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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.

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Schlacht von Dresden.
märschen auf der Bautzener Straße heran. An dem grauen, trüben
Morgen des 26. erreichte der Imperator die Höhe am Mordgrunde dicht
über dem Strome, wo sich der Ausblick öffnet auf den lieblichen Kessel
des Elbthals, und betrachtete lange das majestätische Schauspiel, wie jen-
seits auf dem linken Ufer die dunklen Massen des Heeres der Verbün-
deten, in weitem Halbkreise die Stadt umklammernd, mit beiden Flügeln
an den Fluß gelehnt, sich langsam von den Hügeln niedersenkten.

Noch einmal, zum letzten male auf deutschem Boden, umstrahlte ihn
die Herrlichkeit des Sieges. Wohl war sein Heer augenblicklich noch um die
Hälfte schwächer als die Verbündeten, aber mit jeder Stunde kamen neue
Zuzüge und bis sie alle eintrafen mußte die nothdürftig befestigte Stadt sich
halten. Er war des Erfolges gewiß, sprengte mit verhängten Zügeln in
die Stadt, hielt dann stundenlang auf dem Schloßplatze jenseits der Brücke,
mit kalter Ruhe seine Befehle ertheilend, während die Regimenter der
Garde im Laufschritt an ihm vorüber nach den westlichen Thoren zogen.
Mit donnerndem Hochruf begrüßten die tapferen Bärenmützen ihren kleinen
Corporal, wo sein Auge wachte da winkten Sieg und Beute. Ein sächsischer
Offizier, der droben auf dem Kreuzthurme das weite Schlachtfeld wie
einen Teppich zu seinen Füßen liegen sah, meldete pünktlich den Anmarsch
jedes Truppentheiles der Verbündeten. Im Kriegsrathe der Monarchen
erregte die Nachricht, daß der Unüberwindliche selber zur Stelle sei, Klein-
muth und Schrecken; die gelehrten Kriegskünstler des österreichischen Haupt-
quartiers dachten schon ohne Schlacht abzuziehen, nur der entschiedene
Widerspruch des Königs von Preußen zwang sie den Angriff zu wagen.
Statt seine beste Kraft auf dem linken Flügel zu versammeln und mit
ihr in die unbefestigte Friedrichsstadt einzubrechen ließ Schwarzen-
berg das Centrum und den rechten Flügel gegen die Vorstädte der Alt-
stadt vorgehen, wo einige Festungswerke an den Thoren sowie die hohen
Gartenmauern der Paläste und Landhäuser dem Vertheidiger die Arbeit
erleichterten. Nach blutigen aber völlig planlosen Kämpfen erstürmten die
Oesterreicher im Centrum die Lunette am Falkenschlage, auf dem rechten
Flügel besetzte Kleist mit seinen Preußen den Großen Garten dicht vor
den Stadtthoren und versuchte von da in die Stadt selbst einzudringen,
unsanft empfangen von den Geschützen, die hinter den gefährlichen Mauer-
lücken der Rococo-Gärten, den Aha's, verdeckt standen. Der Abend kam.
Napoleon fühlte sich jetzt stark genug selber zum Angriff zu schreiten, ließ
plötzlich aus allen Thoren zugleich gewaltige Massen frischer Truppen vor-
brechen, entriß den Verbündeten die wenigen Stellen der Stadt, wo sie
bereits Fuß gefaßt, und drängte sie schließlich auf ihrer ganzen Linie bis
in die Dörfer an den Höhen zurück. Der Angriff war abgeschlagen.

Verwirrung und Entmuthigung herrschten im großen Hauptquartiere,
als während der Nacht noch die unheimliche Kunde eintraf, daß die große
Armee bereits im Rücken bedroht sei. Tausende sächsischer Landleute hatten

Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 31

Schlacht von Dresden.
märſchen auf der Bautzener Straße heran. An dem grauen, trüben
Morgen des 26. erreichte der Imperator die Höhe am Mordgrunde dicht
über dem Strome, wo ſich der Ausblick öffnet auf den lieblichen Keſſel
des Elbthals, und betrachtete lange das majeſtätiſche Schauſpiel, wie jen-
ſeits auf dem linken Ufer die dunklen Maſſen des Heeres der Verbün-
deten, in weitem Halbkreiſe die Stadt umklammernd, mit beiden Flügeln
an den Fluß gelehnt, ſich langſam von den Hügeln niederſenkten.

Noch einmal, zum letzten male auf deutſchem Boden, umſtrahlte ihn
die Herrlichkeit des Sieges. Wohl war ſein Heer augenblicklich noch um die
Hälfte ſchwächer als die Verbündeten, aber mit jeder Stunde kamen neue
Zuzüge und bis ſie alle eintrafen mußte die nothdürftig befeſtigte Stadt ſich
halten. Er war des Erfolges gewiß, ſprengte mit verhängten Zügeln in
die Stadt, hielt dann ſtundenlang auf dem Schloßplatze jenſeits der Brücke,
mit kalter Ruhe ſeine Befehle ertheilend, während die Regimenter der
Garde im Laufſchritt an ihm vorüber nach den weſtlichen Thoren zogen.
Mit donnerndem Hochruf begrüßten die tapferen Bärenmützen ihren kleinen
Corporal, wo ſein Auge wachte da winkten Sieg und Beute. Ein ſächſiſcher
Offizier, der droben auf dem Kreuzthurme das weite Schlachtfeld wie
einen Teppich zu ſeinen Füßen liegen ſah, meldete pünktlich den Anmarſch
jedes Truppentheiles der Verbündeten. Im Kriegsrathe der Monarchen
erregte die Nachricht, daß der Unüberwindliche ſelber zur Stelle ſei, Klein-
muth und Schrecken; die gelehrten Kriegskünſtler des öſterreichiſchen Haupt-
quartiers dachten ſchon ohne Schlacht abzuziehen, nur der entſchiedene
Widerſpruch des Königs von Preußen zwang ſie den Angriff zu wagen.
Statt ſeine beſte Kraft auf dem linken Flügel zu verſammeln und mit
ihr in die unbefeſtigte Friedrichsſtadt einzubrechen ließ Schwarzen-
berg das Centrum und den rechten Flügel gegen die Vorſtädte der Alt-
ſtadt vorgehen, wo einige Feſtungswerke an den Thoren ſowie die hohen
Gartenmauern der Paläſte und Landhäuſer dem Vertheidiger die Arbeit
erleichterten. Nach blutigen aber völlig planloſen Kämpfen erſtürmten die
Oeſterreicher im Centrum die Lunette am Falkenſchlage, auf dem rechten
Flügel beſetzte Kleiſt mit ſeinen Preußen den Großen Garten dicht vor
den Stadtthoren und verſuchte von da in die Stadt ſelbſt einzudringen,
unſanft empfangen von den Geſchützen, die hinter den gefährlichen Mauer-
lücken der Rococo-Gärten, den Aha’s, verdeckt ſtanden. Der Abend kam.
Napoleon fühlte ſich jetzt ſtark genug ſelber zum Angriff zu ſchreiten, ließ
plötzlich aus allen Thoren zugleich gewaltige Maſſen friſcher Truppen vor-
brechen, entriß den Verbündeten die wenigen Stellen der Stadt, wo ſie
bereits Fuß gefaßt, und drängte ſie ſchließlich auf ihrer ganzen Linie bis
in die Dörfer an den Höhen zurück. Der Angriff war abgeſchlagen.

Verwirrung und Entmuthigung herrſchten im großen Hauptquartiere,
als während der Nacht noch die unheimliche Kunde eintraf, daß die große
Armee bereits im Rücken bedroht ſei. Tauſende ſächſiſcher Landleute hatten

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[481/0497] Schlacht von Dresden. märſchen auf der Bautzener Straße heran. An dem grauen, trüben Morgen des 26. erreichte der Imperator die Höhe am Mordgrunde dicht über dem Strome, wo ſich der Ausblick öffnet auf den lieblichen Keſſel des Elbthals, und betrachtete lange das majeſtätiſche Schauſpiel, wie jen- ſeits auf dem linken Ufer die dunklen Maſſen des Heeres der Verbün- deten, in weitem Halbkreiſe die Stadt umklammernd, mit beiden Flügeln an den Fluß gelehnt, ſich langſam von den Hügeln niederſenkten. Noch einmal, zum letzten male auf deutſchem Boden, umſtrahlte ihn die Herrlichkeit des Sieges. Wohl war ſein Heer augenblicklich noch um die Hälfte ſchwächer als die Verbündeten, aber mit jeder Stunde kamen neue Zuzüge und bis ſie alle eintrafen mußte die nothdürftig befeſtigte Stadt ſich halten. Er war des Erfolges gewiß, ſprengte mit verhängten Zügeln in die Stadt, hielt dann ſtundenlang auf dem Schloßplatze jenſeits der Brücke, mit kalter Ruhe ſeine Befehle ertheilend, während die Regimenter der Garde im Laufſchritt an ihm vorüber nach den weſtlichen Thoren zogen. Mit donnerndem Hochruf begrüßten die tapferen Bärenmützen ihren kleinen Corporal, wo ſein Auge wachte da winkten Sieg und Beute. Ein ſächſiſcher Offizier, der droben auf dem Kreuzthurme das weite Schlachtfeld wie einen Teppich zu ſeinen Füßen liegen ſah, meldete pünktlich den Anmarſch jedes Truppentheiles der Verbündeten. Im Kriegsrathe der Monarchen erregte die Nachricht, daß der Unüberwindliche ſelber zur Stelle ſei, Klein- muth und Schrecken; die gelehrten Kriegskünſtler des öſterreichiſchen Haupt- quartiers dachten ſchon ohne Schlacht abzuziehen, nur der entſchiedene Widerſpruch des Königs von Preußen zwang ſie den Angriff zu wagen. Statt ſeine beſte Kraft auf dem linken Flügel zu verſammeln und mit ihr in die unbefeſtigte Friedrichsſtadt einzubrechen ließ Schwarzen- berg das Centrum und den rechten Flügel gegen die Vorſtädte der Alt- ſtadt vorgehen, wo einige Feſtungswerke an den Thoren ſowie die hohen Gartenmauern der Paläſte und Landhäuſer dem Vertheidiger die Arbeit erleichterten. Nach blutigen aber völlig planloſen Kämpfen erſtürmten die Oeſterreicher im Centrum die Lunette am Falkenſchlage, auf dem rechten Flügel beſetzte Kleiſt mit ſeinen Preußen den Großen Garten dicht vor den Stadtthoren und verſuchte von da in die Stadt ſelbſt einzudringen, unſanft empfangen von den Geſchützen, die hinter den gefährlichen Mauer- lücken der Rococo-Gärten, den Aha’s, verdeckt ſtanden. Der Abend kam. Napoleon fühlte ſich jetzt ſtark genug ſelber zum Angriff zu ſchreiten, ließ plötzlich aus allen Thoren zugleich gewaltige Maſſen friſcher Truppen vor- brechen, entriß den Verbündeten die wenigen Stellen der Stadt, wo ſie bereits Fuß gefaßt, und drängte ſie ſchließlich auf ihrer ganzen Linie bis in die Dörfer an den Höhen zurück. Der Angriff war abgeſchlagen. Verwirrung und Entmuthigung herrſchten im großen Hauptquartiere, als während der Nacht noch die unheimliche Kunde eintraf, daß die große Armee bereits im Rücken bedroht ſei. Tauſende ſächſiſcher Landleute hatten Treitſchke, Deutſche Geſchichte. I. 31

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/497>, abgerufen am 22.11.2024.