautete auch kein Wort des
Widerſpruchs.
Ungeſtört, in ſtolzer Sicherheit durfte Metternich ſeines Weges ziehen.
Ueberall in Europa meinte er bereits die ſegensreichen Folgen ſeiner
„diplomatiſchen Contrerevolution“ zu bemerken: ſcharf wie ſeit Langem
nicht mehr traten die franzöſiſchen Miniſter den Independenten entgegen,
und im engliſchen Parlament erfocht das Tory-Cabinet einen Sieg nach
dem andern. **) Gentz hatte niemals ſtolzer, zuverſichtlicher geſchrieben als
in dieſem geſegneten Winter. Auf die Angriffe der franzöſiſchen Preſſe
erwiderte er höhniſch: „der Augenblick iſt vielleicht nicht ferne, wo alle
guten Väter in Deutſchland erkennen werden, daß das, was Verblendung
oder Erbitterung den Todesſtreich der deutſchen Univerſitäten nannte, der An-
fang ihrer Wiedergeburt war.“ Als die franzöſiſchen Abgeordneten in einem
Anfall zügelloſer Parteiwuth den Königsmörder Gregoire darauf aus der
Kammer verſtießen, da feierte der Oeſterreichiſche Beobachter die preis-
würdige That mit dem ſtaatsmänniſchen Ausſpruch: „das Reſultat muß
für die Wünſche der Gutgeſinnten heilbringend ſein, weil es die Gegner
in Troſtloſigkeit verſenkt hat.“ Adam Müller aber rief dem Freunde zu:
„Nunmehr beſteht diesſeits und jenſeits des Rheines eine ſolidariſch ver-
bundene Gemeinde für die Sache Gottes und der Wahrheit, und ſie iſt
Ihr Werk.“ Was man in Wien unter der Sache Gottes und der Wahr-
heit verſtand, darüber wurden die Deutſchen in der Weihnachtszeit noch
einmal gründlich belehrt. Eben in dieſen Tagen, da die deutſchen Dema-
gogen in den Kerker wanderten, ſetzte Kaiſer Franz den General Mack,
der einſt bei Ulm capitulirt hatte, in alle ſeine Ehren und Würden wieder
ein. Durch „ein Uebermaß kaiſerlicher Gnade“ — wie General Kruſemark
nicht umhin konnte zu bemerken — wurde dem Helden auch noch der
geſammte Gehalt, den man ihm ſeit dem Ulmer Ruhmestage vorenthalten,
nachträglich ausbezahlt. ***) —
Ungleich werthvoller als die freundliche Haltung der fremden Mächte
wurde für die Hofburg ein Kampf im preußiſchen Miniſterium, der zwar
nur mittelbar mit den Karlsbader Beſchlüſſen zuſammenhing, aber mit
einem Siege der öſterreichiſchen Partei endigte. Frohen Muthes war der
Staatskanzler am 5. Auguſt nach Glienicke zurückgekehrt; er meinte ſich
durch den Teplitzer Vertrag das Vertrauen des Königs von Neuem ge-
ſichert zu haben und ſchritt jetzt hoffnungsvoll an die Vollendung ſeiner
*) Kruſemarks Berichte, 17. Jan., 12. Febr. 1820.
**) Kruſemarks Bericht, 26. Dec. 1819.
***) Kruſemarks Bericht, 13. Dec. 1819.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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