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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.

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Schlacht von Bautzen.
zwingen. Während nun die Russen ihre wohlgesicherte Linke noch mehr
verstärkten, warf sich Napoleon am zweiten Schlachttage mit Macht auf
den schwachen rechten Flügel unter Barclay de Tolly, schlug ihn gänz-
lich und drang dann gegen die Kreckwitzer Höhen vor, welche Blücher mit
dem Centrum hielt. Nach langem mörderischen Kampfe war auch diese
Position fast umgangen, die Linien der Verbündeten bildeten bereits einen
weit zurückgebogenen Haken. Da erkannte Knesebeck die Gefahr einer
völligen Niederlage; er bestand darauf, daß die Schlacht abgebrochen
wurde und rettete also das Heer. Gegen drei Uhr trat Blücher in muster-
hafter Ordnung den Rückzug an, und als der Abend hereinbrach, hatte
der Sieger durch die blutige Arbeit zweier Tage nichts weiter gewonnen
als den Besitz des Schlachtfeldes. "Was? -- rief er grimmig -- kein
Ergebniß, keine Trophäen, keine Gefangene nach einer solchen Schläch-
terei?" 40,000 Mann waren gefallen, davon 25,000 Franzosen; die
Flammen der brennenden Dörfer ringsum beleuchteten die gräßliche
Wahlstatt.

Sofort nach dem unfruchtbaren Siege nahm Napoleon seine alten
Pläne wieder auf und entsendete Oudinots Corps gegen Berlin; der
aber wurde von Bülow und Oppen nach einem wüthenden Kampfe in
der brennenden Vorstadt von Luckau zurückgeworfen (4. Juni). Es
war das erste jener vier blutigen Treffen und Schlachten, wodurch
Preußen sich in diesem Sommer den Besitz seiner Hauptstadt sicherte.
In denselben Tagen jedoch ging das befreite Hamburg wieder an die
Franzosen verloren. Die unkriegerischen Gewohnheiten der reichen Han-
delsstadt rächten sich in der Zeit der Noth. Der schwerfällig bedachtsame
Senat wußte nichts anzufangen mit dem tapferen Bürger Mettlerkamp
und den vielen anderen wackeren Patrioten, die sich zur Vertheidigung
der Vaterstadt erboten. Tettenborns Leichtsinn hatte für die Sicherung
des gefährdeten Platzes wenig gethan; Bernadotte wollte, da er in Pom-
mern das versprochene russische Hilfscorps nicht vorfand, seine kleine
schwedische Armee nicht auf das Spiel setzen und unterließ jeden Entsatz-
versuch. Schon am 30. Mai konnte Davoust in die rebellische gute Stadt
des Kaiserreichs wieder einziehen. Eine Schreckensherrschaft brach herein,
wie der deutsche Boden sie noch nie gesehen; Standgerichte und Brand-
schatzungen zeigten den deutschen Bürgern was es heiße, dem Kaiser der
Franzosen den Gehorsam aufzusagen. Der offene Platz wurde rasch mit
Festungswerken umgeben, wobei die unglücklichen Bewohner selber schanzen
mußten, und durch die Vertreibung von 25,000 armen Leuten für eine
lange Vertheidigung eingerichtet. Die feste Elblinie von Dresden bis zur
See war wieder in Frankreichs Händen.

In einem Kriegsrathe der Monarchen zu Lauban vertrat Harden-
berg, unterstützt von den preußischen Generalen, die Ansicht, daß die
alliirte Armee, statt gradeswegs nach Osten zurückzugehen, vielmehr süd-

Schlacht von Bautzen.
zwingen. Während nun die Ruſſen ihre wohlgeſicherte Linke noch mehr
verſtärkten, warf ſich Napoleon am zweiten Schlachttage mit Macht auf
den ſchwachen rechten Flügel unter Barclay de Tolly, ſchlug ihn gänz-
lich und drang dann gegen die Kreckwitzer Höhen vor, welche Blücher mit
dem Centrum hielt. Nach langem mörderiſchen Kampfe war auch dieſe
Poſition faſt umgangen, die Linien der Verbündeten bildeten bereits einen
weit zurückgebogenen Haken. Da erkannte Kneſebeck die Gefahr einer
völligen Niederlage; er beſtand darauf, daß die Schlacht abgebrochen
wurde und rettete alſo das Heer. Gegen drei Uhr trat Blücher in muſter-
hafter Ordnung den Rückzug an, und als der Abend hereinbrach, hatte
der Sieger durch die blutige Arbeit zweier Tage nichts weiter gewonnen
als den Beſitz des Schlachtfeldes. „Was? — rief er grimmig — kein
Ergebniß, keine Trophäen, keine Gefangene nach einer ſolchen Schläch-
terei?“ 40,000 Mann waren gefallen, davon 25,000 Franzoſen; die
Flammen der brennenden Dörfer ringsum beleuchteten die gräßliche
Wahlſtatt.

Sofort nach dem unfruchtbaren Siege nahm Napoleon ſeine alten
Pläne wieder auf und entſendete Oudinots Corps gegen Berlin; der
aber wurde von Bülow und Oppen nach einem wüthenden Kampfe in
der brennenden Vorſtadt von Luckau zurückgeworfen (4. Juni). Es
war das erſte jener vier blutigen Treffen und Schlachten, wodurch
Preußen ſich in dieſem Sommer den Beſitz ſeiner Hauptſtadt ſicherte.
In denſelben Tagen jedoch ging das befreite Hamburg wieder an die
Franzoſen verloren. Die unkriegeriſchen Gewohnheiten der reichen Han-
delsſtadt rächten ſich in der Zeit der Noth. Der ſchwerfällig bedachtſame
Senat wußte nichts anzufangen mit dem tapferen Bürger Mettlerkamp
und den vielen anderen wackeren Patrioten, die ſich zur Vertheidigung
der Vaterſtadt erboten. Tettenborns Leichtſinn hatte für die Sicherung
des gefährdeten Platzes wenig gethan; Bernadotte wollte, da er in Pom-
mern das verſprochene ruſſiſche Hilfscorps nicht vorfand, ſeine kleine
ſchwediſche Armee nicht auf das Spiel ſetzen und unterließ jeden Entſatz-
verſuch. Schon am 30. Mai konnte Davouſt in die rebelliſche gute Stadt
des Kaiſerreichs wieder einziehen. Eine Schreckensherrſchaft brach herein,
wie der deutſche Boden ſie noch nie geſehen; Standgerichte und Brand-
ſchatzungen zeigten den deutſchen Bürgern was es heiße, dem Kaiſer der
Franzoſen den Gehorſam aufzuſagen. Der offene Platz wurde raſch mit
Feſtungswerken umgeben, wobei die unglücklichen Bewohner ſelber ſchanzen
mußten, und durch die Vertreibung von 25,000 armen Leuten für eine
lange Vertheidigung eingerichtet. Die feſte Elblinie von Dresden bis zur
See war wieder in Frankreichs Händen.

In einem Kriegsrathe der Monarchen zu Lauban vertrat Harden-
berg, unterſtützt von den preußiſchen Generalen, die Anſicht, daß die
alliirte Armee, ſtatt gradeswegs nach Oſten zurückzugehen, vielmehr ſüd-

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[459/0475] Schlacht von Bautzen. zwingen. Während nun die Ruſſen ihre wohlgeſicherte Linke noch mehr verſtärkten, warf ſich Napoleon am zweiten Schlachttage mit Macht auf den ſchwachen rechten Flügel unter Barclay de Tolly, ſchlug ihn gänz- lich und drang dann gegen die Kreckwitzer Höhen vor, welche Blücher mit dem Centrum hielt. Nach langem mörderiſchen Kampfe war auch dieſe Poſition faſt umgangen, die Linien der Verbündeten bildeten bereits einen weit zurückgebogenen Haken. Da erkannte Kneſebeck die Gefahr einer völligen Niederlage; er beſtand darauf, daß die Schlacht abgebrochen wurde und rettete alſo das Heer. Gegen drei Uhr trat Blücher in muſter- hafter Ordnung den Rückzug an, und als der Abend hereinbrach, hatte der Sieger durch die blutige Arbeit zweier Tage nichts weiter gewonnen als den Beſitz des Schlachtfeldes. „Was? — rief er grimmig — kein Ergebniß, keine Trophäen, keine Gefangene nach einer ſolchen Schläch- terei?“ 40,000 Mann waren gefallen, davon 25,000 Franzoſen; die Flammen der brennenden Dörfer ringsum beleuchteten die gräßliche Wahlſtatt. Sofort nach dem unfruchtbaren Siege nahm Napoleon ſeine alten Pläne wieder auf und entſendete Oudinots Corps gegen Berlin; der aber wurde von Bülow und Oppen nach einem wüthenden Kampfe in der brennenden Vorſtadt von Luckau zurückgeworfen (4. Juni). Es war das erſte jener vier blutigen Treffen und Schlachten, wodurch Preußen ſich in dieſem Sommer den Beſitz ſeiner Hauptſtadt ſicherte. In denſelben Tagen jedoch ging das befreite Hamburg wieder an die Franzoſen verloren. Die unkriegeriſchen Gewohnheiten der reichen Han- delsſtadt rächten ſich in der Zeit der Noth. Der ſchwerfällig bedachtſame Senat wußte nichts anzufangen mit dem tapferen Bürger Mettlerkamp und den vielen anderen wackeren Patrioten, die ſich zur Vertheidigung der Vaterſtadt erboten. Tettenborns Leichtſinn hatte für die Sicherung des gefährdeten Platzes wenig gethan; Bernadotte wollte, da er in Pom- mern das verſprochene ruſſiſche Hilfscorps nicht vorfand, ſeine kleine ſchwediſche Armee nicht auf das Spiel ſetzen und unterließ jeden Entſatz- verſuch. Schon am 30. Mai konnte Davouſt in die rebelliſche gute Stadt des Kaiſerreichs wieder einziehen. Eine Schreckensherrſchaft brach herein, wie der deutſche Boden ſie noch nie geſehen; Standgerichte und Brand- ſchatzungen zeigten den deutſchen Bürgern was es heiße, dem Kaiſer der Franzoſen den Gehorſam aufzuſagen. Der offene Platz wurde raſch mit Feſtungswerken umgeben, wobei die unglücklichen Bewohner ſelber ſchanzen mußten, und durch die Vertreibung von 25,000 armen Leuten für eine lange Vertheidigung eingerichtet. Die feſte Elblinie von Dresden bis zur See war wieder in Frankreichs Händen. In einem Kriegsrathe der Monarchen zu Lauban vertrat Harden- berg, unterſtützt von den preußiſchen Generalen, die Anſicht, daß die alliirte Armee, ſtatt gradeswegs nach Oſten zurückzugehen, vielmehr ſüd-

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/475>, abgerufen am 22.11.2024.