müthigen Anerbietens" sei am Bundestage leider wenig wahrscheinlich, am wenigsten, wenn das gefürchtete Oesterreich sich dafür ausspräche. In der That erklärten die Bundesgesandten, der Hannoveraner Martens voran, ihr gerechtes Befremden über die unerhörte Zumuthung sobald Goltz sich im Sommer mit dem Antrage hervorwagte.*)
Noch länger währte der Streit über die Eintheilung des Bundes- heeres. Die "Hauptpunkte" hatten nur bestimmt, daß die kleinen Con- tingente vor jeder Berührung mit den Heeren der drei größten Staaten gesichert bleiben müßten. Preußen forderte nun, Kurhessen solle, seiner geographischen Lage gemäß, einem norddeutschen Corps beitreten; der Kur- fürst dagegen hielt "die verwandtschaftlichen Verhältnisse" für wichtiger und wollte mitsammt dem Darmstädter Vetter sich an Württemberg an- schließen. Die Zänkerei ward völlig unerträglich, seit der neue Vertreter Oesterreichs in der Militärcommission, General Langenau insgeheim das Feuer schürte; der gewandte Sachse hatte schon in Schwarzenbergs Haupt- quartier und auf dem Wiener Congresse seinen Haß gegen Preußen be- währt und zeigte sich in allen den kleinen Künsten, welche am Bundes- tage entschieden, dem gelehrten Preußen Wolzogen weitaus überlegen. Im August ward man endlich noch darüber einig, daß die Bevölkerung den Maßstab für die provisorische Bundesmatrikel bilden sollte; denn zu einer definitiven Matrikel ist der Deutsche Bund in einem halben Jahrhundert niemals gelangt. Aber nun begann wieder das Feilschen der Kleinen: Hildburghausen berechnete seine Bevölkerung nach einer Zählung vom Jahre 1807, Gotha und Altenburg wurden überführt, ihre Reiche um 12000 Seelen zu niedrig geschätzt zu haben -- und was des Schmutzes mehr war.**)
Als der Deutsche Bund sein drittes Jahr begann, war weder die Kriegsverfassung beschlossen, noch die Karlsbader Convention über die Festung Mainz vom Bundestage genehmigt, noch Luxemburg und Landau dem Bunde überwiesen, noch über die vierte Bundesfestung irgend etwas vereinbart. Mittlerweile lagen die mit dem Blute der Waterloo-Kämpfer erkauften französischen Millionen gegen mäßigen Zins bei Rothschild und bereicherten dies Haus, das zuerst durch die Blutgelder des hessischen Kur- fürsten seine Größe begründet, dann seit dem Jahre 1813 sich rasch zu der Stellung einer Weltmacht aufgeschwungen und in wenigen Jahren mehr denn 1200 Mill. Gulden an Subsidienzahlungen und Anleihen für die tief verschuldeten Höfe Europas übernommen hatte. Die deutsche Volks- wirthschaft zog aus den Schätzen der Rothschilds wenig Gewinn; denn die Firma war nicht deutsch, wie einst die Fugger und die Welser, sondern zeigte
*) Weisung an Krusemark, 20. Mai. Krusemarks Bericht v. 10. Juni. Goltz's Be- richt v. 21. August 1818.
**) Goltz's Bericht 28. April 1818.
II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages.
müthigen Anerbietens“ ſei am Bundestage leider wenig wahrſcheinlich, am wenigſten, wenn das gefürchtete Oeſterreich ſich dafür ausſpräche. In der That erklärten die Bundesgeſandten, der Hannoveraner Martens voran, ihr gerechtes Befremden über die unerhörte Zumuthung ſobald Goltz ſich im Sommer mit dem Antrage hervorwagte.*)
Noch länger währte der Streit über die Eintheilung des Bundes- heeres. Die „Hauptpunkte“ hatten nur beſtimmt, daß die kleinen Con- tingente vor jeder Berührung mit den Heeren der drei größten Staaten geſichert bleiben müßten. Preußen forderte nun, Kurheſſen ſolle, ſeiner geographiſchen Lage gemäß, einem norddeutſchen Corps beitreten; der Kur- fürſt dagegen hielt „die verwandtſchaftlichen Verhältniſſe“ für wichtiger und wollte mitſammt dem Darmſtädter Vetter ſich an Württemberg an- ſchließen. Die Zänkerei ward völlig unerträglich, ſeit der neue Vertreter Oeſterreichs in der Militärcommiſſion, General Langenau insgeheim das Feuer ſchürte; der gewandte Sachſe hatte ſchon in Schwarzenbergs Haupt- quartier und auf dem Wiener Congreſſe ſeinen Haß gegen Preußen be- währt und zeigte ſich in allen den kleinen Künſten, welche am Bundes- tage entſchieden, dem gelehrten Preußen Wolzogen weitaus überlegen. Im Auguſt ward man endlich noch darüber einig, daß die Bevölkerung den Maßſtab für die proviſoriſche Bundesmatrikel bilden ſollte; denn zu einer definitiven Matrikel iſt der Deutſche Bund in einem halben Jahrhundert niemals gelangt. Aber nun begann wieder das Feilſchen der Kleinen: Hildburghauſen berechnete ſeine Bevölkerung nach einer Zählung vom Jahre 1807, Gotha und Altenburg wurden überführt, ihre Reiche um 12000 Seelen zu niedrig geſchätzt zu haben — und was des Schmutzes mehr war.**)
Als der Deutſche Bund ſein drittes Jahr begann, war weder die Kriegsverfaſſung beſchloſſen, noch die Karlsbader Convention über die Feſtung Mainz vom Bundestage genehmigt, noch Luxemburg und Landau dem Bunde überwieſen, noch über die vierte Bundesfeſtung irgend etwas vereinbart. Mittlerweile lagen die mit dem Blute der Waterloo-Kämpfer erkauften franzöſiſchen Millionen gegen mäßigen Zins bei Rothſchild und bereicherten dies Haus, das zuerſt durch die Blutgelder des heſſiſchen Kur- fürſten ſeine Größe begründet, dann ſeit dem Jahre 1813 ſich raſch zu der Stellung einer Weltmacht aufgeſchwungen und in wenigen Jahren mehr denn 1200 Mill. Gulden an Subſidienzahlungen und Anleihen für die tief verſchuldeten Höfe Europas übernommen hatte. Die deutſche Volks- wirthſchaft zog aus den Schätzen der Rothſchilds wenig Gewinn; denn die Firma war nicht deutſch, wie einſt die Fugger und die Welſer, ſondern zeigte
*) Weiſung an Kruſemark, 20. Mai. Kruſemarks Bericht v. 10. Juni. Goltz’s Be- richt v. 21. Auguſt 1818.
**) Goltz’s Bericht 28. April 1818.
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wenigſten, wenn das gefürchtete Oeſterreich ſich dafür ausſpräche. In der
That erklärten die Bundesgeſandten, der Hannoveraner Martens voran,
ihr gerechtes Befremden über die unerhörte Zumuthung ſobald Goltz ſich
im Sommer mit dem Antrage hervorwagte. *)
Noch länger währte der Streit über die Eintheilung des Bundes-
heeres. Die „Hauptpunkte“ hatten nur beſtimmt, daß die kleinen Con-
tingente vor jeder Berührung mit den Heeren der drei größten Staaten
geſichert bleiben müßten. Preußen forderte nun, Kurheſſen ſolle, ſeiner
geographiſchen Lage gemäß, einem norddeutſchen Corps beitreten; der Kur-
fürſt dagegen hielt „die verwandtſchaftlichen Verhältniſſe“ für wichtiger
und wollte mitſammt dem Darmſtädter Vetter ſich an Württemberg an-
ſchließen. Die Zänkerei ward völlig unerträglich, ſeit der neue Vertreter
Oeſterreichs in der Militärcommiſſion, General Langenau insgeheim das
Feuer ſchürte; der gewandte Sachſe hatte ſchon in Schwarzenbergs Haupt-
quartier und auf dem Wiener Congreſſe ſeinen Haß gegen Preußen be-
währt und zeigte ſich in allen den kleinen Künſten, welche am Bundes-
tage entſchieden, dem gelehrten Preußen Wolzogen weitaus überlegen. Im
Auguſt ward man endlich noch darüber einig, daß die Bevölkerung den
Maßſtab für die proviſoriſche Bundesmatrikel bilden ſollte; denn zu einer
definitiven Matrikel iſt der Deutſche Bund in einem halben Jahrhundert
niemals gelangt. Aber nun begann wieder das Feilſchen der Kleinen:
Hildburghauſen berechnete ſeine Bevölkerung nach einer Zählung vom
Jahre 1807, Gotha und Altenburg wurden überführt, ihre Reiche um
12000 Seelen zu niedrig geſchätzt zu haben — und was des Schmutzes
mehr war. **)
Als der Deutſche Bund ſein drittes Jahr begann, war weder die
Kriegsverfaſſung beſchloſſen, noch die Karlsbader Convention über die
Feſtung Mainz vom Bundestage genehmigt, noch Luxemburg und Landau
dem Bunde überwieſen, noch über die vierte Bundesfeſtung irgend etwas
vereinbart. Mittlerweile lagen die mit dem Blute der Waterloo-Kämpfer
erkauften franzöſiſchen Millionen gegen mäßigen Zins bei Rothſchild und
bereicherten dies Haus, das zuerſt durch die Blutgelder des heſſiſchen Kur-
fürſten ſeine Größe begründet, dann ſeit dem Jahre 1813 ſich raſch zu
der Stellung einer Weltmacht aufgeſchwungen und in wenigen Jahren
mehr denn 1200 Mill. Gulden an Subſidienzahlungen und Anleihen für
die tief verſchuldeten Höfe Europas übernommen hatte. Die deutſche Volks-
wirthſchaft zog aus den Schätzen der Rothſchilds wenig Gewinn; denn die
Firma war nicht deutſch, wie einſt die Fugger und die Welſer, ſondern zeigte
*) Weiſung an Kruſemark, 20. Mai. Kruſemarks Bericht v. 10. Juni. Goltz’s Be-
richt v. 21. Auguſt 1818.
**) Goltz’s Bericht 28. April 1818.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/178>, abgerufen am 25.11.2024.
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