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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.

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Verhandlungen in Freiburg und Basel.
schen seiner Getreuen keineswegs abgeneigt, aber Metternich blieb stand-
haft bei dem Systeme seiner Arrondirungspolitik. Er wollte die rhein-
bündischen Höfe nicht reizen, und obwohl das Carlsruher Cabinet noch
zwei Jahre lang durch die österreichische Gesinnung lebhaft beunruhigt
wurde, so hat doch die Hofburg niemals während dieser ganzen Zeit auch
nur versucht mit Baden wegen des Rückfalls der vorderösterreichischen
Lande zu verhandeln. Hardenberg sah mit Kummer, daß Oesterreich
selber für die süddeutsche Machtstellung, welche er ihm zudachte, gar keine
Neigung offenbarte.

Nachdem die Schwankungen jener Frankfurter Tage überwunden
waren, stellte sich rasch das natürliche Verhältniß der Parteien unter den
Verbündeten wieder her. Preußen und Rußland forderten eine entschlos-
sene Kriegführung, Oesterreich und England wichen der Entscheidung
ängstlich aus. Die Spannung im großen Hauptquartiere nahm bedenk-
lich zu. Ueberall stießen die beiden Parteien feindlich auf einander. In
der Schweiz versuchte Metternich durch den Grafen Senfft der Berner
Aristokratie wieder ihre alte Vollgewalt sowie die Herrschaft über den
Aargau und das Waadtland zu verschaffen. Czar Alexander dagegen
spielte den Gönner der liberalen Ideen, unterstützte die Landsleute seines
waadtländischen Lehrers Laharpe und erreichte, mit Preußen vereint, daß
die Unabhängigkeit der neuen Cantone anerkannt und also doch etwas
von den berechtigten Neubildungen der jüngsten Jahre in das Zeitalter
der Restauration hinübergerettet wurde.

Der langsame Marsch gewährte den preußischen Staatsmännern
genügende Muße um über die Friedensbedingungen zu berathschlagen. Zu
Freiburg stellte Knesebeck in einer Denkschrift die Forderungen zusammen,
die ihm, Angesichts der Stimmungen der Hofburg, noch erreichbar schienen.
Während im schlesischen Hauptquartiere bereits das Verlangen nach der
Rückerwerbung der deutschen Thermopylen, der Vogesen erhoben wurde,
hielten sich die österreichischen Diplomaten streng an das Manifest vom
1. December, das ihnen schon allzu kühn vorkam. Knesebeck meinte also:
"da man einmal hingesprochen hat, daß Frankreich größer als unter den
Königen sein, der Rhein einen Theil seiner Grenze ausmachen soll, so
bleibe der Rhein Grenze von Basel bis Landau."*) Nur Straßburg
hoffte er als eine freie Stadt für Deutschland zurückzugewinnen. Für
Preußen forderte er: Sachsen, Westphalen, Berg, das linke Rheinufer
und vor Allem das gesammte polnische Land bis zum Narew. Die fixen
Ideen der Russenfurcht ließen den pedantischen Mann nicht schlafen.

Hardenberg aber wollte sich zunächst über Rußlands Absichten Klar-
heit verschaffen. Daher bat er in Freiburg und nachher in Basel, wie es
sein König schon oft gethan, den Czaren dringend um die bündige Er-

*) Knesebecks Denkschrift über die Reconstruction Preußens, 7. Januar 1814.
34*

Verhandlungen in Freiburg und Baſel.
ſchen ſeiner Getreuen keineswegs abgeneigt, aber Metternich blieb ſtand-
haft bei dem Syſteme ſeiner Arrondirungspolitik. Er wollte die rhein-
bündiſchen Höfe nicht reizen, und obwohl das Carlsruher Cabinet noch
zwei Jahre lang durch die öſterreichiſche Geſinnung lebhaft beunruhigt
wurde, ſo hat doch die Hofburg niemals während dieſer ganzen Zeit auch
nur verſucht mit Baden wegen des Rückfalls der vorderöſterreichiſchen
Lande zu verhandeln. Hardenberg ſah mit Kummer, daß Oeſterreich
ſelber für die ſüddeutſche Machtſtellung, welche er ihm zudachte, gar keine
Neigung offenbarte.

Nachdem die Schwankungen jener Frankfurter Tage überwunden
waren, ſtellte ſich raſch das natürliche Verhältniß der Parteien unter den
Verbündeten wieder her. Preußen und Rußland forderten eine entſchloſ-
ſene Kriegführung, Oeſterreich und England wichen der Entſcheidung
ängſtlich aus. Die Spannung im großen Hauptquartiere nahm bedenk-
lich zu. Ueberall ſtießen die beiden Parteien feindlich auf einander. In
der Schweiz verſuchte Metternich durch den Grafen Senfft der Berner
Ariſtokratie wieder ihre alte Vollgewalt ſowie die Herrſchaft über den
Aargau und das Waadtland zu verſchaffen. Czar Alexander dagegen
ſpielte den Gönner der liberalen Ideen, unterſtützte die Landsleute ſeines
waadtländiſchen Lehrers Laharpe und erreichte, mit Preußen vereint, daß
die Unabhängigkeit der neuen Cantone anerkannt und alſo doch etwas
von den berechtigten Neubildungen der jüngſten Jahre in das Zeitalter
der Reſtauration hinübergerettet wurde.

Der langſame Marſch gewährte den preußiſchen Staatsmännern
genügende Muße um über die Friedensbedingungen zu berathſchlagen. Zu
Freiburg ſtellte Kneſebeck in einer Denkſchrift die Forderungen zuſammen,
die ihm, Angeſichts der Stimmungen der Hofburg, noch erreichbar ſchienen.
Während im ſchleſiſchen Hauptquartiere bereits das Verlangen nach der
Rückerwerbung der deutſchen Thermopylen, der Vogeſen erhoben wurde,
hielten ſich die öſterreichiſchen Diplomaten ſtreng an das Manifeſt vom
1. December, das ihnen ſchon allzu kühn vorkam. Kneſebeck meinte alſo:
„da man einmal hingeſprochen hat, daß Frankreich größer als unter den
Königen ſein, der Rhein einen Theil ſeiner Grenze ausmachen ſoll, ſo
bleibe der Rhein Grenze von Baſel bis Landau.“*) Nur Straßburg
hoffte er als eine freie Stadt für Deutſchland zurückzugewinnen. Für
Preußen forderte er: Sachſen, Weſtphalen, Berg, das linke Rheinufer
und vor Allem das geſammte polniſche Land bis zum Narew. Die fixen
Ideen der Ruſſenfurcht ließen den pedantiſchen Mann nicht ſchlafen.

Hardenberg aber wollte ſich zunächſt über Rußlands Abſichten Klar-
heit verſchaffen. Daher bat er in Freiburg und nachher in Baſel, wie es
ſein König ſchon oft gethan, den Czaren dringend um die bündige Er-

*) Kneſebecks Denkſchrift über die Reconſtruction Preußens, 7. Januar 1814.
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[531/0547] Verhandlungen in Freiburg und Baſel. ſchen ſeiner Getreuen keineswegs abgeneigt, aber Metternich blieb ſtand- haft bei dem Syſteme ſeiner Arrondirungspolitik. Er wollte die rhein- bündiſchen Höfe nicht reizen, und obwohl das Carlsruher Cabinet noch zwei Jahre lang durch die öſterreichiſche Geſinnung lebhaft beunruhigt wurde, ſo hat doch die Hofburg niemals während dieſer ganzen Zeit auch nur verſucht mit Baden wegen des Rückfalls der vorderöſterreichiſchen Lande zu verhandeln. Hardenberg ſah mit Kummer, daß Oeſterreich ſelber für die ſüddeutſche Machtſtellung, welche er ihm zudachte, gar keine Neigung offenbarte. Nachdem die Schwankungen jener Frankfurter Tage überwunden waren, ſtellte ſich raſch das natürliche Verhältniß der Parteien unter den Verbündeten wieder her. Preußen und Rußland forderten eine entſchloſ- ſene Kriegführung, Oeſterreich und England wichen der Entſcheidung ängſtlich aus. Die Spannung im großen Hauptquartiere nahm bedenk- lich zu. Ueberall ſtießen die beiden Parteien feindlich auf einander. In der Schweiz verſuchte Metternich durch den Grafen Senfft der Berner Ariſtokratie wieder ihre alte Vollgewalt ſowie die Herrſchaft über den Aargau und das Waadtland zu verſchaffen. Czar Alexander dagegen ſpielte den Gönner der liberalen Ideen, unterſtützte die Landsleute ſeines waadtländiſchen Lehrers Laharpe und erreichte, mit Preußen vereint, daß die Unabhängigkeit der neuen Cantone anerkannt und alſo doch etwas von den berechtigten Neubildungen der jüngſten Jahre in das Zeitalter der Reſtauration hinübergerettet wurde. Der langſame Marſch gewährte den preußiſchen Staatsmännern genügende Muße um über die Friedensbedingungen zu berathſchlagen. Zu Freiburg ſtellte Kneſebeck in einer Denkſchrift die Forderungen zuſammen, die ihm, Angeſichts der Stimmungen der Hofburg, noch erreichbar ſchienen. Während im ſchleſiſchen Hauptquartiere bereits das Verlangen nach der Rückerwerbung der deutſchen Thermopylen, der Vogeſen erhoben wurde, hielten ſich die öſterreichiſchen Diplomaten ſtreng an das Manifeſt vom 1. December, das ihnen ſchon allzu kühn vorkam. Kneſebeck meinte alſo: „da man einmal hingeſprochen hat, daß Frankreich größer als unter den Königen ſein, der Rhein einen Theil ſeiner Grenze ausmachen ſoll, ſo bleibe der Rhein Grenze von Baſel bis Landau.“ *) Nur Straßburg hoffte er als eine freie Stadt für Deutſchland zurückzugewinnen. Für Preußen forderte er: Sachſen, Weſtphalen, Berg, das linke Rheinufer und vor Allem das geſammte polniſche Land bis zum Narew. Die fixen Ideen der Ruſſenfurcht ließen den pedantiſchen Mann nicht ſchlafen. Hardenberg aber wollte ſich zunächſt über Rußlands Abſichten Klar- heit verſchaffen. Daher bat er in Freiburg und nachher in Baſel, wie es ſein König ſchon oft gethan, den Czaren dringend um die bündige Er- *) Kneſebecks Denkſchrift über die Reconſtruction Preußens, 7. Januar 1814. 34*

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/547>, abgerufen am 22.11.2024.