des britischen Cabinets war einfach die französische Herrschaft aus Italien zu verdrängen; eine italienische Nation wollten die Torys nicht anerkennen, auch über die Ansprüche des Papstes ging man gleichmüthig hinweg. Das Abkommen blieb tief geheim, da Rußland, der alte Gönner Piemonts, unter Kaiser Paul die italienischen Pläne Oesterreichs lebhaft bekämpft hatte. Von Preußen stand freilich kein Einspruch zu erwarten. Daß die Hofburg die alten Thugut'schen Projecte wieder aufnehmen würde, galt dem Staatskanzler von vornherein als selbstverständlich. Er hat sogar Oester- reich aufgefordert, die Italiener zum Freiheitskampfe aufzubieten; in Kne- sebecks Denkschriften hieß es kurzab: "was Oesterreich in Italien verlangt liegt ja in der Natur der Dinge."
Die Stellung des Mediators, der also bereits durch zwei geheime Verträge seine Unparteilichkeit aufgegeben hatte, wurde täglich unhaltbarer; das Possenspiel des Congresses drängte zum Ende. Vier Tage vor Ab- lauf der Waffenruhe wendete sich Napoleon noch einmal mit einer ver- traulichen Anfrage an Oesterreich allein -- offenbar nur um nachher der friedenslustigen französischen Nation seine Versöhnlichkeit beweisen zu können. Als Metternich darauf ein Ultimatum stellte, das die Reichenbacher Vor- schläge in etwas schärferer Fassung wiederholte, gab der Imperator eine im Wesentlichen ablehnende Antwort und ließ diese absichtlich zu spät von Dresden abgehen, so daß sie erst am 11. August in Prag eintreffen konnte. Der Waffenstillstand war abgelaufen ohne daß Frankreich die Friedens- bedingungen angenommen hatte. Mit dem letzten Glockenschlage des 10. August erklärten Humboldt und Anstett, ihre Vollmacht sei erloschen, der Congreß beendigt. Die Verpflichtungen von Reichenbach traten nunmehr in Kraft, der Trotz Napoleons hatte Oesterreich in das Lager der Coali- tion getrieben.
Jener große europäische Bund, woran die Staatsmänner seit acht- zehn Jahren immer vergeblich gearbeitet, jetzt stand er endlich in Waffen: alle die vier alten Großmächte, mit ihnen Schweden und demnächst auch die wiederbefreiten Staaten der iberischen Halbinsel. Und diesmal führte nicht das Ungefähr diplomatischer Verwickelungen die Höfe zusammen, sondern eine hohe Nothwendigkeit: es galt, die Freiheit der Welt, das lebendige Nebeneinander der Nationen, worauf die Größe der abendlän- dischen Gesittung beruht, wiederherzustellen. Wohl traten mit England und Oesterreich zwei Mächte in das Bündniß ein, denen jedes Verständ- niß abging für die Sehnsucht des norddeutschen Volkes. Sonderbar genug stach die gewundene Sprache des österreichischen Kriegsmanifestes von dem herzerwärmenden ehrlichen Tone der preußischen Aufrufe ab. Wie war
erhellt aus einer Note Metternichs an Castlereagh, Paris 27. Mai 1814, welche Farini (Storia d'Italia dall' anno 1814. I. 27) im Turiner Hausarchive gefunden hat. Vieles an dem Hergang erscheint noch räthselhaft.
I. 4. Der Befreiungskrieg.
des britiſchen Cabinets war einfach die franzöſiſche Herrſchaft aus Italien zu verdrängen; eine italieniſche Nation wollten die Torys nicht anerkennen, auch über die Anſprüche des Papſtes ging man gleichmüthig hinweg. Das Abkommen blieb tief geheim, da Rußland, der alte Gönner Piemonts, unter Kaiſer Paul die italieniſchen Pläne Oeſterreichs lebhaft bekämpft hatte. Von Preußen ſtand freilich kein Einſpruch zu erwarten. Daß die Hofburg die alten Thugut’ſchen Projecte wieder aufnehmen würde, galt dem Staatskanzler von vornherein als ſelbſtverſtändlich. Er hat ſogar Oeſter- reich aufgefordert, die Italiener zum Freiheitskampfe aufzubieten; in Kne- ſebecks Denkſchriften hieß es kurzab: „was Oeſterreich in Italien verlangt liegt ja in der Natur der Dinge.“
Die Stellung des Mediators, der alſo bereits durch zwei geheime Verträge ſeine Unparteilichkeit aufgegeben hatte, wurde täglich unhaltbarer; das Poſſenſpiel des Congreſſes drängte zum Ende. Vier Tage vor Ab- lauf der Waffenruhe wendete ſich Napoleon noch einmal mit einer ver- traulichen Anfrage an Oeſterreich allein — offenbar nur um nachher der friedensluſtigen franzöſiſchen Nation ſeine Verſöhnlichkeit beweiſen zu können. Als Metternich darauf ein Ultimatum ſtellte, das die Reichenbacher Vor- ſchläge in etwas ſchärferer Faſſung wiederholte, gab der Imperator eine im Weſentlichen ablehnende Antwort und ließ dieſe abſichtlich zu ſpät von Dresden abgehen, ſo daß ſie erſt am 11. Auguſt in Prag eintreffen konnte. Der Waffenſtillſtand war abgelaufen ohne daß Frankreich die Friedens- bedingungen angenommen hatte. Mit dem letzten Glockenſchlage des 10. Auguſt erklärten Humboldt und Anſtett, ihre Vollmacht ſei erloſchen, der Congreß beendigt. Die Verpflichtungen von Reichenbach traten nunmehr in Kraft, der Trotz Napoleons hatte Oeſterreich in das Lager der Coali- tion getrieben.
Jener große europäiſche Bund, woran die Staatsmänner ſeit acht- zehn Jahren immer vergeblich gearbeitet, jetzt ſtand er endlich in Waffen: alle die vier alten Großmächte, mit ihnen Schweden und demnächſt auch die wiederbefreiten Staaten der iberiſchen Halbinſel. Und diesmal führte nicht das Ungefähr diplomatiſcher Verwickelungen die Höfe zuſammen, ſondern eine hohe Nothwendigkeit: es galt, die Freiheit der Welt, das lebendige Nebeneinander der Nationen, worauf die Größe der abendlän- diſchen Geſittung beruht, wiederherzuſtellen. Wohl traten mit England und Oeſterreich zwei Mächte in das Bündniß ein, denen jedes Verſtänd- niß abging für die Sehnſucht des norddeutſchen Volkes. Sonderbar genug ſtach die gewundene Sprache des öſterreichiſchen Kriegsmanifeſtes von dem herzerwärmenden ehrlichen Tone der preußiſchen Aufrufe ab. Wie war
erhellt aus einer Note Metternichs an Caſtlereagh, Paris 27. Mai 1814, welche Farini (Storia d’Italia dall’ anno 1814. I. 27) im Turiner Hausarchive gefunden hat. Vieles an dem Hergang erſcheint noch räthſelhaft.
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zu verdrängen; eine italieniſche Nation wollten die Torys nicht anerkennen,
auch über die Anſprüche des Papſtes ging man gleichmüthig hinweg. Das
Abkommen blieb tief geheim, da Rußland, der alte Gönner Piemonts,
unter Kaiſer Paul die italieniſchen Pläne Oeſterreichs lebhaft bekämpft
hatte. Von Preußen ſtand freilich kein Einſpruch zu erwarten. Daß die
Hofburg die alten Thugut’ſchen Projecte wieder aufnehmen würde, galt dem
Staatskanzler von vornherein als ſelbſtverſtändlich. Er hat ſogar Oeſter-
reich aufgefordert, die Italiener zum Freiheitskampfe aufzubieten; in Kne-
ſebecks Denkſchriften hieß es kurzab: „was Oeſterreich in Italien verlangt
liegt ja in der Natur der Dinge.“
Die Stellung des Mediators, der alſo bereits durch zwei geheime
Verträge ſeine Unparteilichkeit aufgegeben hatte, wurde täglich unhaltbarer;
das Poſſenſpiel des Congreſſes drängte zum Ende. Vier Tage vor Ab-
lauf der Waffenruhe wendete ſich Napoleon noch einmal mit einer ver-
traulichen Anfrage an Oeſterreich allein — offenbar nur um nachher der
friedensluſtigen franzöſiſchen Nation ſeine Verſöhnlichkeit beweiſen zu können.
Als Metternich darauf ein Ultimatum ſtellte, das die Reichenbacher Vor-
ſchläge in etwas ſchärferer Faſſung wiederholte, gab der Imperator eine
im Weſentlichen ablehnende Antwort und ließ dieſe abſichtlich zu ſpät von
Dresden abgehen, ſo daß ſie erſt am 11. Auguſt in Prag eintreffen konnte.
Der Waffenſtillſtand war abgelaufen ohne daß Frankreich die Friedens-
bedingungen angenommen hatte. Mit dem letzten Glockenſchlage des 10.
Auguſt erklärten Humboldt und Anſtett, ihre Vollmacht ſei erloſchen, der
Congreß beendigt. Die Verpflichtungen von Reichenbach traten nunmehr
in Kraft, der Trotz Napoleons hatte Oeſterreich in das Lager der Coali-
tion getrieben.
Jener große europäiſche Bund, woran die Staatsmänner ſeit acht-
zehn Jahren immer vergeblich gearbeitet, jetzt ſtand er endlich in Waffen:
alle die vier alten Großmächte, mit ihnen Schweden und demnächſt auch
die wiederbefreiten Staaten der iberiſchen Halbinſel. Und diesmal führte
nicht das Ungefähr diplomatiſcher Verwickelungen die Höfe zuſammen,
ſondern eine hohe Nothwendigkeit: es galt, die Freiheit der Welt, das
lebendige Nebeneinander der Nationen, worauf die Größe der abendlän-
diſchen Geſittung beruht, wiederherzuſtellen. Wohl traten mit England
und Oeſterreich zwei Mächte in das Bündniß ein, denen jedes Verſtänd-
niß abging für die Sehnſucht des norddeutſchen Volkes. Sonderbar genug
ſtach die gewundene Sprache des öſterreichiſchen Kriegsmanifeſtes von dem
herzerwärmenden ehrlichen Tone der preußiſchen Aufrufe ab. Wie war
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*) erhellt aus einer Note Metternichs an Caſtlereagh, Paris 27. Mai 1814, welche Farini
(Storia d’Italia dall’ anno 1814. I. 27) im Turiner Hausarchive gefunden hat. Vieles
an dem Hergang erſcheint noch räthſelhaft.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/484>, abgerufen am 23.11.2024.
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