sauer und Hanseaten unter der Führung eines niederländischen Generals umfassen sollte. Preußen gab dem wundersamen Vorschlage nur darum vorläufig seine Zustimmung, weil diese winzigen Corps im Kriegsfalle unmöglich neben den Heeren der beiden Großmächte ihre Selbständigkeit behaupten konnten, und man doch nicht wagen durfte die Zweitheilung des Heeres geradeswegs zu beantragen.
Aber wie sorgsam Oesterreich auch die Souveränität der Kleinen ge- schont hatte, wie bescheiden auch seine Anträge klangen, den Erben des Rheinbundes schien selbst dies Nichts unerträglich drückend. Umsonst sendete Hardenberg im Januar den General Wolzogen nach Stuttgart um dem neuen Könige auseinanderzusetzen, daß nur ein Heer von min- destens zwei Procent der Bevölkerung einem Angriffe Frankreichs gewachsen sei; die Selbstsucht König Wilhelms war stärker als sein Soldatenverstand. Als am 16. Februar die Abstimmung begann, standen Baiern, Sachsen, Württemberg, Baden und die beiden Hessen einhellig gegen die Großmächte. Sie forderten ziemlich übereinstimmend: Herabsetzung der Kriegsstärke auf die Hälfte; mehr als 1 % für das Heer und 1/2 % für den Ersatz sei uner- schwinglich. Ferner Erwählung des Bundesfeldherrn durch den Bundestag selbst; dann blieb die Aussicht, den Marschall Wrede oder einen kleinkönig- lichen Prinzen an die Spitze des deutschen Heeres zu stellen. Selbstver- ständlich durfte dieser deutsche Feldmarschall auch im Kriege die Einthei- lung der Corps nicht verändern, auch sollte er sich eines parlamentarischen Hauptquartiers erfreuen, einer Versammlung von Offizieren aus allen Contingenten, welche das Interesse ihrer Souveräne bei dem Feldherrn zu vertreten hätten. Schlechterdings keine Inspektion von Bundeswegen in Friedenszeiten, auch keine Vorschriften über die Landwehr; überhaupt sollte die Ausführung des künftigen Bundesgesetzes ausschließlich den Ein- zelstaaten überlassen bleiben. Diese Aussicht war um so erfreulicher, da der Kurfürst von Hessen ausdrücklich hinzufügte, man dürfe ihm nicht zu- muthen, die Stämme und die Ausrüstung für die Kriegsstärke schon im Frieden bereit zu halten. Ein gemeinsames Abzeichen wollte man im Kriege allenfalls ertragen, nur durfte es bloß ein Erkennungszeichen sein wie die weiße Armbinde, welche die Kriegsvölker des verbündeten Europas in Frankreich, unbeschadet ihrer nationalen Selbständigkeit, einst geführt hatten. Für die Eintheilung des Bundesheeres ward als unverbrüchliche Regel gefordert, daß kein Staat, der ein vollständiges Armeecorps stelle, andere Truppen mit den seinen vereinigen dürfe; die gemischten Corps sollten "nach den geographischen und verwandtschaftlichen Verhältnissen" gebildet werden. Der Kurfürst von Hessen zeigte zugleich an, er habe mit dem Vetter in Darmstadt verabredet "eine Division gemeinsam den Feinden des gemeinschaftlichen und des besonderen Vaterlandes entgegenzustellen"; und Jedermann wußte, daß mit den Feinden des besonderen Vaterlandes nur Preußen gemeint war.
II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages.
ſauer und Hanſeaten unter der Führung eines niederländiſchen Generals umfaſſen ſollte. Preußen gab dem wunderſamen Vorſchlage nur darum vorläufig ſeine Zuſtimmung, weil dieſe winzigen Corps im Kriegsfalle unmöglich neben den Heeren der beiden Großmächte ihre Selbſtändigkeit behaupten konnten, und man doch nicht wagen durfte die Zweitheilung des Heeres geradeswegs zu beantragen.
Aber wie ſorgſam Oeſterreich auch die Souveränität der Kleinen ge- ſchont hatte, wie beſcheiden auch ſeine Anträge klangen, den Erben des Rheinbundes ſchien ſelbſt dies Nichts unerträglich drückend. Umſonſt ſendete Hardenberg im Januar den General Wolzogen nach Stuttgart um dem neuen Könige auseinanderzuſetzen, daß nur ein Heer von min- deſtens zwei Procent der Bevölkerung einem Angriffe Frankreichs gewachſen ſei; die Selbſtſucht König Wilhelms war ſtärker als ſein Soldatenverſtand. Als am 16. Februar die Abſtimmung begann, ſtanden Baiern, Sachſen, Württemberg, Baden und die beiden Heſſen einhellig gegen die Großmächte. Sie forderten ziemlich übereinſtimmend: Herabſetzung der Kriegsſtärke auf die Hälfte; mehr als 1 % für das Heer und ½ % für den Erſatz ſei uner- ſchwinglich. Ferner Erwählung des Bundesfeldherrn durch den Bundestag ſelbſt; dann blieb die Ausſicht, den Marſchall Wrede oder einen kleinkönig- lichen Prinzen an die Spitze des deutſchen Heeres zu ſtellen. Selbſtver- ſtändlich durfte dieſer deutſche Feldmarſchall auch im Kriege die Einthei- lung der Corps nicht verändern, auch ſollte er ſich eines parlamentariſchen Hauptquartiers erfreuen, einer Verſammlung von Offizieren aus allen Contingenten, welche das Intereſſe ihrer Souveräne bei dem Feldherrn zu vertreten hätten. Schlechterdings keine Inſpektion von Bundeswegen in Friedenszeiten, auch keine Vorſchriften über die Landwehr; überhaupt ſollte die Ausführung des künftigen Bundesgeſetzes ausſchließlich den Ein- zelſtaaten überlaſſen bleiben. Dieſe Ausſicht war um ſo erfreulicher, da der Kurfürſt von Heſſen ausdrücklich hinzufügte, man dürfe ihm nicht zu- muthen, die Stämme und die Ausrüſtung für die Kriegsſtärke ſchon im Frieden bereit zu halten. Ein gemeinſames Abzeichen wollte man im Kriege allenfalls ertragen, nur durfte es bloß ein Erkennungszeichen ſein wie die weiße Armbinde, welche die Kriegsvölker des verbündeten Europas in Frankreich, unbeſchadet ihrer nationalen Selbſtändigkeit, einſt geführt hatten. Für die Eintheilung des Bundesheeres ward als unverbrüchliche Regel gefordert, daß kein Staat, der ein vollſtändiges Armeecorps ſtelle, andere Truppen mit den ſeinen vereinigen dürfe; die gemiſchten Corps ſollten „nach den geographiſchen und verwandtſchaftlichen Verhältniſſen“ gebildet werden. Der Kurfürſt von Heſſen zeigte zugleich an, er habe mit dem Vetter in Darmſtadt verabredet „eine Diviſion gemeinſam den Feinden des gemeinſchaftlichen und des beſonderen Vaterlandes entgegenzuſtellen“; und Jedermann wußte, daß mit den Feinden des beſonderen Vaterlandes nur Preußen gemeint war.
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ſauer und Hanſeaten unter der Führung eines niederländiſchen Generals
umfaſſen ſollte. Preußen gab dem wunderſamen Vorſchlage nur darum
vorläufig ſeine Zuſtimmung, weil dieſe winzigen Corps im Kriegsfalle
unmöglich neben den Heeren der beiden Großmächte ihre Selbſtändigkeit
behaupten konnten, und man doch nicht wagen durfte die Zweitheilung
des Heeres geradeswegs zu beantragen.
Aber wie ſorgſam Oeſterreich auch die Souveränität der Kleinen ge-
ſchont hatte, wie beſcheiden auch ſeine Anträge klangen, den Erben des
Rheinbundes ſchien ſelbſt dies Nichts unerträglich drückend. Umſonſt
ſendete Hardenberg im Januar den General Wolzogen nach Stuttgart
um dem neuen Könige auseinanderzuſetzen, daß nur ein Heer von min-
deſtens zwei Procent der Bevölkerung einem Angriffe Frankreichs gewachſen
ſei; die Selbſtſucht König Wilhelms war ſtärker als ſein Soldatenverſtand.
Als am 16. Februar die Abſtimmung begann, ſtanden Baiern, Sachſen,
Württemberg, Baden und die beiden Heſſen einhellig gegen die Großmächte.
Sie forderten ziemlich übereinſtimmend: Herabſetzung der Kriegsſtärke auf
die Hälfte; mehr als 1 % für das Heer und ½ % für den Erſatz ſei uner-
ſchwinglich. Ferner Erwählung des Bundesfeldherrn durch den Bundestag
ſelbſt; dann blieb die Ausſicht, den Marſchall Wrede oder einen kleinkönig-
lichen Prinzen an die Spitze des deutſchen Heeres zu ſtellen. Selbſtver-
ſtändlich durfte dieſer deutſche Feldmarſchall auch im Kriege die Einthei-
lung der Corps nicht verändern, auch ſollte er ſich eines parlamentariſchen
Hauptquartiers erfreuen, einer Verſammlung von Offizieren aus allen
Contingenten, welche das Intereſſe ihrer Souveräne bei dem Feldherrn
zu vertreten hätten. Schlechterdings keine Inſpektion von Bundeswegen
in Friedenszeiten, auch keine Vorſchriften über die Landwehr; überhaupt
ſollte die Ausführung des künftigen Bundesgeſetzes ausſchließlich den Ein-
zelſtaaten überlaſſen bleiben. Dieſe Ausſicht war um ſo erfreulicher, da
der Kurfürſt von Heſſen ausdrücklich hinzufügte, man dürfe ihm nicht zu-
muthen, die Stämme und die Ausrüſtung für die Kriegsſtärke ſchon im
Frieden bereit zu halten. Ein gemeinſames Abzeichen wollte man im
Kriege allenfalls ertragen, nur durfte es bloß ein Erkennungszeichen ſein wie
die weiße Armbinde, welche die Kriegsvölker des verbündeten Europas in
Frankreich, unbeſchadet ihrer nationalen Selbſtändigkeit, einſt geführt hatten.
Für die Eintheilung des Bundesheeres ward als unverbrüchliche Regel
gefordert, daß kein Staat, der ein vollſtändiges Armeecorps ſtelle, andere
Truppen mit den ſeinen vereinigen dürfe; die gemiſchten Corps ſollten
„nach den geographiſchen und verwandtſchaftlichen Verhältniſſen“ gebildet
werden. Der Kurfürſt von Heſſen zeigte zugleich an, er habe mit dem
Vetter in Darmſtadt verabredet „eine Diviſion gemeinſam den Feinden
des gemeinſchaftlichen und des beſonderen Vaterlandes entgegenzuſtellen“;
und Jedermann wußte, daß mit den Feinden des beſonderen Vaterlandes
nur Preußen gemeint war.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/176>, abgerufen am 25.11.2024.
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