jetzt gegen jede Kreiseintheilung. Auch Münster stimmte dem österreichi- schen Freunde bei, sobald dieser ihm das Schreckgespenst der norddeutschen Hegemonie vor die Augen hielt.
So geschah es, daß Humboldt jetzt gleichzeitig zwei Entwürfe für die Bundesacte ausarbeiten mußte, den einen mit, den anderen ohne Kreise; in beiden waren die wesentlichen Grundgedanken der Zwölf Ar- tikel beibehalten. Am 9. December erörterte der Rastlose in einer Denk- schrift die Vorzüge der Kreisverfassung: sie sei unentbehrlich um den kleinsten Staaten einen geordneten Instanzenzug für ihr Gerichtswesen zu sichern und die militärische Kraftanspannung schon im Frieden vor- zubereiten; das Gegentheil ging nur an unter "dem bonapartistischen Systeme", das in beständigem Kriegszustande lebte und vor keinem Mittel zurückschrak. Zugleich versucht er den Klagen der Kleinstaaten über Unterdrückung zu begegnen und schlägt vor, außer Baden und Kurhessen noch drei jährlich wechselnde Mitglieder des Fürstenrathes in den Rath der Kreisobersten aufzunehmen.*) Zwei Tage später über- sandte er die vollendeten Entwürfe dem Staatskanzler, betonte nochmals, wie wichtig die Kreisverfassung für Preußens zerstückelte Lage sei, rieth aber trotzdem nicht allzu ängstlich auf dieser Forderung zu bestehen, denn unsere Stärke in Deutschland werde immer zum Theil eine moralische sein, und viel komme darauf an, "daß Preußen den kleinen Fürsten nicht als eine Gefahr, sondern als ein Schutz erscheine." Jetzt endlich, nach fast drei Monaten fruchtloser Verhandlungen, stieg dem geistvollen Manne eine Ahnung, aber auch nur eine Ahnung auf von Oesterreichs bundes- freundlichen Absichten. "Man hat uns, schrieb er, gern bei der deutschen Verfassungsangelegenheit vorangestellt und uns leicht und gern in Allem nachgegeben, weil man es lieber mochte, wenn lieber wir (da man auch von uns wußte, daß wir immer eine feste und kräftige Verfassung wollen würden) den Fürsten, denen allen die Fesseln einer Constitution lästig sind, unangenehm würden und gefährlich erschienen." Daß aber die Hof- burg selber eine feste und kräftige Verfassung nicht wollen konnte, war ihm noch immer nicht klar geworden; vielmehr hoffte er sich rasch mit Oesterreich und Hannover über einen der beiden Entwürfe zu verständigen und etwa in acht Tagen die Verhandlungen mit Baiern und Württem- berg wieder aufzunehmen.**) Während die preußischen Staatsmänner also, treufleißig und arglos, Wasser in das deutsche Danaidenfaß schöpften, verhandelte Metternich mit Münster insgeheim über den Plan eines Deut- schen Bundes ohne Preußen!
Stein versah die Arbeit Humboldts mit seinen Bemerkungen, for-
*) Humboldts Denkschrift über die beiden neuen Entwürfe zur Bundesacte, 9. De- cember 1814.
**) Humboldt an Hardenberg, 11. Decbr. 1814.
Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 44
Preußiſche Entwürfe im December.
jetzt gegen jede Kreiseintheilung. Auch Münſter ſtimmte dem öſterreichi- ſchen Freunde bei, ſobald dieſer ihm das Schreckgeſpenſt der norddeutſchen Hegemonie vor die Augen hielt.
So geſchah es, daß Humboldt jetzt gleichzeitig zwei Entwürfe für die Bundesacte ausarbeiten mußte, den einen mit, den anderen ohne Kreiſe; in beiden waren die weſentlichen Grundgedanken der Zwölf Ar- tikel beibehalten. Am 9. December erörterte der Raſtloſe in einer Denk- ſchrift die Vorzüge der Kreisverfaſſung: ſie ſei unentbehrlich um den kleinſten Staaten einen geordneten Inſtanzenzug für ihr Gerichtsweſen zu ſichern und die militäriſche Kraftanſpannung ſchon im Frieden vor- zubereiten; das Gegentheil ging nur an unter „dem bonapartiſtiſchen Syſteme“, das in beſtändigem Kriegszuſtande lebte und vor keinem Mittel zurückſchrak. Zugleich verſucht er den Klagen der Kleinſtaaten über Unterdrückung zu begegnen und ſchlägt vor, außer Baden und Kurheſſen noch drei jährlich wechſelnde Mitglieder des Fürſtenrathes in den Rath der Kreisoberſten aufzunehmen.*) Zwei Tage ſpäter über- ſandte er die vollendeten Entwürfe dem Staatskanzler, betonte nochmals, wie wichtig die Kreisverfaſſung für Preußens zerſtückelte Lage ſei, rieth aber trotzdem nicht allzu ängſtlich auf dieſer Forderung zu beſtehen, denn unſere Stärke in Deutſchland werde immer zum Theil eine moraliſche ſein, und viel komme darauf an, „daß Preußen den kleinen Fürſten nicht als eine Gefahr, ſondern als ein Schutz erſcheine.“ Jetzt endlich, nach faſt drei Monaten fruchtloſer Verhandlungen, ſtieg dem geiſtvollen Manne eine Ahnung, aber auch nur eine Ahnung auf von Oeſterreichs bundes- freundlichen Abſichten. „Man hat uns, ſchrieb er, gern bei der deutſchen Verfaſſungsangelegenheit vorangeſtellt und uns leicht und gern in Allem nachgegeben, weil man es lieber mochte, wenn lieber wir (da man auch von uns wußte, daß wir immer eine feſte und kräftige Verfaſſung wollen würden) den Fürſten, denen allen die Feſſeln einer Conſtitution läſtig ſind, unangenehm würden und gefährlich erſchienen.“ Daß aber die Hof- burg ſelber eine feſte und kräftige Verfaſſung nicht wollen konnte, war ihm noch immer nicht klar geworden; vielmehr hoffte er ſich raſch mit Oeſterreich und Hannover über einen der beiden Entwürfe zu verſtändigen und etwa in acht Tagen die Verhandlungen mit Baiern und Württem- berg wieder aufzunehmen.**) Während die preußiſchen Staatsmänner alſo, treufleißig und arglos, Waſſer in das deutſche Danaidenfaß ſchöpften, verhandelte Metternich mit Münſter insgeheim über den Plan eines Deut- ſchen Bundes ohne Preußen!
Stein verſah die Arbeit Humboldts mit ſeinen Bemerkungen, for-
*) Humboldts Denkſchrift über die beiden neuen Entwürfe zur Bundesacte, 9. De- cember 1814.
**) Humboldt an Hardenberg, 11. Decbr. 1814.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. I. 44
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Preußiſche Entwürfe im December.
jetzt gegen jede Kreiseintheilung. Auch Münſter ſtimmte dem öſterreichi-
ſchen Freunde bei, ſobald dieſer ihm das Schreckgeſpenſt der norddeutſchen
Hegemonie vor die Augen hielt.
So geſchah es, daß Humboldt jetzt gleichzeitig zwei Entwürfe für
die Bundesacte ausarbeiten mußte, den einen mit, den anderen ohne
Kreiſe; in beiden waren die weſentlichen Grundgedanken der Zwölf Ar-
tikel beibehalten. Am 9. December erörterte der Raſtloſe in einer Denk-
ſchrift die Vorzüge der Kreisverfaſſung: ſie ſei unentbehrlich um den
kleinſten Staaten einen geordneten Inſtanzenzug für ihr Gerichtsweſen
zu ſichern und die militäriſche Kraftanſpannung ſchon im Frieden vor-
zubereiten; das Gegentheil ging nur an unter „dem bonapartiſtiſchen
Syſteme“, das in beſtändigem Kriegszuſtande lebte und vor keinem
Mittel zurückſchrak. Zugleich verſucht er den Klagen der Kleinſtaaten
über Unterdrückung zu begegnen und ſchlägt vor, außer Baden und
Kurheſſen noch drei jährlich wechſelnde Mitglieder des Fürſtenrathes in
den Rath der Kreisoberſten aufzunehmen. *) Zwei Tage ſpäter über-
ſandte er die vollendeten Entwürfe dem Staatskanzler, betonte nochmals,
wie wichtig die Kreisverfaſſung für Preußens zerſtückelte Lage ſei, rieth
aber trotzdem nicht allzu ängſtlich auf dieſer Forderung zu beſtehen, denn
unſere Stärke in Deutſchland werde immer zum Theil eine moraliſche
ſein, und viel komme darauf an, „daß Preußen den kleinen Fürſten nicht
als eine Gefahr, ſondern als ein Schutz erſcheine.“ Jetzt endlich, nach
faſt drei Monaten fruchtloſer Verhandlungen, ſtieg dem geiſtvollen Manne
eine Ahnung, aber auch nur eine Ahnung auf von Oeſterreichs bundes-
freundlichen Abſichten. „Man hat uns, ſchrieb er, gern bei der deutſchen
Verfaſſungsangelegenheit vorangeſtellt und uns leicht und gern in Allem
nachgegeben, weil man es lieber mochte, wenn lieber wir (da man auch
von uns wußte, daß wir immer eine feſte und kräftige Verfaſſung wollen
würden) den Fürſten, denen allen die Feſſeln einer Conſtitution läſtig
ſind, unangenehm würden und gefährlich erſchienen.“ Daß aber die Hof-
burg ſelber eine feſte und kräftige Verfaſſung nicht wollen konnte, war
ihm noch immer nicht klar geworden; vielmehr hoffte er ſich raſch mit
Oeſterreich und Hannover über einen der beiden Entwürfe zu verſtändigen
und etwa in acht Tagen die Verhandlungen mit Baiern und Württem-
berg wieder aufzunehmen. **) Während die preußiſchen Staatsmänner
alſo, treufleißig und arglos, Waſſer in das deutſche Danaidenfaß ſchöpften,
verhandelte Metternich mit Münſter insgeheim über den Plan eines Deut-
ſchen Bundes ohne Preußen!
Stein verſah die Arbeit Humboldts mit ſeinen Bemerkungen, for-
*) Humboldts Denkſchrift über die beiden neuen Entwürfe zur Bundesacte, 9. De-
cember 1814.
**) Humboldt an Hardenberg, 11. Decbr. 1814.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. I. 44
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/705>, abgerufen am 25.11.2024.
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