Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Unverhofft kommt oft, lächelte der Jurist; wäre fast übersehen worden. Mein Gott, entschuldigte sich Malachias, ich erblindete schier aus Freude an meinem Bruder Blasius! Welche Ehre! aber sah ich nicht auch einen dritten Gast? Richtig, Burkhardt den Förster, erwiderte Blasius. Wo bleibt er? Hat Einiges in die Küche zu tragen, flüsterte der Hofrichter, ein paar Schnepfen, eine Wildente -- Ich hätte meinen verehrten Gästen schon selbst ein paar Gerichte aufsetzen können, meinte der Pfarrer. Sind alle davon überzeugt, replicirte der Jurist, doch seines Wildpret! Hier kann es ja nicht sein. -- Das ist zu viel, das ist zu viel, erwiderte der Pfarrer. Aber der Förster soll kommen. Da ist er ja vor dem Hause, was nimmt er denn schon wieder aus dem Schlitten? Den Flaschenkeller, schmunzelte der Kellermeister. Das Flaschenkellerchen, verbesserte der Hofrichter, spitzte die Lippen und schnalzte mit der Zunge. Das ist viel zu viel, deprecirte Malachias mit der freundlichsten Miene. Unterdessen vernahm man den Förster auf der Decke vor der Thüre, wo er den Schnee von seinen Juchtenstiefeln streifte und strampfte, und bald darauf trat er mit einem "Gelobt sei Jesus Christus" und einer großen Flasche Wein in die Stube. Fürchtet Ihr zu verdursten? sagte der Pfarrer. Unverhofft kommt oft, lächelte der Jurist; wäre fast übersehen worden. Mein Gott, entschuldigte sich Malachias, ich erblindete schier aus Freude an meinem Bruder Blasius! Welche Ehre! aber sah ich nicht auch einen dritten Gast? Richtig, Burkhardt den Förster, erwiderte Blasius. Wo bleibt er? Hat Einiges in die Küche zu tragen, flüsterte der Hofrichter, ein paar Schnepfen, eine Wildente — Ich hätte meinen verehrten Gästen schon selbst ein paar Gerichte aufsetzen können, meinte der Pfarrer. Sind alle davon überzeugt, replicirte der Jurist, doch seines Wildpret! Hier kann es ja nicht sein. — Das ist zu viel, das ist zu viel, erwiderte der Pfarrer. Aber der Förster soll kommen. Da ist er ja vor dem Hause, was nimmt er denn schon wieder aus dem Schlitten? Den Flaschenkeller, schmunzelte der Kellermeister. Das Flaschenkellerchen, verbesserte der Hofrichter, spitzte die Lippen und schnalzte mit der Zunge. Das ist viel zu viel, deprecirte Malachias mit der freundlichsten Miene. Unterdessen vernahm man den Förster auf der Decke vor der Thüre, wo er den Schnee von seinen Juchtenstiefeln streifte und strampfte, und bald darauf trat er mit einem “Gelobt sei Jesus Christus“ und einer großen Flasche Wein in die Stube. Fürchtet Ihr zu verdursten? sagte der Pfarrer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0012"/> <p>Unverhofft kommt oft, lächelte der Jurist; wäre fast übersehen worden.</p><lb/> <p>Mein Gott, entschuldigte sich Malachias, ich erblindete schier aus Freude an meinem Bruder Blasius! Welche Ehre! aber sah ich nicht auch einen dritten Gast?</p><lb/> <p>Richtig, Burkhardt den Förster, erwiderte Blasius. Wo bleibt er?</p><lb/> <p>Hat Einiges in die Küche zu tragen, flüsterte der Hofrichter, ein paar Schnepfen, eine Wildente —</p><lb/> <p>Ich hätte meinen verehrten Gästen schon selbst ein paar Gerichte aufsetzen können, meinte der Pfarrer.</p><lb/> <p>Sind alle davon überzeugt, replicirte der Jurist, doch seines Wildpret! Hier kann es ja nicht sein. —</p><lb/> <p>Das ist zu viel, das ist zu viel, erwiderte der Pfarrer. Aber der Förster soll kommen. Da ist er ja vor dem Hause, was nimmt er denn schon wieder aus dem Schlitten?</p><lb/> <p>Den Flaschenkeller, schmunzelte der Kellermeister.</p><lb/> <p>Das Flaschenkellerchen, verbesserte der Hofrichter, spitzte die Lippen und schnalzte mit der Zunge.</p><lb/> <p>Das ist viel zu viel, deprecirte Malachias mit der freundlichsten Miene. Unterdessen vernahm man den Förster auf der Decke vor der Thüre, wo er den Schnee von seinen Juchtenstiefeln streifte und strampfte, und bald darauf trat er mit einem “Gelobt sei Jesus Christus“ und einer großen Flasche Wein in die Stube.</p><lb/> <p>Fürchtet Ihr zu verdursten? sagte der Pfarrer.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
Unverhofft kommt oft, lächelte der Jurist; wäre fast übersehen worden.
Mein Gott, entschuldigte sich Malachias, ich erblindete schier aus Freude an meinem Bruder Blasius! Welche Ehre! aber sah ich nicht auch einen dritten Gast?
Richtig, Burkhardt den Förster, erwiderte Blasius. Wo bleibt er?
Hat Einiges in die Küche zu tragen, flüsterte der Hofrichter, ein paar Schnepfen, eine Wildente —
Ich hätte meinen verehrten Gästen schon selbst ein paar Gerichte aufsetzen können, meinte der Pfarrer.
Sind alle davon überzeugt, replicirte der Jurist, doch seines Wildpret! Hier kann es ja nicht sein. —
Das ist zu viel, das ist zu viel, erwiderte der Pfarrer. Aber der Förster soll kommen. Da ist er ja vor dem Hause, was nimmt er denn schon wieder aus dem Schlitten?
Den Flaschenkeller, schmunzelte der Kellermeister.
Das Flaschenkellerchen, verbesserte der Hofrichter, spitzte die Lippen und schnalzte mit der Zunge.
Das ist viel zu viel, deprecirte Malachias mit der freundlichsten Miene. Unterdessen vernahm man den Förster auf der Decke vor der Thüre, wo er den Schnee von seinen Juchtenstiefeln streifte und strampfte, und bald darauf trat er mit einem “Gelobt sei Jesus Christus“ und einer großen Flasche Wein in die Stube.
Fürchtet Ihr zu verdursten? sagte der Pfarrer.
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Zitationshilfe: | Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/traun_gebirgspfarrer_1910/12>, abgerufen am 27.07.2024. |