fliegende Corps, das der Heißsporn Karl von Nostitz durch Franken gegen die Flanke des Feindes führte; die Nürnberger Reichsstädter rissen jubelnd die bairischen Wappen von den Thoren als die Freischaar nahte. Von Böhmen aus begann der Sohn des unglücklichen Feldherrn von Auer- städt, Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig, den Parteigängerkrieg gegen die sächsischen Lande -- ein echter Welf, tapfer, hart und herrisch; Viele der Besten aus der norddeutschen Jugend drängten sich zu den Fahnen seiner schwarzen Schaar. Im Königreich Westphalen wurde zwei- mal, von den kurhessischen Offizieren Dörnberg und Emmerich, eine Schilderhebung gewagt und blutig niedergeschlagen; gegen das feste Magde- burg versuchte der preußische Leutnant Katt vergeblich eine Ueberrum- pelung.
Unter den Patrioten im preußischen Heere und Beamtenthum war nur eine Stimme; Alle dachten wie der alte Blücher: warum die Preußen es nicht den Tyrolern und den Spaniern gleich thun sollten? -- "trage Fesseln wer will, ich nicht." Manche der entlassenen Offiziere fochten bereits in den Reihen der österreichischen Armee. Die Stimmung der preußischen Truppen war so offenkundig, daß Napoleon gar nicht wagte den König an die Stellung des versprochenen Hilfscorps zu erinnern; ihm graute vor solchen Bundesgenossen. So stürmisch flammte die Unge- duld, daß jetzt zum ersten male in der ehrenreichen Geschichte des preußi- schen Heeres ein Treubruch möglich wurde -- ein Treubruch freilich, der nur den edlen Zweck verfolgte "dem geliebten Könige sein letztes Dorf zurückzugeben". Major Schill, der Held von Colberg, wie ihn der große Haufe nannte, war von dem Könige für seine wackere Haltung während des letzten Krieges dadurch belohnt worden, daß er zuerst nach dem Ab- zuge der Franzosen in die befreite Hauptstadt einrücken durfte. Seine Soldaten hingen an ihm mit unbegrenztem Vertrauen; die Berliner Bür- ger trugen ihn auf den Händen, und da die Masse an Ideen erst glaubt wenn sie in einem Manne Fleisch und Blut gewinnen, so galt der tapfere Husar bald als der leibhaftige Vertreter des alten kriegerischen Preußen- thums. Unzählige hofften von ihm die Wiederkehr der alten Größe; man rauchte Schill-Kanaster, in jedem Bauernhause der Marken prangte das Bild mit dem martialischen Schnurrbart und Fouques Versen darunter. Die Volksgunst stieg dem ehrlichen Haudegen zu Kopfe; der Bescheidene wähnte sich jetzt auserkoren zu wunderbaren Dingen, und kaum war der Krieg im Süden ausgebrochen, so führte er seine kleine Truppe, wenige hundert Mann, von dem Berliner Exercirplatze hinweg zum Angriff gegen das Königreich Westphalen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende! -- rief er den unglücklichen Verführten zu. Die treuen Männer folgten ihm nur weil er im Auftrag der Krone zu handeln vorgab und sich vermaß, die alte Größe Preußens wiederherzustellen. Bald nach dem Ausmarsch ereilte ihn die Nachricht von den Niederlagen
Schill.
fliegende Corps, das der Heißſporn Karl von Noſtitz durch Franken gegen die Flanke des Feindes führte; die Nürnberger Reichsſtädter riſſen jubelnd die bairiſchen Wappen von den Thoren als die Freiſchaar nahte. Von Böhmen aus begann der Sohn des unglücklichen Feldherrn von Auer- ſtädt, Herzog Friedrich Wilhelm von Braunſchweig, den Parteigängerkrieg gegen die ſächſiſchen Lande — ein echter Welf, tapfer, hart und herriſch; Viele der Beſten aus der norddeutſchen Jugend drängten ſich zu den Fahnen ſeiner ſchwarzen Schaar. Im Königreich Weſtphalen wurde zwei- mal, von den kurheſſiſchen Offizieren Dörnberg und Emmerich, eine Schilderhebung gewagt und blutig niedergeſchlagen; gegen das feſte Magde- burg verſuchte der preußiſche Leutnant Katt vergeblich eine Ueberrum- pelung.
Unter den Patrioten im preußiſchen Heere und Beamtenthum war nur eine Stimme; Alle dachten wie der alte Blücher: warum die Preußen es nicht den Tyrolern und den Spaniern gleich thun ſollten? — „trage Feſſeln wer will, ich nicht.“ Manche der entlaſſenen Offiziere fochten bereits in den Reihen der öſterreichiſchen Armee. Die Stimmung der preußiſchen Truppen war ſo offenkundig, daß Napoleon gar nicht wagte den König an die Stellung des verſprochenen Hilfscorps zu erinnern; ihm graute vor ſolchen Bundesgenoſſen. So ſtürmiſch flammte die Unge- duld, daß jetzt zum erſten male in der ehrenreichen Geſchichte des preußi- ſchen Heeres ein Treubruch möglich wurde — ein Treubruch freilich, der nur den edlen Zweck verfolgte „dem geliebten Könige ſein letztes Dorf zurückzugeben“. Major Schill, der Held von Colberg, wie ihn der große Haufe nannte, war von dem Könige für ſeine wackere Haltung während des letzten Krieges dadurch belohnt worden, daß er zuerſt nach dem Ab- zuge der Franzoſen in die befreite Hauptſtadt einrücken durfte. Seine Soldaten hingen an ihm mit unbegrenztem Vertrauen; die Berliner Bür- ger trugen ihn auf den Händen, und da die Maſſe an Ideen erſt glaubt wenn ſie in einem Manne Fleiſch und Blut gewinnen, ſo galt der tapfere Huſar bald als der leibhaftige Vertreter des alten kriegeriſchen Preußen- thums. Unzählige hofften von ihm die Wiederkehr der alten Größe; man rauchte Schill-Kanaſter, in jedem Bauernhauſe der Marken prangte das Bild mit dem martialiſchen Schnurrbart und Fouqués Verſen darunter. Die Volksgunſt ſtieg dem ehrlichen Haudegen zu Kopfe; der Beſcheidene wähnte ſich jetzt auserkoren zu wunderbaren Dingen, und kaum war der Krieg im Süden ausgebrochen, ſo führte er ſeine kleine Truppe, wenige hundert Mann, von dem Berliner Exercirplatze hinweg zum Angriff gegen das Königreich Weſtphalen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende! — rief er den unglücklichen Verführten zu. Die treuen Männer folgten ihm nur weil er im Auftrag der Krone zu handeln vorgab und ſich vermaß, die alte Größe Preußens wiederherzuſtellen. Bald nach dem Ausmarſch ereilte ihn die Nachricht von den Niederlagen
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Schill.
fliegende Corps, das der Heißſporn Karl von Noſtitz durch Franken gegen
die Flanke des Feindes führte; die Nürnberger Reichsſtädter riſſen jubelnd
die bairiſchen Wappen von den Thoren als die Freiſchaar nahte. Von
Böhmen aus begann der Sohn des unglücklichen Feldherrn von Auer-
ſtädt, Herzog Friedrich Wilhelm von Braunſchweig, den Parteigängerkrieg
gegen die ſächſiſchen Lande — ein echter Welf, tapfer, hart und herriſch;
Viele der Beſten aus der norddeutſchen Jugend drängten ſich zu den
Fahnen ſeiner ſchwarzen Schaar. Im Königreich Weſtphalen wurde zwei-
mal, von den kurheſſiſchen Offizieren Dörnberg und Emmerich, eine
Schilderhebung gewagt und blutig niedergeſchlagen; gegen das feſte Magde-
burg verſuchte der preußiſche Leutnant Katt vergeblich eine Ueberrum-
pelung.
Unter den Patrioten im preußiſchen Heere und Beamtenthum war
nur eine Stimme; Alle dachten wie der alte Blücher: warum die Preußen
es nicht den Tyrolern und den Spaniern gleich thun ſollten? — „trage
Feſſeln wer will, ich nicht.“ Manche der entlaſſenen Offiziere fochten
bereits in den Reihen der öſterreichiſchen Armee. Die Stimmung der
preußiſchen Truppen war ſo offenkundig, daß Napoleon gar nicht wagte
den König an die Stellung des verſprochenen Hilfscorps zu erinnern;
ihm graute vor ſolchen Bundesgenoſſen. So ſtürmiſch flammte die Unge-
duld, daß jetzt zum erſten male in der ehrenreichen Geſchichte des preußi-
ſchen Heeres ein Treubruch möglich wurde — ein Treubruch freilich, der
nur den edlen Zweck verfolgte „dem geliebten Könige ſein letztes Dorf
zurückzugeben“. Major Schill, der Held von Colberg, wie ihn der große
Haufe nannte, war von dem Könige für ſeine wackere Haltung während
des letzten Krieges dadurch belohnt worden, daß er zuerſt nach dem Ab-
zuge der Franzoſen in die befreite Hauptſtadt einrücken durfte. Seine
Soldaten hingen an ihm mit unbegrenztem Vertrauen; die Berliner Bür-
ger trugen ihn auf den Händen, und da die Maſſe an Ideen erſt glaubt
wenn ſie in einem Manne Fleiſch und Blut gewinnen, ſo galt der tapfere
Huſar bald als der leibhaftige Vertreter des alten kriegeriſchen Preußen-
thums. Unzählige hofften von ihm die Wiederkehr der alten Größe; man
rauchte Schill-Kanaſter, in jedem Bauernhauſe der Marken prangte das
Bild mit dem martialiſchen Schnurrbart und Fouqués Verſen darunter.
Die Volksgunſt ſtieg dem ehrlichen Haudegen zu Kopfe; der Beſcheidene
wähnte ſich jetzt auserkoren zu wunderbaren Dingen, und kaum war der
Krieg im Süden ausgebrochen, ſo führte er ſeine kleine Truppe, wenige
hundert Mann, von dem Berliner Exercirplatze hinweg zum Angriff gegen
das Königreich Weſtphalen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken
ohne Ende! — rief er den unglücklichen Verführten zu. Die treuen
Männer folgten ihm nur weil er im Auftrag der Krone zu handeln
vorgab und ſich vermaß, die alte Größe Preußens wiederherzuſtellen.
Bald nach dem Ausmarſch ereilte ihn die Nachricht von den Niederlagen
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/359>, abgerufen am 22.11.2024.
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