Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Nacht etwas zustoßen sollte, ich will mit offenen Augen schlafen. Sei außer Sorge, bin gesund, wohlauf, lustig. -- Das Mädchen küßte seine Hand und entfernte sich. Er ging mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder und redete mit sich selber: Jetzt ist er schon todt. Was hätte es auch genützt, wenn ich mich auf den Weg gemacht hätte. Aber morgen, wenn man erfährt, daß ich nicht zu ihm kam. -- Pah! ich schütze Unpäßlichkeit vor. Mir glaubt man. -- Vom Winde getriebene Schneewolken stießen klirrend an die Fensterscheiben. -- Ich bin auch krank, zittere am ganzen Leibe, ins Bett, ins Bett! -- Er ging in sein Schlafzimmer, entkleidete sich, blies das Licht aus und vergrub sich in Polster und Decken. Anfangs hatte er ein Gefühl, als müsse er gleich einschlafen -- da krachte es draußen im Speisezimmer -- er fuhr auf, horchte -- Alles blieb stille. -- Es war nichts Anderes als das Knacken der Dielen und Möbel eines erwärmten Zimmers, das sonst nicht geheizt zu werden pflegt. Er legte sich wieder nieder. Er belächelt sein voriges Erschrecken. Von Neuem dasselbe Geräusch. Er fährt wieder auf. Stille. Weiter nichts als die Möbel, denkt er sich, und nun erhebe ich meinen Kopf nicht wieder. Da trabt es auf dem Gange. Der Pfarrer erschrickt -- horcht -- die Katze ist's. Das kleine Haus zittert, denn der Sturm heult fürchterlich. Die Gläser auf dem Tische klirren, der Pfarrer erkennt gleich den Klang und fürchtet sich nicht. Nacht etwas zustoßen sollte, ich will mit offenen Augen schlafen. Sei außer Sorge, bin gesund, wohlauf, lustig. — Das Mädchen küßte seine Hand und entfernte sich. Er ging mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder und redete mit sich selber: Jetzt ist er schon todt. Was hätte es auch genützt, wenn ich mich auf den Weg gemacht hätte. Aber morgen, wenn man erfährt, daß ich nicht zu ihm kam. — Pah! ich schütze Unpäßlichkeit vor. Mir glaubt man. — Vom Winde getriebene Schneewolken stießen klirrend an die Fensterscheiben. — Ich bin auch krank, zittere am ganzen Leibe, ins Bett, ins Bett! — Er ging in sein Schlafzimmer, entkleidete sich, blies das Licht aus und vergrub sich in Polster und Decken. Anfangs hatte er ein Gefühl, als müsse er gleich einschlafen — da krachte es draußen im Speisezimmer — er fuhr auf, horchte — Alles blieb stille. — Es war nichts Anderes als das Knacken der Dielen und Möbel eines erwärmten Zimmers, das sonst nicht geheizt zu werden pflegt. Er legte sich wieder nieder. Er belächelt sein voriges Erschrecken. Von Neuem dasselbe Geräusch. Er fährt wieder auf. Stille. Weiter nichts als die Möbel, denkt er sich, und nun erhebe ich meinen Kopf nicht wieder. Da trabt es auf dem Gange. Der Pfarrer erschrickt — horcht — die Katze ist's. Das kleine Haus zittert, denn der Sturm heult fürchterlich. Die Gläser auf dem Tische klirren, der Pfarrer erkennt gleich den Klang und fürchtet sich nicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028"/> Nacht etwas zustoßen sollte, ich will mit offenen Augen schlafen.</p><lb/> <p>Sei außer Sorge, bin gesund, wohlauf, lustig. — Das Mädchen küßte seine Hand und entfernte sich.</p><lb/> <p>Er ging mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder und redete mit sich selber: Jetzt ist er schon todt. Was hätte es auch genützt, wenn ich mich auf den Weg gemacht hätte. Aber morgen, wenn man erfährt, daß ich nicht zu ihm kam. — Pah! ich schütze Unpäßlichkeit vor. Mir glaubt man. — Vom Winde getriebene Schneewolken stießen klirrend an die Fensterscheiben. — Ich bin auch krank, zittere am ganzen Leibe, ins Bett, ins Bett! — Er ging in sein Schlafzimmer, entkleidete sich, blies das Licht aus und vergrub sich in Polster und Decken. Anfangs hatte er ein Gefühl, als müsse er gleich einschlafen — da krachte es draußen im Speisezimmer — er fuhr auf, horchte — Alles blieb stille. — Es war nichts Anderes als das Knacken der Dielen und Möbel eines erwärmten Zimmers, das sonst nicht geheizt zu werden pflegt. Er legte sich wieder nieder.</p><lb/> <p>Er belächelt sein voriges Erschrecken. Von Neuem dasselbe Geräusch. Er fährt wieder auf. Stille. Weiter nichts als die Möbel, denkt er sich, und nun erhebe ich meinen Kopf nicht wieder. Da trabt es auf dem Gange. Der Pfarrer erschrickt — horcht — die Katze ist's. Das kleine Haus zittert, denn der Sturm heult fürchterlich. Die Gläser auf dem Tische klirren, der Pfarrer erkennt gleich den Klang und fürchtet sich nicht.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
Nacht etwas zustoßen sollte, ich will mit offenen Augen schlafen.
Sei außer Sorge, bin gesund, wohlauf, lustig. — Das Mädchen küßte seine Hand und entfernte sich.
Er ging mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder und redete mit sich selber: Jetzt ist er schon todt. Was hätte es auch genützt, wenn ich mich auf den Weg gemacht hätte. Aber morgen, wenn man erfährt, daß ich nicht zu ihm kam. — Pah! ich schütze Unpäßlichkeit vor. Mir glaubt man. — Vom Winde getriebene Schneewolken stießen klirrend an die Fensterscheiben. — Ich bin auch krank, zittere am ganzen Leibe, ins Bett, ins Bett! — Er ging in sein Schlafzimmer, entkleidete sich, blies das Licht aus und vergrub sich in Polster und Decken. Anfangs hatte er ein Gefühl, als müsse er gleich einschlafen — da krachte es draußen im Speisezimmer — er fuhr auf, horchte — Alles blieb stille. — Es war nichts Anderes als das Knacken der Dielen und Möbel eines erwärmten Zimmers, das sonst nicht geheizt zu werden pflegt. Er legte sich wieder nieder.
Er belächelt sein voriges Erschrecken. Von Neuem dasselbe Geräusch. Er fährt wieder auf. Stille. Weiter nichts als die Möbel, denkt er sich, und nun erhebe ich meinen Kopf nicht wieder. Da trabt es auf dem Gange. Der Pfarrer erschrickt — horcht — die Katze ist's. Das kleine Haus zittert, denn der Sturm heult fürchterlich. Die Gläser auf dem Tische klirren, der Pfarrer erkennt gleich den Klang und fürchtet sich nicht.
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Zitationshilfe: | Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/traun_gebirgspfarrer_1910/28>, abgerufen am 16.02.2025. |