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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
Empfang ward dem Unglücklichen! Der Kurfürst hatte sich sogleich bei
Kaiser Franz beschwert, und Metternich überhäufte den Präsidialgesandten
mit Vorwürfen: wie er sich habe unterstehen können, die Würde eines
Souveräns in solcher Weise anzutasten! Er drohte ihm mit Abberufung,
mit förmlicher Mißbilligung des Bundesbeschlusses. Dies Aeußerste wurde
freilich durch Hardenbergs Vermittlung abgewendet. Der Staatskanzler
hielt seinem Wiener Freunde eindringlich vor, der Bundestag sei im Rechte
und dürfe nicht öffentlich bloßgestellt werden.*) Metternich begnügte sich
daher mit einer strengen Verwarnung, und tief niedergeschlagen kehrte
Buol auf seinen Posten zurück. Darauf bestätigte der Bundestag seine
frühere Entschließung durch einen neuen, überaus behutsam gehaltenen
Beschluß, und die Hofmann'sche Beschwerde wurde durch den Kurfürsten
in der Stille beigelegt. Aber von einer Sühne für die erlittene Beschimpfung
war keine Rede; die deutschen Souveräne wußten jetzt was sie sich gegen
den Bund herausnehmen durften. Die Gesandten fühlten sich allesammt
beschämt und eingeschüchtert, sie gewöhnten sich fortan, bei jeder noch so ge-
ringfügigen Frage besondere Instruktionen einzuholen, so daß alle Ent-
scheidungen sich in's Unabsehbare hinauszogen.

Der Hofmann'sche Fall bildete nur ein Glied in einer langen Kette
von Rechtsverletzungen, welche den Bundestag noch durch viele Jahre in
Athem hielten und dem deutschen Namen im Auslande, namentlich in
Frankreich, einen üblen Ruf verschafften. Es rächte sich schwer, daß die große
Allianz nach der Auflösung des Königreichs Westphalen die alten Landes-
herren vertrauensvoll ohne jede Bedingung zurückgeführt hatte. Die
Krone Preußen freilich verfuhr in ihren vormals westphälischen Provinzen
streng nach dem Rechte; sie hatte das Königreich Westphalen im Tilsiter
Frieden anerkannt und betrachtete mithin alle verfassungsmäßigen Hand-
lungen der westphälischen Regierung als rechtsgiltig. Die Fürsten von
Hannover, Braunschweig und Kurhessen hingegen waren nur thatsächlich,
ohne Friedensschluß, ihrer Länder verlustig gegangen und sahen in König
Jerome nur einen Usurpator. Vergeblich stellte ihnen der Berliner Hof
vor, daß sie doch nicht durch eigene Kraft, sondern durch die Waffen der
Verbündeten wiederhergestellt worden seien und demnach jenes napoleonische
Königreich, das einst die Anerkennung aller großen Mächte gefunden hatte,
nicht kurzweg als eine widerrechtliche Ordnung behandeln dürften. Preu-
ßen wünschte, durch freundschaftliche Verhandlungen zwischen den bethei-
ligten vier Staaten gemeinsame Rechtsgrundsätze über die Anerkennung
der westphälischen Gesetze und Verordnungen zu vereinbaren.**) Aber keiner
der drei anderen Höfe ging auf den billigen Vorschlag ein. In Hannover

*) Hardenberg an Metternich, 12. April 1817.
**) Goltz's Bericht 19. Juli; Denkschrift des Staatskanzlers über das Königreich
Westphalen, 18. Nov. 1817.

II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages.
Empfang ward dem Unglücklichen! Der Kurfürſt hatte ſich ſogleich bei
Kaiſer Franz beſchwert, und Metternich überhäufte den Präſidialgeſandten
mit Vorwürfen: wie er ſich habe unterſtehen können, die Würde eines
Souveräns in ſolcher Weiſe anzutaſten! Er drohte ihm mit Abberufung,
mit förmlicher Mißbilligung des Bundesbeſchluſſes. Dies Aeußerſte wurde
freilich durch Hardenbergs Vermittlung abgewendet. Der Staatskanzler
hielt ſeinem Wiener Freunde eindringlich vor, der Bundestag ſei im Rechte
und dürfe nicht öffentlich bloßgeſtellt werden.*) Metternich begnügte ſich
daher mit einer ſtrengen Verwarnung, und tief niedergeſchlagen kehrte
Buol auf ſeinen Poſten zurück. Darauf beſtätigte der Bundestag ſeine
frühere Entſchließung durch einen neuen, überaus behutſam gehaltenen
Beſchluß, und die Hofmann’ſche Beſchwerde wurde durch den Kurfürſten
in der Stille beigelegt. Aber von einer Sühne für die erlittene Beſchimpfung
war keine Rede; die deutſchen Souveräne wußten jetzt was ſie ſich gegen
den Bund herausnehmen durften. Die Geſandten fühlten ſich alleſammt
beſchämt und eingeſchüchtert, ſie gewöhnten ſich fortan, bei jeder noch ſo ge-
ringfügigen Frage beſondere Inſtruktionen einzuholen, ſo daß alle Ent-
ſcheidungen ſich in’s Unabſehbare hinauszogen.

Der Hofmann’ſche Fall bildete nur ein Glied in einer langen Kette
von Rechtsverletzungen, welche den Bundestag noch durch viele Jahre in
Athem hielten und dem deutſchen Namen im Auslande, namentlich in
Frankreich, einen üblen Ruf verſchafften. Es rächte ſich ſchwer, daß die große
Allianz nach der Auflöſung des Königreichs Weſtphalen die alten Landes-
herren vertrauensvoll ohne jede Bedingung zurückgeführt hatte. Die
Krone Preußen freilich verfuhr in ihren vormals weſtphäliſchen Provinzen
ſtreng nach dem Rechte; ſie hatte das Königreich Weſtphalen im Tilſiter
Frieden anerkannt und betrachtete mithin alle verfaſſungsmäßigen Hand-
lungen der weſtphäliſchen Regierung als rechtsgiltig. Die Fürſten von
Hannover, Braunſchweig und Kurheſſen hingegen waren nur thatſächlich,
ohne Friedensſchluß, ihrer Länder verluſtig gegangen und ſahen in König
Jerome nur einen Uſurpator. Vergeblich ſtellte ihnen der Berliner Hof
vor, daß ſie doch nicht durch eigene Kraft, ſondern durch die Waffen der
Verbündeten wiederhergeſtellt worden ſeien und demnach jenes napoleoniſche
Königreich, das einſt die Anerkennung aller großen Mächte gefunden hatte,
nicht kurzweg als eine widerrechtliche Ordnung behandeln dürften. Preu-
ßen wünſchte, durch freundſchaftliche Verhandlungen zwiſchen den bethei-
ligten vier Staaten gemeinſame Rechtsgrundſätze über die Anerkennung
der weſtphäliſchen Geſetze und Verordnungen zu vereinbaren.**) Aber keiner
der drei anderen Höfe ging auf den billigen Vorſchlag ein. In Hannover

*) Hardenberg an Metternich, 12. April 1817.
**) Goltz’s Bericht 19. Juli; Denkſchrift des Staatskanzlers über das Königreich
Weſtphalen, 18. Nov. 1817.
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[152/0166] II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages. Empfang ward dem Unglücklichen! Der Kurfürſt hatte ſich ſogleich bei Kaiſer Franz beſchwert, und Metternich überhäufte den Präſidialgeſandten mit Vorwürfen: wie er ſich habe unterſtehen können, die Würde eines Souveräns in ſolcher Weiſe anzutaſten! Er drohte ihm mit Abberufung, mit förmlicher Mißbilligung des Bundesbeſchluſſes. Dies Aeußerſte wurde freilich durch Hardenbergs Vermittlung abgewendet. Der Staatskanzler hielt ſeinem Wiener Freunde eindringlich vor, der Bundestag ſei im Rechte und dürfe nicht öffentlich bloßgeſtellt werden. *) Metternich begnügte ſich daher mit einer ſtrengen Verwarnung, und tief niedergeſchlagen kehrte Buol auf ſeinen Poſten zurück. Darauf beſtätigte der Bundestag ſeine frühere Entſchließung durch einen neuen, überaus behutſam gehaltenen Beſchluß, und die Hofmann’ſche Beſchwerde wurde durch den Kurfürſten in der Stille beigelegt. Aber von einer Sühne für die erlittene Beſchimpfung war keine Rede; die deutſchen Souveräne wußten jetzt was ſie ſich gegen den Bund herausnehmen durften. Die Geſandten fühlten ſich alleſammt beſchämt und eingeſchüchtert, ſie gewöhnten ſich fortan, bei jeder noch ſo ge- ringfügigen Frage beſondere Inſtruktionen einzuholen, ſo daß alle Ent- ſcheidungen ſich in’s Unabſehbare hinauszogen. Der Hofmann’ſche Fall bildete nur ein Glied in einer langen Kette von Rechtsverletzungen, welche den Bundestag noch durch viele Jahre in Athem hielten und dem deutſchen Namen im Auslande, namentlich in Frankreich, einen üblen Ruf verſchafften. Es rächte ſich ſchwer, daß die große Allianz nach der Auflöſung des Königreichs Weſtphalen die alten Landes- herren vertrauensvoll ohne jede Bedingung zurückgeführt hatte. Die Krone Preußen freilich verfuhr in ihren vormals weſtphäliſchen Provinzen ſtreng nach dem Rechte; ſie hatte das Königreich Weſtphalen im Tilſiter Frieden anerkannt und betrachtete mithin alle verfaſſungsmäßigen Hand- lungen der weſtphäliſchen Regierung als rechtsgiltig. Die Fürſten von Hannover, Braunſchweig und Kurheſſen hingegen waren nur thatſächlich, ohne Friedensſchluß, ihrer Länder verluſtig gegangen und ſahen in König Jerome nur einen Uſurpator. Vergeblich ſtellte ihnen der Berliner Hof vor, daß ſie doch nicht durch eigene Kraft, ſondern durch die Waffen der Verbündeten wiederhergeſtellt worden ſeien und demnach jenes napoleoniſche Königreich, das einſt die Anerkennung aller großen Mächte gefunden hatte, nicht kurzweg als eine widerrechtliche Ordnung behandeln dürften. Preu- ßen wünſchte, durch freundſchaftliche Verhandlungen zwiſchen den bethei- ligten vier Staaten gemeinſame Rechtsgrundſätze über die Anerkennung der weſtphäliſchen Geſetze und Verordnungen zu vereinbaren. **) Aber keiner der drei anderen Höfe ging auf den billigen Vorſchlag ein. In Hannover *) Hardenberg an Metternich, 12. April 1817. **) Goltz’s Bericht 19. Juli; Denkſchrift des Staatskanzlers über das Königreich Weſtphalen, 18. Nov. 1817.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/166>, abgerufen am 26.11.2024.