den und dem norwegischen Storthing wurde nachher die Vereinigung der beiden Königreiche der Halbinsel herbeigeführt. Noch heute bleibt es dunkel, wie weit die berufene dänische Treue bei jener Erhebung der Norweger mitgewirkt hat. Jener schlaue Franzose aber, der Schwedens Geschicke leitete, wollte natürlich an der Mitschuld des Kopenhagener Hofes nicht zweifeln; er erklärte, der Kieler Friede sei durch Dänemark gebrochen, darum könne auch Vorpommern nicht ausgeliefert werden.
Es war sicherlich nicht an Preußen, den unparteiischen Richter zu spielen in diesen unerquicklichen Händeln der nordischen Mächte; die na- tionale Politik gebot, den Streit der Fremden um das deutsche Land zu Deutschlands Vortheil auszubeuten und die verlorene Mark dem Vater- lande zurückzubringen. Eine Aufgabe, wie geschaffen für Hardenbergs schmiegsame Gewandtheit. Oesterreich und Frankreich, in früheren Zeiten die hartnäckigsten Feinde der pommerschen Politik der Hohenzollern, verhielten sich diesmal zum Glück ganz gleichgiltig. Der Staatskanzler verständigte sich zunächst mit Schweden. Bernadotte war bereit, seine Ansprüche auf Vorpommern gegen eine Summe Geldes an Preußen abzutreten; am 13. Mai 1815 berichtete Münster dem Prinzregenten als unzweifelhaft, daß Preußen und Schweden schon längst handelseinig seien. Also gegen Schweden gedeckt, hoffte Hardenberg auch die Dänen zum Verzicht auf Vorpommern zu bewegen. Dies war nur möglich, wenn man ihnen einen Ersatz an Land und Leuten bot; denn Dänemark hatte unzweifelhaft das bessere Recht auf Vorpommern. Auf der weiten Welt ließ sich aber nur ein Land finden, das man den Dänen vielleicht zum Ersatze bieten konnte: das Herzogthum Lauenburg rechts der Elbe. Welche Zumuthung: für die 75 Geviertmeilen des reichen Vorpommerns 19 in Lauenburg; für die Seefestung Rügen, für das prächtige Stralsund und die Greifswalder Hochschule blos -- das Grab Till Eulenspiegels und zwei Drittel der guten Stadt Ratzeburg, denn ihr Domhof gehörte dem Strelitzer Vater- lande! Nur die Bedrängniß des von allen Seiten bedrohten Kopenhagener Cabinets ließ es möglich scheinen, daß Dänemark auf einen so ungleichen Tausch eingehen würde, der ihm nur den einen Vortheil bot das Hol- steinische Gebiet abzurunden.
Lauenburg war aber ein rechtmäßiges Besitzthum des hannoverschen Hauses, und so hing denn die Erwerbung Vorpommerns von einer Ver- ständigung mit den Welfen ab, denen Preußen überdies noch die in Reichenbach ausbedungene Vergrößerung um 250--300,000 Seelen schul- dete. Daß Hildesheim zu dieser Entschädigung verwendet werden sollte, stand bereits fest; die Abtretung von Ostfriesland dagegen hatte der König standhaft zurückgewiesen, und seitdem war das treue Völkchen seinem Herzen nur noch theurer geworden. Gleichwohl liefen beunruhigende Gerüchte durchs Land; die Abtretung an die Welfen, so hieß es, stehe doch noch bevor. Schwer besorgt schrieb der Oberpräsident Vincke an den
Neuvorpommern.
den und dem norwegiſchen Storthing wurde nachher die Vereinigung der beiden Königreiche der Halbinſel herbeigeführt. Noch heute bleibt es dunkel, wie weit die berufene däniſche Treue bei jener Erhebung der Norweger mitgewirkt hat. Jener ſchlaue Franzoſe aber, der Schwedens Geſchicke leitete, wollte natürlich an der Mitſchuld des Kopenhagener Hofes nicht zweifeln; er erklärte, der Kieler Friede ſei durch Dänemark gebrochen, darum könne auch Vorpommern nicht ausgeliefert werden.
Es war ſicherlich nicht an Preußen, den unparteiiſchen Richter zu ſpielen in dieſen unerquicklichen Händeln der nordiſchen Mächte; die na- tionale Politik gebot, den Streit der Fremden um das deutſche Land zu Deutſchlands Vortheil auszubeuten und die verlorene Mark dem Vater- lande zurückzubringen. Eine Aufgabe, wie geſchaffen für Hardenbergs ſchmiegſame Gewandtheit. Oeſterreich und Frankreich, in früheren Zeiten die hartnäckigſten Feinde der pommerſchen Politik der Hohenzollern, verhielten ſich diesmal zum Glück ganz gleichgiltig. Der Staatskanzler verſtändigte ſich zunächſt mit Schweden. Bernadotte war bereit, ſeine Anſprüche auf Vorpommern gegen eine Summe Geldes an Preußen abzutreten; am 13. Mai 1815 berichtete Münſter dem Prinzregenten als unzweifelhaft, daß Preußen und Schweden ſchon längſt handelseinig ſeien. Alſo gegen Schweden gedeckt, hoffte Hardenberg auch die Dänen zum Verzicht auf Vorpommern zu bewegen. Dies war nur möglich, wenn man ihnen einen Erſatz an Land und Leuten bot; denn Dänemark hatte unzweifelhaft das beſſere Recht auf Vorpommern. Auf der weiten Welt ließ ſich aber nur ein Land finden, das man den Dänen vielleicht zum Erſatze bieten konnte: das Herzogthum Lauenburg rechts der Elbe. Welche Zumuthung: für die 75 Geviertmeilen des reichen Vorpommerns 19 in Lauenburg; für die Seefeſtung Rügen, für das prächtige Stralſund und die Greifswalder Hochſchule blos — das Grab Till Eulenſpiegels und zwei Drittel der guten Stadt Ratzeburg, denn ihr Domhof gehörte dem Strelitzer Vater- lande! Nur die Bedrängniß des von allen Seiten bedrohten Kopenhagener Cabinets ließ es möglich ſcheinen, daß Dänemark auf einen ſo ungleichen Tauſch eingehen würde, der ihm nur den einen Vortheil bot das Hol- ſteiniſche Gebiet abzurunden.
Lauenburg war aber ein rechtmäßiges Beſitzthum des hannoverſchen Hauſes, und ſo hing denn die Erwerbung Vorpommerns von einer Ver- ſtändigung mit den Welfen ab, denen Preußen überdies noch die in Reichenbach ausbedungene Vergrößerung um 250—300,000 Seelen ſchul- dete. Daß Hildesheim zu dieſer Entſchädigung verwendet werden ſollte, ſtand bereits feſt; die Abtretung von Oſtfriesland dagegen hatte der König ſtandhaft zurückgewieſen, und ſeitdem war das treue Völkchen ſeinem Herzen nur noch theurer geworden. Gleichwohl liefen beunruhigende Gerüchte durchs Land; die Abtretung an die Welfen, ſo hieß es, ſtehe doch noch bevor. Schwer beſorgt ſchrieb der Oberpräſident Vincke an den
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Neuvorpommern.
den und dem norwegiſchen Storthing wurde nachher die Vereinigung der
beiden Königreiche der Halbinſel herbeigeführt. Noch heute bleibt es dunkel,
wie weit die berufene däniſche Treue bei jener Erhebung der Norweger
mitgewirkt hat. Jener ſchlaue Franzoſe aber, der Schwedens Geſchicke
leitete, wollte natürlich an der Mitſchuld des Kopenhagener Hofes nicht
zweifeln; er erklärte, der Kieler Friede ſei durch Dänemark gebrochen,
darum könne auch Vorpommern nicht ausgeliefert werden.
Es war ſicherlich nicht an Preußen, den unparteiiſchen Richter zu
ſpielen in dieſen unerquicklichen Händeln der nordiſchen Mächte; die na-
tionale Politik gebot, den Streit der Fremden um das deutſche Land zu
Deutſchlands Vortheil auszubeuten und die verlorene Mark dem Vater-
lande zurückzubringen. Eine Aufgabe, wie geſchaffen für Hardenbergs
ſchmiegſame Gewandtheit. Oeſterreich und Frankreich, in früheren Zeiten
die hartnäckigſten Feinde der pommerſchen Politik der Hohenzollern, verhielten
ſich diesmal zum Glück ganz gleichgiltig. Der Staatskanzler verſtändigte
ſich zunächſt mit Schweden. Bernadotte war bereit, ſeine Anſprüche auf
Vorpommern gegen eine Summe Geldes an Preußen abzutreten; am
13. Mai 1815 berichtete Münſter dem Prinzregenten als unzweifelhaft,
daß Preußen und Schweden ſchon längſt handelseinig ſeien. Alſo gegen
Schweden gedeckt, hoffte Hardenberg auch die Dänen zum Verzicht auf
Vorpommern zu bewegen. Dies war nur möglich, wenn man ihnen
einen Erſatz an Land und Leuten bot; denn Dänemark hatte unzweifelhaft
das beſſere Recht auf Vorpommern. Auf der weiten Welt ließ ſich aber
nur ein Land finden, das man den Dänen vielleicht zum Erſatze bieten
konnte: das Herzogthum Lauenburg rechts der Elbe. Welche Zumuthung:
für die 75 Geviertmeilen des reichen Vorpommerns 19 in Lauenburg; für
die Seefeſtung Rügen, für das prächtige Stralſund und die Greifswalder
Hochſchule blos — das Grab Till Eulenſpiegels und zwei Drittel der
guten Stadt Ratzeburg, denn ihr Domhof gehörte dem Strelitzer Vater-
lande! Nur die Bedrängniß des von allen Seiten bedrohten Kopenhagener
Cabinets ließ es möglich ſcheinen, daß Dänemark auf einen ſo ungleichen
Tauſch eingehen würde, der ihm nur den einen Vortheil bot das Hol-
ſteiniſche Gebiet abzurunden.
Lauenburg war aber ein rechtmäßiges Beſitzthum des hannoverſchen
Hauſes, und ſo hing denn die Erwerbung Vorpommerns von einer Ver-
ſtändigung mit den Welfen ab, denen Preußen überdies noch die in
Reichenbach ausbedungene Vergrößerung um 250—300,000 Seelen ſchul-
dete. Daß Hildesheim zu dieſer Entſchädigung verwendet werden ſollte,
ſtand bereits feſt; die Abtretung von Oſtfriesland dagegen hatte der König
ſtandhaft zurückgewieſen, und ſeitdem war das treue Völkchen ſeinem
Herzen nur noch theurer geworden. Gleichwohl liefen beunruhigende
Gerüchte durchs Land; die Abtretung an die Welfen, ſo hieß es, ſtehe doch
noch bevor. Schwer beſorgt ſchrieb der Oberpräſident Vincke an den
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/679>, abgerufen am 25.11.2024.
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