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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
geblich liberale Verfassungsentwürfe vorgelegt. Da überfiel ihn im Herbst
1817 die Reue, und er beschloß beim Bunde Hilfe zu suchen gegen seinen
eigenen Liberalismus. Seine Gesandten Wangenheim in Frankfurt und
Wintzingerode in Wien erhielten den Auftrag, um authentische Interpre-
tation des Art. 13 von Bundeswegen zu bitten, "damit allen übertriebenen
Anforderungen eine feste und unerschütterliche Schranke gesetzt werde."
Natürlich durften die Beiden den wahren Grund der Bitte nicht verrathen.
Der König, so versicherten sie, sei durch sein Wort gebunden, jedoch die
unruhige Stimmung in Preußen und den Nachbarlanden Württembergs
bedürfe eines Zügels, und -- fügte der plauderhafte Wangenheim harm-
los hinzu -- die württembergischen Verfassungspläne drohten für ganz
Deutschland ein verhängnißvolles Beispiel zu werden.*) Der Vorschlag
fand aber bei den Bundesgesandten eine so kühle Aufnahme, daß Wangen-
heim sich dazu verstehen mußte, seinen Antrag, den er in einer vertrau-
lichen Sitzung (18. Dec.) gestellt, nicht zu Protokoll zu geben. In Wien
war Wintzingerode nicht glücklicher. Metternich äußerte zwar in vertrau-
licher Unterredung, die landständischen Verfassungen des Art. 13 hätten
nichts gemein mit der revolutionären Idee einer allgemeinen Volksver-
tretung, und verrieth also schon jetzt einen Lieblingsgedanken seiner Politik,
der in der deutschen Politik noch argen Unfrieden stiften sollte; aber eine
Einwirkung des Bundes auf die ständischen Angelegenheiten schien ihm
unmöglich, schon aus Rücksicht auf Preußen und Baiern. Der Anschlag
König Wilhelms war mißlungen, doch er blieb in Wien unvergessen. Metter-
nich hatte erfahren, wie wenig nachhaltiger Widerstand von den kleinen
Kronen zu erwarten war, falls man sich einmal entschlösse die Macht des
Bundes gegen die Landtage zu wenden. Der constitutionelle König, den
die unschuldige Presse als den Helden des Liberalismus feierte, wies der
Hofburg selber zuerst den Weg zur Unterdrückung deutscher Freiheit.

Inzwischen kam der leidige Art. 13 in Frankfurt doch noch einmal
zur Sprache, da auch die mecklenburgischen Herzöge die Bürgschaft des
Bundes verlangten für ein Verfassungsgesetz, das zur Ergänzung ihres
altehrwürdigen Erbvergleichs dienen sollte. Bei dieser Verhandlung be-
richtete Graf Goltz, auf Hardenbergs Befehl, ausführlich, was in Preußen
bisher geschehen war um das Verfassungsversprechen zu erfüllen; er wider-
rieth die Regelung der ständischen Angelegenheiten durch die Bundesver-
sammlung, welche doch "nur allgemeine Sätze aufstellen" könne, beantragte
jedoch, daß die Einzelstaaten dem Bundestag über den Stand ihrer Ver-
fassungsarbeiten binnen Jahresfrist wieder Bericht erstatten sollten. König

*) Berckheims Berichte v. 18., 23., 30. Novbr., 13., 29. Decbr. 1817, vollständig
übereinstimmend mit den Mittheilungen, welche Graf W. Wintzingerode (Graf E. L.
Wintzingerode, ein württembergischer Staatsmann, Gotha 1866, S. 31 ff.) aus würt-
tembergischen Aktenstücken gibt.

II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages.
geblich liberale Verfaſſungsentwürfe vorgelegt. Da überfiel ihn im Herbſt
1817 die Reue, und er beſchloß beim Bunde Hilfe zu ſuchen gegen ſeinen
eigenen Liberalismus. Seine Geſandten Wangenheim in Frankfurt und
Wintzingerode in Wien erhielten den Auftrag, um authentiſche Interpre-
tation des Art. 13 von Bundeswegen zu bitten, „damit allen übertriebenen
Anforderungen eine feſte und unerſchütterliche Schranke geſetzt werde.“
Natürlich durften die Beiden den wahren Grund der Bitte nicht verrathen.
Der König, ſo verſicherten ſie, ſei durch ſein Wort gebunden, jedoch die
unruhige Stimmung in Preußen und den Nachbarlanden Württembergs
bedürfe eines Zügels, und — fügte der plauderhafte Wangenheim harm-
los hinzu — die württembergiſchen Verfaſſungspläne drohten für ganz
Deutſchland ein verhängnißvolles Beiſpiel zu werden.*) Der Vorſchlag
fand aber bei den Bundesgeſandten eine ſo kühle Aufnahme, daß Wangen-
heim ſich dazu verſtehen mußte, ſeinen Antrag, den er in einer vertrau-
lichen Sitzung (18. Dec.) geſtellt, nicht zu Protokoll zu geben. In Wien
war Wintzingerode nicht glücklicher. Metternich äußerte zwar in vertrau-
licher Unterredung, die landſtändiſchen Verfaſſungen des Art. 13 hätten
nichts gemein mit der revolutionären Idee einer allgemeinen Volksver-
tretung, und verrieth alſo ſchon jetzt einen Lieblingsgedanken ſeiner Politik,
der in der deutſchen Politik noch argen Unfrieden ſtiften ſollte; aber eine
Einwirkung des Bundes auf die ſtändiſchen Angelegenheiten ſchien ihm
unmöglich, ſchon aus Rückſicht auf Preußen und Baiern. Der Anſchlag
König Wilhelms war mißlungen, doch er blieb in Wien unvergeſſen. Metter-
nich hatte erfahren, wie wenig nachhaltiger Widerſtand von den kleinen
Kronen zu erwarten war, falls man ſich einmal entſchlöſſe die Macht des
Bundes gegen die Landtage zu wenden. Der conſtitutionelle König, den
die unſchuldige Preſſe als den Helden des Liberalismus feierte, wies der
Hofburg ſelber zuerſt den Weg zur Unterdrückung deutſcher Freiheit.

Inzwiſchen kam der leidige Art. 13 in Frankfurt doch noch einmal
zur Sprache, da auch die mecklenburgiſchen Herzöge die Bürgſchaft des
Bundes verlangten für ein Verfaſſungsgeſetz, das zur Ergänzung ihres
altehrwürdigen Erbvergleichs dienen ſollte. Bei dieſer Verhandlung be-
richtete Graf Goltz, auf Hardenbergs Befehl, ausführlich, was in Preußen
bisher geſchehen war um das Verfaſſungsverſprechen zu erfüllen; er wider-
rieth die Regelung der ſtändiſchen Angelegenheiten durch die Bundesver-
ſammlung, welche doch „nur allgemeine Sätze aufſtellen“ könne, beantragte
jedoch, daß die Einzelſtaaten dem Bundestag über den Stand ihrer Ver-
faſſungsarbeiten binnen Jahresfriſt wieder Bericht erſtatten ſollten. König

*) Berckheims Berichte v. 18., 23., 30. Novbr., 13., 29. Decbr. 1817, vollſtändig
übereinſtimmend mit den Mittheilungen, welche Graf W. Wintzingerode (Graf E. L.
Wintzingerode, ein württembergiſcher Staatsmann, Gotha 1866, S. 31 ff.) aus würt-
tembergiſchen Aktenſtücken gibt.
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[168/0182] II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages. geblich liberale Verfaſſungsentwürfe vorgelegt. Da überfiel ihn im Herbſt 1817 die Reue, und er beſchloß beim Bunde Hilfe zu ſuchen gegen ſeinen eigenen Liberalismus. Seine Geſandten Wangenheim in Frankfurt und Wintzingerode in Wien erhielten den Auftrag, um authentiſche Interpre- tation des Art. 13 von Bundeswegen zu bitten, „damit allen übertriebenen Anforderungen eine feſte und unerſchütterliche Schranke geſetzt werde.“ Natürlich durften die Beiden den wahren Grund der Bitte nicht verrathen. Der König, ſo verſicherten ſie, ſei durch ſein Wort gebunden, jedoch die unruhige Stimmung in Preußen und den Nachbarlanden Württembergs bedürfe eines Zügels, und — fügte der plauderhafte Wangenheim harm- los hinzu — die württembergiſchen Verfaſſungspläne drohten für ganz Deutſchland ein verhängnißvolles Beiſpiel zu werden. *) Der Vorſchlag fand aber bei den Bundesgeſandten eine ſo kühle Aufnahme, daß Wangen- heim ſich dazu verſtehen mußte, ſeinen Antrag, den er in einer vertrau- lichen Sitzung (18. Dec.) geſtellt, nicht zu Protokoll zu geben. In Wien war Wintzingerode nicht glücklicher. Metternich äußerte zwar in vertrau- licher Unterredung, die landſtändiſchen Verfaſſungen des Art. 13 hätten nichts gemein mit der revolutionären Idee einer allgemeinen Volksver- tretung, und verrieth alſo ſchon jetzt einen Lieblingsgedanken ſeiner Politik, der in der deutſchen Politik noch argen Unfrieden ſtiften ſollte; aber eine Einwirkung des Bundes auf die ſtändiſchen Angelegenheiten ſchien ihm unmöglich, ſchon aus Rückſicht auf Preußen und Baiern. Der Anſchlag König Wilhelms war mißlungen, doch er blieb in Wien unvergeſſen. Metter- nich hatte erfahren, wie wenig nachhaltiger Widerſtand von den kleinen Kronen zu erwarten war, falls man ſich einmal entſchlöſſe die Macht des Bundes gegen die Landtage zu wenden. Der conſtitutionelle König, den die unſchuldige Preſſe als den Helden des Liberalismus feierte, wies der Hofburg ſelber zuerſt den Weg zur Unterdrückung deutſcher Freiheit. Inzwiſchen kam der leidige Art. 13 in Frankfurt doch noch einmal zur Sprache, da auch die mecklenburgiſchen Herzöge die Bürgſchaft des Bundes verlangten für ein Verfaſſungsgeſetz, das zur Ergänzung ihres altehrwürdigen Erbvergleichs dienen ſollte. Bei dieſer Verhandlung be- richtete Graf Goltz, auf Hardenbergs Befehl, ausführlich, was in Preußen bisher geſchehen war um das Verfaſſungsverſprechen zu erfüllen; er wider- rieth die Regelung der ſtändiſchen Angelegenheiten durch die Bundesver- ſammlung, welche doch „nur allgemeine Sätze aufſtellen“ könne, beantragte jedoch, daß die Einzelſtaaten dem Bundestag über den Stand ihrer Ver- faſſungsarbeiten binnen Jahresfriſt wieder Bericht erſtatten ſollten. König *) Berckheims Berichte v. 18., 23., 30. Novbr., 13., 29. Decbr. 1817, vollſtändig übereinſtimmend mit den Mittheilungen, welche Graf W. Wintzingerode (Graf E. L. Wintzingerode, ein württembergiſcher Staatsmann, Gotha 1866, S. 31 ff.) aus würt- tembergiſchen Aktenſtücken gibt.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/182>, abgerufen am 28.11.2024.