Schulen verbunden, rein auf die körperliche Abhärtung beschränkt werden. Zum Schluß sprach er über die Presse, durchaus maßvoll und ruhig: "es ist höchst nachtheilig, wenn man den Eifer, die Verbesserung des Innern zu befördern, mit dem Namen der Neuerungssucht belegt und solchem eine revolutionäre Tendenz unterzulegen sucht;" aber Angesichts so vieler Ausschreitungen der Zeitungen und der Unwahrscheinlichkeit eines Bundespreßgesetzes erscheine ein preußisches Preßgesetz unentbehrlich. Ueber alle diese Fragen erwartete der König die Vorschläge der Minister, des- gleichen den Entwurf zu einer Bekanntmachung an die Nation; jeder einzelne Minister sollte seine Abstimmung schriftlich einreichen. Am näm- lichen Tage erhielt Altenstein als Vorsitzender des Staatsraths den Be- fehl, die Verhandlungen dieser hohen Behörde, die eben jetzt über die neuen Steuergesetze berieth, vor Parteisucht und persönlicher Gehässigkeit zu behüten, "damit nicht die Entartung des an sich Guten veranlaßt werde."*)
Es geschah zum ersten male, daß der König von seinen Ministeru ein Gutachten über die gesammte innere Lage einforderte; er that es unverkennbar in der guten Absicht, eine gewaltsame Reaktion von seinem Volke abzuwenden. Keiner der Uebelstände, welche er rügte, war gänzlich in Abrede zu stellen, keines der Heilmittel, die er andeutete, schlechthin zu verwerfen. Die so lange schon geplante Reform der veralteten Preß- gesetzgebung ließ sich nicht mehr verschieben, die Verbindung der Turn- plätze mit den Schulen bot das sicherste und mildeste Mittel um den Uebermuth des "Turnstaates" zu mäßigen; auch eine offene Ansprache des Monarchen an seine Beamten konnte mancher Verirrung der nord- deutschen Tadelsucht steuern. Wollten die Minister die übertriebene Be- sorgniß, welche sich in einzelnen Sätzen der Cabinetsordre allerdings bekundete, wirksam beschwichtigen, so mußten sie der Aufforderung des Königs und des Staatskanzlers durch bestimmte, maßvolle, ausführbare Vorschläge sofort entsprechen. Ein rascher Entschluß war um so mehr geboten, da einige von ihnen wußten, wie weit die Gedanken der Cabinets- ordre noch hinter den geheimen Plänen des Wiener Hofes zurückblieben. Aber wie sollten sich die erklärten Gegner, Boyen und Schuckmann, Klewiz und Bülow schnell über einen wichtigen Beschluß einigen?
Seit jenem unvollständigen Ministerwechsel vom November 1817 hatte das collegialische Zusammenwirken fast ganz aufgehört; da der Staats- kanzler wegen seines Gehörleidens von dem Vorsitz im Ministerrathe ent- bunden war, so pflegte jeder Minister nur die Geschäfte seines Depar- tements zu erledigen und nöthigenfalls die Entscheidung Hardenbergs einzuholen. Auf eine so umfassende Anfrage, wie sie der König jetzt stellte, war keiner von ihnen gefaßt. Sehr langsam gingen ihre Gut-
*) Cabinetsordre an das Staatsministerium, 11. Jan.; an Altenstein 11. Jan. 1819.
Die Cabinetsordre vom 11. Januar 1819.
Schulen verbunden, rein auf die körperliche Abhärtung beſchränkt werden. Zum Schluß ſprach er über die Preſſe, durchaus maßvoll und ruhig: „es iſt höchſt nachtheilig, wenn man den Eifer, die Verbeſſerung des Innern zu befördern, mit dem Namen der Neuerungsſucht belegt und ſolchem eine revolutionäre Tendenz unterzulegen ſucht;“ aber Angeſichts ſo vieler Ausſchreitungen der Zeitungen und der Unwahrſcheinlichkeit eines Bundespreßgeſetzes erſcheine ein preußiſches Preßgeſetz unentbehrlich. Ueber alle dieſe Fragen erwartete der König die Vorſchläge der Miniſter, des- gleichen den Entwurf zu einer Bekanntmachung an die Nation; jeder einzelne Miniſter ſollte ſeine Abſtimmung ſchriftlich einreichen. Am näm- lichen Tage erhielt Altenſtein als Vorſitzender des Staatsraths den Be- fehl, die Verhandlungen dieſer hohen Behörde, die eben jetzt über die neuen Steuergeſetze berieth, vor Parteiſucht und perſönlicher Gehäſſigkeit zu behüten, „damit nicht die Entartung des an ſich Guten veranlaßt werde.“*)
Es geſchah zum erſten male, daß der König von ſeinen Miniſteru ein Gutachten über die geſammte innere Lage einforderte; er that es unverkennbar in der guten Abſicht, eine gewaltſame Reaktion von ſeinem Volke abzuwenden. Keiner der Uebelſtände, welche er rügte, war gänzlich in Abrede zu ſtellen, keines der Heilmittel, die er andeutete, ſchlechthin zu verwerfen. Die ſo lange ſchon geplante Reform der veralteten Preß- geſetzgebung ließ ſich nicht mehr verſchieben, die Verbindung der Turn- plätze mit den Schulen bot das ſicherſte und mildeſte Mittel um den Uebermuth des „Turnſtaates“ zu mäßigen; auch eine offene Anſprache des Monarchen an ſeine Beamten konnte mancher Verirrung der nord- deutſchen Tadelſucht ſteuern. Wollten die Miniſter die übertriebene Be- ſorgniß, welche ſich in einzelnen Sätzen der Cabinetsordre allerdings bekundete, wirkſam beſchwichtigen, ſo mußten ſie der Aufforderung des Königs und des Staatskanzlers durch beſtimmte, maßvolle, ausführbare Vorſchläge ſofort entſprechen. Ein raſcher Entſchluß war um ſo mehr geboten, da einige von ihnen wußten, wie weit die Gedanken der Cabinets- ordre noch hinter den geheimen Plänen des Wiener Hofes zurückblieben. Aber wie ſollten ſich die erklärten Gegner, Boyen und Schuckmann, Klewiz und Bülow ſchnell über einen wichtigen Beſchluß einigen?
Seit jenem unvollſtändigen Miniſterwechſel vom November 1817 hatte das collegialiſche Zuſammenwirken faſt ganz aufgehört; da der Staats- kanzler wegen ſeines Gehörleidens von dem Vorſitz im Miniſterrathe ent- bunden war, ſo pflegte jeder Miniſter nur die Geſchäfte ſeines Depar- tements zu erledigen und nöthigenfalls die Entſcheidung Hardenbergs einzuholen. Auf eine ſo umfaſſende Anfrage, wie ſie der König jetzt ſtellte, war keiner von ihnen gefaßt. Sehr langſam gingen ihre Gut-
*) Cabinetsordre an das Staatsminiſterium, 11. Jan.; an Altenſtein 11. Jan. 1819.
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Die Cabinetsordre vom 11. Januar 1819.
Schulen verbunden, rein auf die körperliche Abhärtung beſchränkt werden.
Zum Schluß ſprach er über die Preſſe, durchaus maßvoll und ruhig:
„es iſt höchſt nachtheilig, wenn man den Eifer, die Verbeſſerung des
Innern zu befördern, mit dem Namen der Neuerungsſucht belegt und
ſolchem eine revolutionäre Tendenz unterzulegen ſucht;“ aber Angeſichts
ſo vieler Ausſchreitungen der Zeitungen und der Unwahrſcheinlichkeit eines
Bundespreßgeſetzes erſcheine ein preußiſches Preßgeſetz unentbehrlich. Ueber
alle dieſe Fragen erwartete der König die Vorſchläge der Miniſter, des-
gleichen den Entwurf zu einer Bekanntmachung an die Nation; jeder
einzelne Miniſter ſollte ſeine Abſtimmung ſchriftlich einreichen. Am näm-
lichen Tage erhielt Altenſtein als Vorſitzender des Staatsraths den Be-
fehl, die Verhandlungen dieſer hohen Behörde, die eben jetzt über die
neuen Steuergeſetze berieth, vor Parteiſucht und perſönlicher Gehäſſigkeit
zu behüten, „damit nicht die Entartung des an ſich Guten veranlaßt
werde.“ *)
Es geſchah zum erſten male, daß der König von ſeinen Miniſteru
ein Gutachten über die geſammte innere Lage einforderte; er that es
unverkennbar in der guten Abſicht, eine gewaltſame Reaktion von ſeinem
Volke abzuwenden. Keiner der Uebelſtände, welche er rügte, war gänzlich in
Abrede zu ſtellen, keines der Heilmittel, die er andeutete, ſchlechthin zu
verwerfen. Die ſo lange ſchon geplante Reform der veralteten Preß-
geſetzgebung ließ ſich nicht mehr verſchieben, die Verbindung der Turn-
plätze mit den Schulen bot das ſicherſte und mildeſte Mittel um den
Uebermuth des „Turnſtaates“ zu mäßigen; auch eine offene Anſprache
des Monarchen an ſeine Beamten konnte mancher Verirrung der nord-
deutſchen Tadelſucht ſteuern. Wollten die Miniſter die übertriebene Be-
ſorgniß, welche ſich in einzelnen Sätzen der Cabinetsordre allerdings
bekundete, wirkſam beſchwichtigen, ſo mußten ſie der Aufforderung des
Königs und des Staatskanzlers durch beſtimmte, maßvolle, ausführbare
Vorſchläge ſofort entſprechen. Ein raſcher Entſchluß war um ſo mehr
geboten, da einige von ihnen wußten, wie weit die Gedanken der Cabinets-
ordre noch hinter den geheimen Plänen des Wiener Hofes zurückblieben.
Aber wie ſollten ſich die erklärten Gegner, Boyen und Schuckmann,
Klewiz und Bülow ſchnell über einen wichtigen Beſchluß einigen?
Seit jenem unvollſtändigen Miniſterwechſel vom November 1817 hatte
das collegialiſche Zuſammenwirken faſt ganz aufgehört; da der Staats-
kanzler wegen ſeines Gehörleidens von dem Vorſitz im Miniſterrathe ent-
bunden war, ſo pflegte jeder Miniſter nur die Geſchäfte ſeines Depar-
tements zu erledigen und nöthigenfalls die Entſcheidung Hardenbergs
einzuholen. Auf eine ſo umfaſſende Anfrage, wie ſie der König jetzt
ſtellte, war keiner von ihnen gefaßt. Sehr langſam gingen ihre Gut-
*) Cabinetsordre an das Staatsminiſterium, 11. Jan.; an Altenſtein 11. Jan. 1819.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/507>, abgerufen am 16.07.2024.
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