das offen eingestandene Mißtrauen des Preußen gegen Rußlands ehrgeizige Pläne zu beschwichtigen und entschuldigte sich sogar vor ihm wegen des Tilsiter Friedens und der Erwerbung von Bialystock.*) In Berlin be- theuerte er seinem königlichen Freunde, als dieser den Grundstein des Siegesdenkmals auf dem Kreuzberge legte, noch einmal vor allem Volke seine unverbrüchliche Treue und vernahm befriedigt, wie Stägemann ihn in einer pomphaften Ode als die Seele des europäischen Friedensbundes feierte:
Und Heil Dir dreimal, Heil dem versöhnenden, Dem Bundeshort! Der Könige Stirnen, oft Berauscht vom Lorbeer, sind nicht allzeit Fromme Bewahrer des milden Oelzweigs.
Auch in Weimar, in Darmstadt, in Frankfurt, überall wohin ihn seine Reise noch führte, mahnte er die Fürsten und Staatsmänner zur Wach- samkeit gegen die Demagogen und erinnerte nachdrücklich an die conser- vativen Grundsätze des heiligen Bundes.
Mittlerweile waren Metternich und Gentz mit Kapodistrias in Karlsbad zusammengetroffen. Das Städtchen im Waldthale der Tepel war damals das eleganteste Modebad Deutschlands und wurde von Gentz als ein "für uns höchst nützlicher Ort" gelobt. Hier strömte alljährlich die vornehme Welt von den deutschen Höfen zusammen und erlabte sich an den eigen- thümlichen Freuden des aristokratischen alten Oesterreichs; kein einziges schönes Gebäude in dem ganzen Thale, aber dafür reizende Frauen und prächtige Toiletten so viel das Herz begehrte, Concerte, Schmäuse und Bälle im Ueberfluß und eine Cavalier-Allee, wo jeder Reiter einen Du- caten Eintrittsgeld bezahlte. Hier trat Metternich wie der Herr vom Hause auf, bezauberte Jedermann bald durch geheimnißvolle Würde bald durch verbindliche Liebenswürdigkeit und lud auch wohl einzelne bevor- zugte Gäste, vornehmlich die Preußen, nach dem nahen Königswart ein, wo er sich sein häßliches Schloß, nach seiner Art, durchaus geschmacklos aber glänzend eingerichtet hatte. Von den Unterredungen mit Kapodistrias versprach er sich nichts Gutes, da er den Philhellenen kurzweg zu "den faselnden Staatsmännern" rechnete. Wie groß war sein Erstaunen, als er den Griechen ganz conservativ gesinnt fand und die Ueberzeugung ge- wann, daß Alexander mindestens "das Grundprincip der Erhaltung der Ruhe" unbedingt anerkenne. Befriedigt schrieb er seinem Monarchen, was Kaiser Franz immer am Liebsten hörte: es werde doch wohl Alles beim Alten bleiben. Dies Rußland, das er vor Kurzem noch durch ein geheimes Schutz- und Trutzbündniß mit Preußen hatte bändigen wollen, schien jetzt wirklich von freien Stücken in die Bahnen der allein wahren Stabilitätspolitik einzulenken. --
*) Zehn Tage meines Lebens. Erinnerungen von General v. Borstell. (Nordd. Allg. Ztg. 10. Aug. 1879 ff.)
II. 8. Der Aachener Congreß.
das offen eingeſtandene Mißtrauen des Preußen gegen Rußlands ehrgeizige Pläne zu beſchwichtigen und entſchuldigte ſich ſogar vor ihm wegen des Tilſiter Friedens und der Erwerbung von Bialyſtock.*) In Berlin be- theuerte er ſeinem königlichen Freunde, als dieſer den Grundſtein des Siegesdenkmals auf dem Kreuzberge legte, noch einmal vor allem Volke ſeine unverbrüchliche Treue und vernahm befriedigt, wie Stägemann ihn in einer pomphaften Ode als die Seele des europäiſchen Friedensbundes feierte:
Und Heil Dir dreimal, Heil dem verſöhnenden, Dem Bundeshort! Der Könige Stirnen, oft Berauſcht vom Lorbeer, ſind nicht allzeit Fromme Bewahrer des milden Oelzweigs.
Auch in Weimar, in Darmſtadt, in Frankfurt, überall wohin ihn ſeine Reiſe noch führte, mahnte er die Fürſten und Staatsmänner zur Wach- ſamkeit gegen die Demagogen und erinnerte nachdrücklich an die conſer- vativen Grundſätze des heiligen Bundes.
Mittlerweile waren Metternich und Gentz mit Kapodiſtrias in Karlsbad zuſammengetroffen. Das Städtchen im Waldthale der Tepel war damals das eleganteſte Modebad Deutſchlands und wurde von Gentz als ein „für uns höchſt nützlicher Ort“ gelobt. Hier ſtrömte alljährlich die vornehme Welt von den deutſchen Höfen zuſammen und erlabte ſich an den eigen- thümlichen Freuden des ariſtokratiſchen alten Oeſterreichs; kein einziges ſchönes Gebäude in dem ganzen Thale, aber dafür reizende Frauen und prächtige Toiletten ſo viel das Herz begehrte, Concerte, Schmäuſe und Bälle im Ueberfluß und eine Cavalier-Allee, wo jeder Reiter einen Du- caten Eintrittsgeld bezahlte. Hier trat Metternich wie der Herr vom Hauſe auf, bezauberte Jedermann bald durch geheimnißvolle Würde bald durch verbindliche Liebenswürdigkeit und lud auch wohl einzelne bevor- zugte Gäſte, vornehmlich die Preußen, nach dem nahen Königswart ein, wo er ſich ſein häßliches Schloß, nach ſeiner Art, durchaus geſchmacklos aber glänzend eingerichtet hatte. Von den Unterredungen mit Kapodiſtrias verſprach er ſich nichts Gutes, da er den Philhellenen kurzweg zu „den faſelnden Staatsmännern“ rechnete. Wie groß war ſein Erſtaunen, als er den Griechen ganz conſervativ geſinnt fand und die Ueberzeugung ge- wann, daß Alexander mindeſtens „das Grundprincip der Erhaltung der Ruhe“ unbedingt anerkenne. Befriedigt ſchrieb er ſeinem Monarchen, was Kaiſer Franz immer am Liebſten hörte: es werde doch wohl Alles beim Alten bleiben. Dies Rußland, das er vor Kurzem noch durch ein geheimes Schutz- und Trutzbündniß mit Preußen hatte bändigen wollen, ſchien jetzt wirklich von freien Stücken in die Bahnen der allein wahren Stabilitätspolitik einzulenken. —
*) Zehn Tage meines Lebens. Erinnerungen von General v. Borſtell. (Nordd. Allg. Ztg. 10. Aug. 1879 ff.)
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Tilſiter Friedens und der Erwerbung von Bialyſtock. *) In Berlin be-
theuerte er ſeinem königlichen Freunde, als dieſer den Grundſtein des
Siegesdenkmals auf dem Kreuzberge legte, noch einmal vor allem Volke
ſeine unverbrüchliche Treue und vernahm befriedigt, wie Stägemann ihn in
einer pomphaften Ode als die Seele des europäiſchen Friedensbundes feierte:
Und Heil Dir dreimal, Heil dem verſöhnenden,
Dem Bundeshort! Der Könige Stirnen, oft
Berauſcht vom Lorbeer, ſind nicht allzeit
Fromme Bewahrer des milden Oelzweigs.
Auch in Weimar, in Darmſtadt, in Frankfurt, überall wohin ihn ſeine
Reiſe noch führte, mahnte er die Fürſten und Staatsmänner zur Wach-
ſamkeit gegen die Demagogen und erinnerte nachdrücklich an die conſer-
vativen Grundſätze des heiligen Bundes.
Mittlerweile waren Metternich und Gentz mit Kapodiſtrias in Karlsbad
zuſammengetroffen. Das Städtchen im Waldthale der Tepel war damals
das eleganteſte Modebad Deutſchlands und wurde von Gentz als ein „für
uns höchſt nützlicher Ort“ gelobt. Hier ſtrömte alljährlich die vornehme
Welt von den deutſchen Höfen zuſammen und erlabte ſich an den eigen-
thümlichen Freuden des ariſtokratiſchen alten Oeſterreichs; kein einziges
ſchönes Gebäude in dem ganzen Thale, aber dafür reizende Frauen und
prächtige Toiletten ſo viel das Herz begehrte, Concerte, Schmäuſe und
Bälle im Ueberfluß und eine Cavalier-Allee, wo jeder Reiter einen Du-
caten Eintrittsgeld bezahlte. Hier trat Metternich wie der Herr vom
Hauſe auf, bezauberte Jedermann bald durch geheimnißvolle Würde bald
durch verbindliche Liebenswürdigkeit und lud auch wohl einzelne bevor-
zugte Gäſte, vornehmlich die Preußen, nach dem nahen Königswart ein,
wo er ſich ſein häßliches Schloß, nach ſeiner Art, durchaus geſchmacklos
aber glänzend eingerichtet hatte. Von den Unterredungen mit Kapodiſtrias
verſprach er ſich nichts Gutes, da er den Philhellenen kurzweg zu „den
faſelnden Staatsmännern“ rechnete. Wie groß war ſein Erſtaunen, als
er den Griechen ganz conſervativ geſinnt fand und die Ueberzeugung ge-
wann, daß Alexander mindeſtens „das Grundprincip der Erhaltung der
Ruhe“ unbedingt anerkenne. Befriedigt ſchrieb er ſeinem Monarchen,
was Kaiſer Franz immer am Liebſten hörte: es werde doch wohl Alles
beim Alten bleiben. Dies Rußland, das er vor Kurzem noch durch ein
geheimes Schutz- und Trutzbündniß mit Preußen hatte bändigen wollen,
ſchien jetzt wirklich von freien Stücken in die Bahnen der allein wahren
Stabilitätspolitik einzulenken. —
*) Zehn Tage meines Lebens. Erinnerungen von General v. Borſtell. (Nordd.
Allg. Ztg. 10. Aug. 1879 ff.)
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/466>, abgerufen am 09.05.2024.
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