Hofburg geschehen, daß die preußische Kriegspartei unter der Hand mit öster- reichischen Diplomaten in Verbindung trat. In Teplitz fand sich ein Kreis österreichischer und norddeutscher Patrioten zusammen; Graf Goetzen in Schlesien und die hannoverschen Diplomaten Hardenberg und Ompteda entfalteten eine emsige geheime Thätigkeit. So gering das augenblickliche Ergebniß blieb, mit diesen vertraulichen Verhandlungen des Sommers 1808 begann doch die Wiederversöhnung der beiden Großmächte. Man erkannte mindestens, daß eine Verständigung möglich sei; die Gedanken des Bartensteiner Vertrags gewannen einigen Boden.
Der König stand mit seinem Herzen auf der Seite des Ministers, er nannte die Freunde Steins und Scharnhorsts kurzweg die gute Partei; auch in seinen Augen war der Tilsiter Friede nur ein Waffenstillstand. Doch er verhehlte der Kriegspartei nicht, daß er nur im Bunde mit Rußland die Waffen wieder aufnehmen werde. Selbst der Tilsiter Treu- bruch beirrte ihn nicht in seinem Vertrauen zu dem Czaren, denn er wußte, wie wenig Alexander gemeint war für immer bei dem französischen Bündniß zu verbleiben. Seine alte Ansicht, daß allein noch eine Coalition des gesammten Europas der napoleonischen Uebermacht gewachsen sei, war durch die schrecklichen Erfahrungen der jüngsten Jahre nur befestigt wor- den. Die sittliche Größe der nationalen Monarchie, der Weitblick und das Pflichtgefühl des echten Königthums hat sich selten so schön bewährt, wie damals, da Friedrich Wilhelm schweigend ertrug, daß ihn die Be- sten seines Volkes grausam verkannten. Der Bescheidene empfand nur zu lebhaft, wie wenig er sich mit dem Genie Steins oder Scharnhorsts vergleichen konnte; gleichwohl beurtheilte er die europäische Lage klarer, richtiger als sie Alle -- weil er der König war, weil er sich eins fühlte mit dem Staate, weil das Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit vor Gott und Menschen ihm auf der Haut brannte. Die Stimmungen der Kriegs- partei hat Heinrich Kleist mit der naiven Wahrhaftigkeit des Dichters aus- gesprochen in den Versen:
Nicht der Sieg ists, den der Deutsche fodert, hilflos wie er schon am Abgrund steht. Wenn der Krieg nur fackelgleich entlodert, werth der Leiche, die zu Grabe geht!
Unwillkürlich wendet sich die Liebe der Nachwelt jenen Hochherzigen zu, die also dachten, die mit kaum fünf Millionen Menschen den Kampf gegen das neue Karolingerreich wagen und, mußte es sein, sich unter den Trümmern des Staates begraben wollten. Gleichwohl war was sie riethen eine Politik der Verzweiflung. Wenn der König den leidenschaft- lich Erregten immer wiederholte, er werde das Schicksal der spanischen Bourbonen nicht über sich ergehen lassen, eine kleine politische Existenz sei immer noch besser als gar keine, so wollte er damit keineswegs sagen, daß er sich von dem Glanze des Thrones nicht zu trennen vermöge. Nach
Kriegspläne von 1808.
Hofburg geſchehen, daß die preußiſche Kriegspartei unter der Hand mit öſter- reichiſchen Diplomaten in Verbindung trat. In Teplitz fand ſich ein Kreis öſterreichiſcher und norddeutſcher Patrioten zuſammen; Graf Goetzen in Schleſien und die hannoverſchen Diplomaten Hardenberg und Ompteda entfalteten eine emſige geheime Thätigkeit. So gering das augenblickliche Ergebniß blieb, mit dieſen vertraulichen Verhandlungen des Sommers 1808 begann doch die Wiederverſöhnung der beiden Großmächte. Man erkannte mindeſtens, daß eine Verſtändigung möglich ſei; die Gedanken des Bartenſteiner Vertrags gewannen einigen Boden.
Der König ſtand mit ſeinem Herzen auf der Seite des Miniſters, er nannte die Freunde Steins und Scharnhorſts kurzweg die gute Partei; auch in ſeinen Augen war der Tilſiter Friede nur ein Waffenſtillſtand. Doch er verhehlte der Kriegspartei nicht, daß er nur im Bunde mit Rußland die Waffen wieder aufnehmen werde. Selbſt der Tilſiter Treu- bruch beirrte ihn nicht in ſeinem Vertrauen zu dem Czaren, denn er wußte, wie wenig Alexander gemeint war für immer bei dem franzöſiſchen Bündniß zu verbleiben. Seine alte Anſicht, daß allein noch eine Coalition des geſammten Europas der napoleoniſchen Uebermacht gewachſen ſei, war durch die ſchrecklichen Erfahrungen der jüngſten Jahre nur befeſtigt wor- den. Die ſittliche Größe der nationalen Monarchie, der Weitblick und das Pflichtgefühl des echten Königthums hat ſich ſelten ſo ſchön bewährt, wie damals, da Friedrich Wilhelm ſchweigend ertrug, daß ihn die Be- ſten ſeines Volkes grauſam verkannten. Der Beſcheidene empfand nur zu lebhaft, wie wenig er ſich mit dem Genie Steins oder Scharnhorſts vergleichen konnte; gleichwohl beurtheilte er die europäiſche Lage klarer, richtiger als ſie Alle — weil er der König war, weil er ſich eins fühlte mit dem Staate, weil das Bewußtſein ſeiner Verantwortlichkeit vor Gott und Menſchen ihm auf der Haut brannte. Die Stimmungen der Kriegs- partei hat Heinrich Kleiſt mit der naiven Wahrhaftigkeit des Dichters aus- geſprochen in den Verſen:
Nicht der Sieg iſts, den der Deutſche fodert, hilflos wie er ſchon am Abgrund ſteht. Wenn der Krieg nur fackelgleich entlodert, werth der Leiche, die zu Grabe geht!
Unwillkürlich wendet ſich die Liebe der Nachwelt jenen Hochherzigen zu, die alſo dachten, die mit kaum fünf Millionen Menſchen den Kampf gegen das neue Karolingerreich wagen und, mußte es ſein, ſich unter den Trümmern des Staates begraben wollten. Gleichwohl war was ſie riethen eine Politik der Verzweiflung. Wenn der König den leidenſchaft- lich Erregten immer wiederholte, er werde das Schickſal der ſpaniſchen Bourbonen nicht über ſich ergehen laſſen, eine kleine politiſche Exiſtenz ſei immer noch beſſer als gar keine, ſo wollte er damit keineswegs ſagen, daß er ſich von dem Glanze des Thrones nicht zu trennen vermöge. Nach
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Kriegspläne von 1808.
Hofburg geſchehen, daß die preußiſche Kriegspartei unter der Hand mit öſter-
reichiſchen Diplomaten in Verbindung trat. In Teplitz fand ſich ein Kreis
öſterreichiſcher und norddeutſcher Patrioten zuſammen; Graf Goetzen in
Schleſien und die hannoverſchen Diplomaten Hardenberg und Ompteda
entfalteten eine emſige geheime Thätigkeit. So gering das augenblickliche
Ergebniß blieb, mit dieſen vertraulichen Verhandlungen des Sommers
1808 begann doch die Wiederverſöhnung der beiden Großmächte. Man
erkannte mindeſtens, daß eine Verſtändigung möglich ſei; die Gedanken
des Bartenſteiner Vertrags gewannen einigen Boden.
Der König ſtand mit ſeinem Herzen auf der Seite des Miniſters,
er nannte die Freunde Steins und Scharnhorſts kurzweg die gute Partei;
auch in ſeinen Augen war der Tilſiter Friede nur ein Waffenſtillſtand.
Doch er verhehlte der Kriegspartei nicht, daß er nur im Bunde mit
Rußland die Waffen wieder aufnehmen werde. Selbſt der Tilſiter Treu-
bruch beirrte ihn nicht in ſeinem Vertrauen zu dem Czaren, denn er
wußte, wie wenig Alexander gemeint war für immer bei dem franzöſiſchen
Bündniß zu verbleiben. Seine alte Anſicht, daß allein noch eine Coalition
des geſammten Europas der napoleoniſchen Uebermacht gewachſen ſei, war
durch die ſchrecklichen Erfahrungen der jüngſten Jahre nur befeſtigt wor-
den. Die ſittliche Größe der nationalen Monarchie, der Weitblick und
das Pflichtgefühl des echten Königthums hat ſich ſelten ſo ſchön bewährt,
wie damals, da Friedrich Wilhelm ſchweigend ertrug, daß ihn die Be-
ſten ſeines Volkes grauſam verkannten. Der Beſcheidene empfand nur
zu lebhaft, wie wenig er ſich mit dem Genie Steins oder Scharnhorſts
vergleichen konnte; gleichwohl beurtheilte er die europäiſche Lage klarer,
richtiger als ſie Alle — weil er der König war, weil er ſich eins fühlte
mit dem Staate, weil das Bewußtſein ſeiner Verantwortlichkeit vor Gott
und Menſchen ihm auf der Haut brannte. Die Stimmungen der Kriegs-
partei hat Heinrich Kleiſt mit der naiven Wahrhaftigkeit des Dichters aus-
geſprochen in den Verſen:
Nicht der Sieg iſts, den der Deutſche fodert,
hilflos wie er ſchon am Abgrund ſteht.
Wenn der Krieg nur fackelgleich entlodert,
werth der Leiche, die zu Grabe geht!
Unwillkürlich wendet ſich die Liebe der Nachwelt jenen Hochherzigen
zu, die alſo dachten, die mit kaum fünf Millionen Menſchen den Kampf
gegen das neue Karolingerreich wagen und, mußte es ſein, ſich unter
den Trümmern des Staates begraben wollten. Gleichwohl war was ſie
riethen eine Politik der Verzweiflung. Wenn der König den leidenſchaft-
lich Erregten immer wiederholte, er werde das Schickſal der ſpaniſchen
Bourbonen nicht über ſich ergehen laſſen, eine kleine politiſche Exiſtenz
ſei immer noch beſſer als gar keine, ſo wollte er damit keineswegs ſagen,
daß er ſich von dem Glanze des Thrones nicht zu trennen vermöge. Nach
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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