Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Halle-Wittenberg. Bonn.
das Predigerseminar, das ihr zur Entschädigung dienen sollte, nicht trösten
und forderte noch ein Menschenalter später, im Jahre 1848, von der Ber-
liner Nationalversammlung die Wiederherstellung der alten akademischen
Herrlichkeit.

Den westlichen Provinzen hatte der König schon bei der Besitzergreifung
eine Universität versprochen. Sie sollte paritätisch sein und sowohl das
gänzlich verfallene reformirte Duisburg wie die aufgehobenen katholischen
Hochschulen Köln, Bonn, Trier ersetzen, während dem Münsterlande seine
katholische Akademie als theologische Fachschule erhalten blieb. Um den
Sitz der rheinischen Universität entspann sich nun ein hitziger Streit, der
die geheimen Wünsche der clerikalen Partei des Westens zum ersten male
an den Tag brachte. Köln war so lange im Besitze der größten Universität
am Rheine gewesen und überstrahlte alle anderen Städte des Landes so
weit durch seinen historischen Ruhm und durch die Fülle seiner Kunst-
denkmäler, daß auch Unbefangene, wie Niebuhr, Schenkendorf und der
wackere kölnische Sammler Wallraf meinten, nur hier könne das geistige
Leben der Rheinlande seinen Brennpunkt finden. Friedrich Schlegel aber
und seine ultramontanen Freunde benutzten den romantischen Zauber,
welcher die ehrwürdige Stadt umschwebte, als willkommenen Vorwand für
tiefere Pläne. Das heilige Köln war von Altersher das Bollwerk der
römischen Partei im Reiche, seine Bevölkerung, die noch zu einem vollen
Drittel aus Bettlern bestand, durch dumpfe Unduldsamkeit übel berüchtigt.
Hier hatten die obscuri viri des sechzehnten Jahrhunderts, nachher die
päpstlichen Legaten und die Jesuiten ihr Wesen getrieben; hier im Schatten
der erzbischöflichen Curie konnte eine evangelische Facultät so wenig ge-
deihen wie die weltlich freie Wissenschaft; hier war nur Raum für eine
rheinische Provinzialuniversität, die den tiefen Schlummer der Geister in
der alten Pfaffengasse des Reichs nicht gestört, die Versöhnung der West-
mark mit dem protestantischen Norden nicht gefördert hätte. "Diejenigen
-- schrieb ein einsichtiger Rheinländer an Hardenberg -- welche so ent-
schieden für Köln reden, verhehlen es gar nicht in vertraulicher Mitthei-
lung, daß sie dadurch den Mittelpunkt einer Opposition bilden möchten.
Und welcher Opposition? Des katholischen Princips gegen das prote-
stantische. Je näher die Regierung die Rheingegenden kennen lernen wird,
desto weiter wird sie sich von dem Gedanken entfernen, nach Köln die
rheinische Universität zu verlegen."*) Auch Arndt, der an seinem deut-
schen Strome rasch heimisch geworden war, und Süvern, der soeben die
neuen Unterrichtsanstalten am Rhein einrichtete, warnten den Staats-
kanzler vor dem pfäffischen Geiste der Bischofsstadt und empfahlen dafür
das liebliche Bonn mit seinen verödeten prächtigen Schlössern.

*) Denkschrift über die Rheinische Universität, dem Staatskanzler überreicht durch
Minister Klewiz 20. Febr. 1817. Andere Aktenstücke bei H. v. Sybel, Die Gründung
der Universität Bonn (Kleine histor. Schriften II 433).

Halle-Wittenberg. Bonn.
das Predigerſeminar, das ihr zur Entſchädigung dienen ſollte, nicht tröſten
und forderte noch ein Menſchenalter ſpäter, im Jahre 1848, von der Ber-
liner Nationalverſammlung die Wiederherſtellung der alten akademiſchen
Herrlichkeit.

Den weſtlichen Provinzen hatte der König ſchon bei der Beſitzergreifung
eine Univerſität verſprochen. Sie ſollte paritätiſch ſein und ſowohl das
gänzlich verfallene reformirte Duisburg wie die aufgehobenen katholiſchen
Hochſchulen Köln, Bonn, Trier erſetzen, während dem Münſterlande ſeine
katholiſche Akademie als theologiſche Fachſchule erhalten blieb. Um den
Sitz der rheiniſchen Univerſität entſpann ſich nun ein hitziger Streit, der
die geheimen Wünſche der clerikalen Partei des Weſtens zum erſten male
an den Tag brachte. Köln war ſo lange im Beſitze der größten Univerſität
am Rheine geweſen und überſtrahlte alle anderen Städte des Landes ſo
weit durch ſeinen hiſtoriſchen Ruhm und durch die Fülle ſeiner Kunſt-
denkmäler, daß auch Unbefangene, wie Niebuhr, Schenkendorf und der
wackere kölniſche Sammler Wallraf meinten, nur hier könne das geiſtige
Leben der Rheinlande ſeinen Brennpunkt finden. Friedrich Schlegel aber
und ſeine ultramontanen Freunde benutzten den romantiſchen Zauber,
welcher die ehrwürdige Stadt umſchwebte, als willkommenen Vorwand für
tiefere Pläne. Das heilige Köln war von Altersher das Bollwerk der
römiſchen Partei im Reiche, ſeine Bevölkerung, die noch zu einem vollen
Drittel aus Bettlern beſtand, durch dumpfe Unduldſamkeit übel berüchtigt.
Hier hatten die obscuri viri des ſechzehnten Jahrhunderts, nachher die
päpſtlichen Legaten und die Jeſuiten ihr Weſen getrieben; hier im Schatten
der erzbiſchöflichen Curie konnte eine evangeliſche Facultät ſo wenig ge-
deihen wie die weltlich freie Wiſſenſchaft; hier war nur Raum für eine
rheiniſche Provinzialuniverſität, die den tiefen Schlummer der Geiſter in
der alten Pfaffengaſſe des Reichs nicht geſtört, die Verſöhnung der Weſt-
mark mit dem proteſtantiſchen Norden nicht gefördert hätte. „Diejenigen
— ſchrieb ein einſichtiger Rheinländer an Hardenberg — welche ſo ent-
ſchieden für Köln reden, verhehlen es gar nicht in vertraulicher Mitthei-
lung, daß ſie dadurch den Mittelpunkt einer Oppoſition bilden möchten.
Und welcher Oppoſition? Des katholiſchen Princips gegen das prote-
ſtantiſche. Je näher die Regierung die Rheingegenden kennen lernen wird,
deſto weiter wird ſie ſich von dem Gedanken entfernen, nach Köln die
rheiniſche Univerſität zu verlegen.“*) Auch Arndt, der an ſeinem deut-
ſchen Strome raſch heimiſch geworden war, und Süvern, der ſoeben die
neuen Unterrichtsanſtalten am Rhein einrichtete, warnten den Staats-
kanzler vor dem pfäffiſchen Geiſte der Biſchofsſtadt und empfahlen dafür
das liebliche Bonn mit ſeinen verödeten prächtigen Schlöſſern.

*) Denkſchrift über die Rheiniſche Univerſität, dem Staatskanzler überreicht durch
Miniſter Klewiz 20. Febr. 1817. Andere Aktenſtücke bei H. v. Sybel, Die Gründung
der Univerſität Bonn (Kleine hiſtor. Schriften II 433).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="235"/><fw place="top" type="header">Halle-Wittenberg. Bonn.</fw><lb/>
das Prediger&#x017F;eminar, das ihr zur Ent&#x017F;chädigung dienen &#x017F;ollte, nicht trö&#x017F;ten<lb/>
und forderte noch ein Men&#x017F;chenalter &#x017F;päter, im Jahre 1848, von der Ber-<lb/>
liner Nationalver&#x017F;ammlung die Wiederher&#x017F;tellung der alten akademi&#x017F;chen<lb/>
Herrlichkeit.</p><lb/>
          <p>Den we&#x017F;tlichen Provinzen hatte der König &#x017F;chon bei der Be&#x017F;itzergreifung<lb/>
eine Univer&#x017F;ität ver&#x017F;prochen. Sie &#x017F;ollte paritäti&#x017F;ch &#x017F;ein und &#x017F;owohl das<lb/>
gänzlich verfallene reformirte Duisburg wie die aufgehobenen katholi&#x017F;chen<lb/>
Hoch&#x017F;chulen Köln, Bonn, Trier er&#x017F;etzen, während dem Mün&#x017F;terlande &#x017F;eine<lb/>
katholi&#x017F;che Akademie als theologi&#x017F;che Fach&#x017F;chule erhalten blieb. Um den<lb/>
Sitz der rheini&#x017F;chen Univer&#x017F;ität ent&#x017F;pann &#x017F;ich nun ein hitziger Streit, der<lb/>
die geheimen Wün&#x017F;che der clerikalen Partei des We&#x017F;tens zum er&#x017F;ten male<lb/>
an den Tag brachte. Köln war &#x017F;o lange im Be&#x017F;itze der größten Univer&#x017F;ität<lb/>
am Rheine gewe&#x017F;en und über&#x017F;trahlte alle anderen Städte des Landes &#x017F;o<lb/>
weit durch &#x017F;einen hi&#x017F;tori&#x017F;chen Ruhm und durch die Fülle &#x017F;einer Kun&#x017F;t-<lb/>
denkmäler, daß auch Unbefangene, wie Niebuhr, Schenkendorf und der<lb/>
wackere kölni&#x017F;che Sammler Wallraf meinten, nur hier könne das gei&#x017F;tige<lb/>
Leben der Rheinlande &#x017F;einen Brennpunkt finden. Friedrich Schlegel aber<lb/>
und &#x017F;eine ultramontanen Freunde benutzten den romanti&#x017F;chen Zauber,<lb/>
welcher die ehrwürdige Stadt um&#x017F;chwebte, als willkommenen Vorwand für<lb/>
tiefere Pläne. Das heilige Köln war von Altersher das Bollwerk der<lb/>
römi&#x017F;chen Partei im Reiche, &#x017F;eine Bevölkerung, die noch zu einem vollen<lb/>
Drittel aus Bettlern be&#x017F;tand, durch dumpfe Unduld&#x017F;amkeit übel berüchtigt.<lb/>
Hier hatten die <hi rendition="#aq">obscuri viri</hi> des &#x017F;echzehnten Jahrhunderts, nachher die<lb/>
päp&#x017F;tlichen Legaten und die Je&#x017F;uiten ihr We&#x017F;en getrieben; hier im Schatten<lb/>
der erzbi&#x017F;chöflichen Curie konnte eine evangeli&#x017F;che Facultät &#x017F;o wenig ge-<lb/>
deihen wie die weltlich freie Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft; hier war nur Raum für eine<lb/>
rheini&#x017F;che Provinzialuniver&#x017F;ität, die den tiefen Schlummer der Gei&#x017F;ter in<lb/>
der alten Pfaffenga&#x017F;&#x017F;e des Reichs nicht ge&#x017F;tört, die Ver&#x017F;öhnung der We&#x017F;t-<lb/>
mark mit dem prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Norden nicht gefördert hätte. &#x201E;Diejenigen<lb/>
&#x2014; &#x017F;chrieb ein ein&#x017F;ichtiger Rheinländer an Hardenberg &#x2014; welche &#x017F;o ent-<lb/>
&#x017F;chieden für Köln reden, verhehlen es gar nicht in vertraulicher Mitthei-<lb/>
lung, daß &#x017F;ie dadurch den Mittelpunkt einer Oppo&#x017F;ition bilden möchten.<lb/>
Und welcher Oppo&#x017F;ition? Des katholi&#x017F;chen Princips gegen das prote-<lb/>
&#x017F;tanti&#x017F;che. Je näher die Regierung die Rheingegenden kennen lernen wird,<lb/>
de&#x017F;to weiter wird &#x017F;ie &#x017F;ich von dem Gedanken entfernen, nach Köln die<lb/>
rheini&#x017F;che Univer&#x017F;ität zu verlegen.&#x201C;<note place="foot" n="*)">Denk&#x017F;chrift über die Rheini&#x017F;che Univer&#x017F;ität, dem Staatskanzler überreicht durch<lb/>
Mini&#x017F;ter Klewiz 20. Febr. 1817. Andere Akten&#x017F;tücke bei H. v. Sybel, Die Gründung<lb/>
der Univer&#x017F;ität Bonn (Kleine hi&#x017F;tor. Schriften <hi rendition="#aq">II</hi> 433).</note> Auch Arndt, der an &#x017F;einem deut-<lb/>
&#x017F;chen Strome ra&#x017F;ch heimi&#x017F;ch geworden war, und Süvern, der &#x017F;oeben die<lb/>
neuen Unterrichtsan&#x017F;talten am Rhein einrichtete, warnten den Staats-<lb/>
kanzler vor dem pfäffi&#x017F;chen Gei&#x017F;te der Bi&#x017F;chofs&#x017F;tadt und empfahlen dafür<lb/>
das liebliche Bonn mit &#x017F;einen verödeten prächtigen Schlö&#x017F;&#x017F;ern.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0249] Halle-Wittenberg. Bonn. das Predigerſeminar, das ihr zur Entſchädigung dienen ſollte, nicht tröſten und forderte noch ein Menſchenalter ſpäter, im Jahre 1848, von der Ber- liner Nationalverſammlung die Wiederherſtellung der alten akademiſchen Herrlichkeit. Den weſtlichen Provinzen hatte der König ſchon bei der Beſitzergreifung eine Univerſität verſprochen. Sie ſollte paritätiſch ſein und ſowohl das gänzlich verfallene reformirte Duisburg wie die aufgehobenen katholiſchen Hochſchulen Köln, Bonn, Trier erſetzen, während dem Münſterlande ſeine katholiſche Akademie als theologiſche Fachſchule erhalten blieb. Um den Sitz der rheiniſchen Univerſität entſpann ſich nun ein hitziger Streit, der die geheimen Wünſche der clerikalen Partei des Weſtens zum erſten male an den Tag brachte. Köln war ſo lange im Beſitze der größten Univerſität am Rheine geweſen und überſtrahlte alle anderen Städte des Landes ſo weit durch ſeinen hiſtoriſchen Ruhm und durch die Fülle ſeiner Kunſt- denkmäler, daß auch Unbefangene, wie Niebuhr, Schenkendorf und der wackere kölniſche Sammler Wallraf meinten, nur hier könne das geiſtige Leben der Rheinlande ſeinen Brennpunkt finden. Friedrich Schlegel aber und ſeine ultramontanen Freunde benutzten den romantiſchen Zauber, welcher die ehrwürdige Stadt umſchwebte, als willkommenen Vorwand für tiefere Pläne. Das heilige Köln war von Altersher das Bollwerk der römiſchen Partei im Reiche, ſeine Bevölkerung, die noch zu einem vollen Drittel aus Bettlern beſtand, durch dumpfe Unduldſamkeit übel berüchtigt. Hier hatten die obscuri viri des ſechzehnten Jahrhunderts, nachher die päpſtlichen Legaten und die Jeſuiten ihr Weſen getrieben; hier im Schatten der erzbiſchöflichen Curie konnte eine evangeliſche Facultät ſo wenig ge- deihen wie die weltlich freie Wiſſenſchaft; hier war nur Raum für eine rheiniſche Provinzialuniverſität, die den tiefen Schlummer der Geiſter in der alten Pfaffengaſſe des Reichs nicht geſtört, die Verſöhnung der Weſt- mark mit dem proteſtantiſchen Norden nicht gefördert hätte. „Diejenigen — ſchrieb ein einſichtiger Rheinländer an Hardenberg — welche ſo ent- ſchieden für Köln reden, verhehlen es gar nicht in vertraulicher Mitthei- lung, daß ſie dadurch den Mittelpunkt einer Oppoſition bilden möchten. Und welcher Oppoſition? Des katholiſchen Princips gegen das prote- ſtantiſche. Je näher die Regierung die Rheingegenden kennen lernen wird, deſto weiter wird ſie ſich von dem Gedanken entfernen, nach Köln die rheiniſche Univerſität zu verlegen.“ *) Auch Arndt, der an ſeinem deut- ſchen Strome raſch heimiſch geworden war, und Süvern, der ſoeben die neuen Unterrichtsanſtalten am Rhein einrichtete, warnten den Staats- kanzler vor dem pfäffiſchen Geiſte der Biſchofsſtadt und empfahlen dafür das liebliche Bonn mit ſeinen verödeten prächtigen Schlöſſern. *) Denkſchrift über die Rheiniſche Univerſität, dem Staatskanzler überreicht durch Miniſter Klewiz 20. Febr. 1817. Andere Aktenſtücke bei H. v. Sybel, Die Gründung der Univerſität Bonn (Kleine hiſtor. Schriften II 433).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/249
Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/249>, abgerufen am 25.11.2024.