Preußen waren, der frivole Hohn gegen Deutschland, welchen Wrede zur Schau trug, erregte doch ihren Zorn. Der Baier erklärte kurzab, sein König sei nicht gewillt, "sich der Ausübung irgend eines Regierungsrechtes, das der Souveränität anhängt, zu begeben," am Allerwenigsten der Be- fugniß, nach Belieben mit dem Auslande Bündnisse abzuschließen; denn an diesem Rechte finde der bairische Nationalstolz Gefallen; verzichte man darauf, so "verliere Baiern an Achtung und Würdigkeit bei den Aus- wärtigen". Für die fünf Kreisobersten verlangte er vollständige Parität, also ein jährlich wechselndes Directorium. Darum wünschte er auch mög- lichst wenige Provinzen Oesterreichs und Preußens in den Bund aufzu- nehmen; jedenfalls dürften die beiden Großmächte nur ebenso viel Truppen zum Bundesheere stellen wie Baiern.
So enthüllte sich zum ersten male die Absicht der Mittelstaaten das deutsche Heer, aus Eifersucht gegen die Großmächte, zu schwächen -- eine Politik des Neides, die selbst in der polnischen Geschichte kein Seitenstück fand und nach Jahren in der lächerlichen Kriegsverfassung des Deutschen Bundes ihre Absichten durchsetzen sollte. Noch frecher als die Baiern sprachen die württembergischen Bevollmächtigten; sie rührten durch ihre herausfor- dernden Reden den ganzen eklen Bodensatz der alten Rheinbundsgesinnung wieder auf. Von Grundrechten der Nation wollten sie schon darum nichts hören, weil der Stuttgarter Hof das Dasein einer deutschen Nation nicht an- erkannte. Eine schamlose Geschichtsverfälschung, die bereits in den Schulen der Rheinbundsstaaten ihr Gift zu säen begann, leugnete kurzerhand Alles ab was den Deutschen durch Jahrhunderte gemeinsam gewesen, ließ aus der gesammten Vorzeit unseres Volkes nichts gelten als die acht Jahre der napoleonischen Anarchie. "Der Zweck des Bundes, erklärte Minister von Linden trocken, widerspricht der Absicht, aus verschiedenen Völker- schaften, z. B. Preußen und Württembergern, so zu sagen eine Nation zu bilden!" Dagegen zeigte der Stuttgarter Hof einen sehr verdächtigen Eifer für die Kreisverfassung. Er wünschte, daß allein die Kreisobersten Mitglieder des Bundes werden, alle anderen Fürsten sich nur als unter- gebene Kreisstände "den fünf Mächten" anschließen sollten, und verlangte vornehmlich Vergrößerung der südwestdeutschen Kreise, damit König Fried- rich den ersehnten neuen Landgewinn auf einem Umwege erlangen und über vier Millionen mittelbarer oder unmittelbarer Unterthanen das Schwert des Kreisobersten schwingen konnte.
Die preußischen Bevollmächtigten führten den Kampf gegen dies un- würdige Treiben in erster Reihe; selbst Metternich sah nicht ohne Sorge, daß die zu Ried und Fulda gestreute Saat doch gar zu üppig auf- ging, und konnte nicht umhin seinen süddeutschen Schützlingen zuweilen zu widersprechen, namentlich wenn sie den Rechten seiner Standesge- nossen, der Mediatisirten zu nahe traten. Münster endlich ergriff begierig die Gelegenheit um das Licht der gerühmten welfischen Freiheit vor aller
II. 1. Der Wiener Congreß.
Preußen waren, der frivole Hohn gegen Deutſchland, welchen Wrede zur Schau trug, erregte doch ihren Zorn. Der Baier erklärte kurzab, ſein König ſei nicht gewillt, „ſich der Ausübung irgend eines Regierungsrechtes, das der Souveränität anhängt, zu begeben,“ am Allerwenigſten der Be- fugniß, nach Belieben mit dem Auslande Bündniſſe abzuſchließen; denn an dieſem Rechte finde der bairiſche Nationalſtolz Gefallen; verzichte man darauf, ſo „verliere Baiern an Achtung und Würdigkeit bei den Aus- wärtigen“. Für die fünf Kreisoberſten verlangte er vollſtändige Parität, alſo ein jährlich wechſelndes Directorium. Darum wünſchte er auch mög- lichſt wenige Provinzen Oeſterreichs und Preußens in den Bund aufzu- nehmen; jedenfalls dürften die beiden Großmächte nur ebenſo viel Truppen zum Bundesheere ſtellen wie Baiern.
So enthüllte ſich zum erſten male die Abſicht der Mittelſtaaten das deutſche Heer, aus Eiferſucht gegen die Großmächte, zu ſchwächen — eine Politik des Neides, die ſelbſt in der polniſchen Geſchichte kein Seitenſtück fand und nach Jahren in der lächerlichen Kriegsverfaſſung des Deutſchen Bundes ihre Abſichten durchſetzen ſollte. Noch frecher als die Baiern ſprachen die württembergiſchen Bevollmächtigten; ſie rührten durch ihre herausfor- dernden Reden den ganzen eklen Bodenſatz der alten Rheinbundsgeſinnung wieder auf. Von Grundrechten der Nation wollten ſie ſchon darum nichts hören, weil der Stuttgarter Hof das Daſein einer deutſchen Nation nicht an- erkannte. Eine ſchamloſe Geſchichtsverfälſchung, die bereits in den Schulen der Rheinbundsſtaaten ihr Gift zu ſäen begann, leugnete kurzerhand Alles ab was den Deutſchen durch Jahrhunderte gemeinſam geweſen, ließ aus der geſammten Vorzeit unſeres Volkes nichts gelten als die acht Jahre der napoleoniſchen Anarchie. „Der Zweck des Bundes, erklärte Miniſter von Linden trocken, widerſpricht der Abſicht, aus verſchiedenen Völker- ſchaften, z. B. Preußen und Württembergern, ſo zu ſagen eine Nation zu bilden!“ Dagegen zeigte der Stuttgarter Hof einen ſehr verdächtigen Eifer für die Kreisverfaſſung. Er wünſchte, daß allein die Kreisoberſten Mitglieder des Bundes werden, alle anderen Fürſten ſich nur als unter- gebene Kreisſtände „den fünf Mächten“ anſchließen ſollten, und verlangte vornehmlich Vergrößerung der ſüdweſtdeutſchen Kreiſe, damit König Fried- rich den erſehnten neuen Landgewinn auf einem Umwege erlangen und über vier Millionen mittelbarer oder unmittelbarer Unterthanen das Schwert des Kreisoberſten ſchwingen konnte.
Die preußiſchen Bevollmächtigten führten den Kampf gegen dies un- würdige Treiben in erſter Reihe; ſelbſt Metternich ſah nicht ohne Sorge, daß die zu Ried und Fulda geſtreute Saat doch gar zu üppig auf- ging, und konnte nicht umhin ſeinen ſüddeutſchen Schützlingen zuweilen zu widerſprechen, namentlich wenn ſie den Rechten ſeiner Standesge- noſſen, der Mediatiſirten zu nahe traten. Münſter endlich ergriff begierig die Gelegenheit um das Licht der gerühmten welfiſchen Freiheit vor aller
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II. 1. Der Wiener Congreß.
Preußen waren, der frivole Hohn gegen Deutſchland, welchen Wrede zur
Schau trug, erregte doch ihren Zorn. Der Baier erklärte kurzab, ſein
König ſei nicht gewillt, „ſich der Ausübung irgend eines Regierungsrechtes,
das der Souveränität anhängt, zu begeben,“ am Allerwenigſten der Be-
fugniß, nach Belieben mit dem Auslande Bündniſſe abzuſchließen; denn
an dieſem Rechte finde der bairiſche Nationalſtolz Gefallen; verzichte man
darauf, ſo „verliere Baiern an Achtung und Würdigkeit bei den Aus-
wärtigen“. Für die fünf Kreisoberſten verlangte er vollſtändige Parität,
alſo ein jährlich wechſelndes Directorium. Darum wünſchte er auch mög-
lichſt wenige Provinzen Oeſterreichs und Preußens in den Bund aufzu-
nehmen; jedenfalls dürften die beiden Großmächte nur ebenſo viel Truppen
zum Bundesheere ſtellen wie Baiern.
So enthüllte ſich zum erſten male die Abſicht der Mittelſtaaten das
deutſche Heer, aus Eiferſucht gegen die Großmächte, zu ſchwächen — eine
Politik des Neides, die ſelbſt in der polniſchen Geſchichte kein Seitenſtück
fand und nach Jahren in der lächerlichen Kriegsverfaſſung des Deutſchen
Bundes ihre Abſichten durchſetzen ſollte. Noch frecher als die Baiern ſprachen
die württembergiſchen Bevollmächtigten; ſie rührten durch ihre herausfor-
dernden Reden den ganzen eklen Bodenſatz der alten Rheinbundsgeſinnung
wieder auf. Von Grundrechten der Nation wollten ſie ſchon darum nichts
hören, weil der Stuttgarter Hof das Daſein einer deutſchen Nation nicht an-
erkannte. Eine ſchamloſe Geſchichtsverfälſchung, die bereits in den Schulen
der Rheinbundsſtaaten ihr Gift zu ſäen begann, leugnete kurzerhand Alles
ab was den Deutſchen durch Jahrhunderte gemeinſam geweſen, ließ aus
der geſammten Vorzeit unſeres Volkes nichts gelten als die acht Jahre
der napoleoniſchen Anarchie. „Der Zweck des Bundes, erklärte Miniſter
von Linden trocken, widerſpricht der Abſicht, aus verſchiedenen Völker-
ſchaften, z. B. Preußen und Württembergern, ſo zu ſagen eine Nation zu
bilden!“ Dagegen zeigte der Stuttgarter Hof einen ſehr verdächtigen
Eifer für die Kreisverfaſſung. Er wünſchte, daß allein die Kreisoberſten
Mitglieder des Bundes werden, alle anderen Fürſten ſich nur als unter-
gebene Kreisſtände „den fünf Mächten“ anſchließen ſollten, und verlangte
vornehmlich Vergrößerung der ſüdweſtdeutſchen Kreiſe, damit König Fried-
rich den erſehnten neuen Landgewinn auf einem Umwege erlangen und
über vier Millionen mittelbarer oder unmittelbarer Unterthanen das Schwert
des Kreisoberſten ſchwingen konnte.
Die preußiſchen Bevollmächtigten führten den Kampf gegen dies un-
würdige Treiben in erſter Reihe; ſelbſt Metternich ſah nicht ohne Sorge,
daß die zu Ried und Fulda geſtreute Saat doch gar zu üppig auf-
ging, und konnte nicht umhin ſeinen ſüddeutſchen Schützlingen zuweilen
zu widerſprechen, namentlich wenn ſie den Rechten ſeiner Standesge-
noſſen, der Mediatiſirten zu nahe traten. Münſter endlich ergriff begierig
die Gelegenheit um das Licht der gerühmten welfiſchen Freiheit vor aller
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/700>, abgerufen am 25.11.2024.
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