schen Cabinet noch längere Zeit verborgen gehalten*) und erregten, als sie endlich ans Licht traten, lebhaften Unwillen. Hardenberg und Hum- boldt hatten in Teplitz einen Artikel für den bairischen Vertrag vorge- schlagen, worin Baierns Unterwerfung unter die deutsche Bundesgewalt ausbedungen war; sie waren damit weder bei dem Czaren noch bei Met- ternich durchgedrungen, und nun mußten sie erleben, daß Oesterreich den gefährlichsten und böswilligsten Staat des Rheinbundes von jeder Ver- pflichtung gegen Deutschland freisprach! Montgelas hielt es nicht einmal für nöthig seine bonapartistischen Neigungen zu verbergen; in der öffent- lichen Erklärung, die den vollzogenen Fahnenwechsel verkündigte, sprach er unbefangen die Hoffnung aus auf baldige Wiederherstellung der freund- schaftlichen Beziehungen, denen der König nur im letzten Augenblicke und in höchster Bedrängniß entsagt habe. Und diesem Staate hatte Oester- reich die alten Stammlande der Hohenzollern preisgegeben!
Zu Anfang des Jahres, in einem Augenblicke da Baierns Abfall den ganzen Verlauf des Krieges ändern konnte, war der Staatskanzler allerdings bereit gewesen auf die fränkischen Markgrafschaften zu verzichten. Jetzt in völlig verwandelter Lage dachte man nicht mehr daran für geringen Gewinn ein solches Opfer zu bringen; vielmehr hatte Friedrich Wilhelm eben jetzt den Obersten Krauseneck beauftragt von Böhmen aus einen Streifzug gegen Ansbach-Baireuth zu unternehmen und die Franken zur Erhebung für ihren alten Fürsten aufzurufen. Da erfuhr man, daß Metternich die preußische Vollmacht mißbraucht hatte um zu erreichen, was die Hofburg schon seit dem Hubertusburger Frieden unablässig erstrebte, um den nord- deutschen Staat aus dem Süden zu verdrängen und ihn der Position in der Flanke Böhmens zu berauben. Der König war nicht minder er- bittert als das Volk der Markgrafschaften. Es bezeichnet die kindliche politische Bildung der Zeit, daß sobald die Fesseln des Rheinbundes sich lockerten alle deutschen Stämme ohne Ausnahme zu ihren altangestammten Fürstenhäusern zurück verlangten. Nirgendwo äußerte sich diese legitimistische Gesinnung so lebhaft wie unter den Franken; sie waren einst durch Har- denbergs Verwaltung aus tiefem wirthschaftlichem Verfalle emporgehoben worden und hatten dann unter der Willkürherrschaft der Präfecten Mont- gelas' schwer gelitten. Sie bestürmten den König sie nicht aufzuopfern, beschworen nachher den Wiener Congreß in einer rührenden Adresse um die Rückkehr des alten Fürsten, dessen weise Verwaltung allein das Land in den Stand gesetzt habe die Leiden der letzten acht Jahre zu überstehen. Durch viele Jahrzehnte blieb im Fichtelgebirge die Erinnerung lebendig an die gute alte Zeit, da die Königin Luise mit ihrem jungen Gemahl die Felsklüfte der Luxburg durchwandert hatte; die Kinder suchten im Walde nach dem Adlerfarrenkraut, das im Querschnitt den brandenburgi-
*) Hardenbergs Tagebuch 17. November 1813.
I. 4. Der Befreiungskrieg.
ſchen Cabinet noch längere Zeit verborgen gehalten*) und erregten, als ſie endlich ans Licht traten, lebhaften Unwillen. Hardenberg und Hum- boldt hatten in Teplitz einen Artikel für den bairiſchen Vertrag vorge- ſchlagen, worin Baierns Unterwerfung unter die deutſche Bundesgewalt ausbedungen war; ſie waren damit weder bei dem Czaren noch bei Met- ternich durchgedrungen, und nun mußten ſie erleben, daß Oeſterreich den gefährlichſten und böswilligſten Staat des Rheinbundes von jeder Ver- pflichtung gegen Deutſchland freiſprach! Montgelas hielt es nicht einmal für nöthig ſeine bonapartiſtiſchen Neigungen zu verbergen; in der öffent- lichen Erklärung, die den vollzogenen Fahnenwechſel verkündigte, ſprach er unbefangen die Hoffnung aus auf baldige Wiederherſtellung der freund- ſchaftlichen Beziehungen, denen der König nur im letzten Augenblicke und in höchſter Bedrängniß entſagt habe. Und dieſem Staate hatte Oeſter- reich die alten Stammlande der Hohenzollern preisgegeben!
Zu Anfang des Jahres, in einem Augenblicke da Baierns Abfall den ganzen Verlauf des Krieges ändern konnte, war der Staatskanzler allerdings bereit geweſen auf die fränkiſchen Markgrafſchaften zu verzichten. Jetzt in völlig verwandelter Lage dachte man nicht mehr daran für geringen Gewinn ein ſolches Opfer zu bringen; vielmehr hatte Friedrich Wilhelm eben jetzt den Oberſten Krauſeneck beauftragt von Böhmen aus einen Streifzug gegen Ansbach-Baireuth zu unternehmen und die Franken zur Erhebung für ihren alten Fürſten aufzurufen. Da erfuhr man, daß Metternich die preußiſche Vollmacht mißbraucht hatte um zu erreichen, was die Hofburg ſchon ſeit dem Hubertusburger Frieden unabläſſig erſtrebte, um den nord- deutſchen Staat aus dem Süden zu verdrängen und ihn der Poſition in der Flanke Böhmens zu berauben. Der König war nicht minder er- bittert als das Volk der Markgrafſchaften. Es bezeichnet die kindliche politiſche Bildung der Zeit, daß ſobald die Feſſeln des Rheinbundes ſich lockerten alle deutſchen Stämme ohne Ausnahme zu ihren altangeſtammten Fürſtenhäuſern zurück verlangten. Nirgendwo äußerte ſich dieſe legitimiſtiſche Geſinnung ſo lebhaft wie unter den Franken; ſie waren einſt durch Har- denbergs Verwaltung aus tiefem wirthſchaftlichem Verfalle emporgehoben worden und hatten dann unter der Willkürherrſchaft der Präfecten Mont- gelas’ ſchwer gelitten. Sie beſtürmten den König ſie nicht aufzuopfern, beſchworen nachher den Wiener Congreß in einer rührenden Adreſſe um die Rückkehr des alten Fürſten, deſſen weiſe Verwaltung allein das Land in den Stand geſetzt habe die Leiden der letzten acht Jahre zu überſtehen. Durch viele Jahrzehnte blieb im Fichtelgebirge die Erinnerung lebendig an die gute alte Zeit, da die Königin Luiſe mit ihrem jungen Gemahl die Felsklüfte der Luxburg durchwandert hatte; die Kinder ſuchten im Walde nach dem Adlerfarrenkraut, das im Querſchnitt den brandenburgi-
*) Hardenbergs Tagebuch 17. November 1813.
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I. 4. Der Befreiungskrieg.
ſchen Cabinet noch längere Zeit verborgen gehalten *) und erregten, als
ſie endlich ans Licht traten, lebhaften Unwillen. Hardenberg und Hum-
boldt hatten in Teplitz einen Artikel für den bairiſchen Vertrag vorge-
ſchlagen, worin Baierns Unterwerfung unter die deutſche Bundesgewalt
ausbedungen war; ſie waren damit weder bei dem Czaren noch bei Met-
ternich durchgedrungen, und nun mußten ſie erleben, daß Oeſterreich den
gefährlichſten und böswilligſten Staat des Rheinbundes von jeder Ver-
pflichtung gegen Deutſchland freiſprach! Montgelas hielt es nicht einmal
für nöthig ſeine bonapartiſtiſchen Neigungen zu verbergen; in der öffent-
lichen Erklärung, die den vollzogenen Fahnenwechſel verkündigte, ſprach er
unbefangen die Hoffnung aus auf baldige Wiederherſtellung der freund-
ſchaftlichen Beziehungen, denen der König nur im letzten Augenblicke und
in höchſter Bedrängniß entſagt habe. Und dieſem Staate hatte Oeſter-
reich die alten Stammlande der Hohenzollern preisgegeben!
Zu Anfang des Jahres, in einem Augenblicke da Baierns Abfall den
ganzen Verlauf des Krieges ändern konnte, war der Staatskanzler allerdings
bereit geweſen auf die fränkiſchen Markgrafſchaften zu verzichten. Jetzt in
völlig verwandelter Lage dachte man nicht mehr daran für geringen Gewinn
ein ſolches Opfer zu bringen; vielmehr hatte Friedrich Wilhelm eben jetzt
den Oberſten Krauſeneck beauftragt von Böhmen aus einen Streifzug gegen
Ansbach-Baireuth zu unternehmen und die Franken zur Erhebung für
ihren alten Fürſten aufzurufen. Da erfuhr man, daß Metternich die
preußiſche Vollmacht mißbraucht hatte um zu erreichen, was die Hofburg
ſchon ſeit dem Hubertusburger Frieden unabläſſig erſtrebte, um den nord-
deutſchen Staat aus dem Süden zu verdrängen und ihn der Poſition
in der Flanke Böhmens zu berauben. Der König war nicht minder er-
bittert als das Volk der Markgrafſchaften. Es bezeichnet die kindliche
politiſche Bildung der Zeit, daß ſobald die Feſſeln des Rheinbundes ſich
lockerten alle deutſchen Stämme ohne Ausnahme zu ihren altangeſtammten
Fürſtenhäuſern zurück verlangten. Nirgendwo äußerte ſich dieſe legitimiſtiſche
Geſinnung ſo lebhaft wie unter den Franken; ſie waren einſt durch Har-
denbergs Verwaltung aus tiefem wirthſchaftlichem Verfalle emporgehoben
worden und hatten dann unter der Willkürherrſchaft der Präfecten Mont-
gelas’ ſchwer gelitten. Sie beſtürmten den König ſie nicht aufzuopfern,
beſchworen nachher den Wiener Congreß in einer rührenden Adreſſe um
die Rückkehr des alten Fürſten, deſſen weiſe Verwaltung allein das Land
in den Stand geſetzt habe die Leiden der letzten acht Jahre zu überſtehen.
Durch viele Jahrzehnte blieb im Fichtelgebirge die Erinnerung lebendig
an die gute alte Zeit, da die Königin Luiſe mit ihrem jungen Gemahl
die Felsklüfte der Luxburg durchwandert hatte; die Kinder ſuchten im
Walde nach dem Adlerfarrenkraut, das im Querſchnitt den brandenburgi-
*) Hardenbergs Tagebuch 17. November 1813.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/510>, abgerufen am 22.11.2024.
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