aufgeklärte, gewinnsüchtige, praktische Subjecte für seine Zwecke am brauchbarsten findet. Solche Mächte, Gegen- sätze, ihre Entfaltung und ihr Kampf sind den beiden Culturmassen und Volksgeschichten gemein, von welchen wir eine astronomische Kenntniss zu haben glauben dürfen: der früheren, südlich-europäischen, antiken, welche in Athen ihr höchstes Leben, in Rom ihren Tod gefunden hat, und der späteren, sich überall anschliessenden und in vielen Stücken von jener empfangenden, geförderten, welche als nordeuropäische und moderne unterschieden werde. Wir entdecken diese gleichartigen Entwicklungen unter einer ungeheuren Verschiedenheit der Thatsachen und Bedin- gungen, und innerhalb des allgemeinen gleichmässigen Ver- laufes, zu welchem alle Elemente beitragen, hat jedes der Elemente seine verborgenere eigenthümliche Geschichte, welche durch jene theils bewirkt ist, theils aus ihren eigenen Ursachen erfolgend, hemmend oder fördernd in dieselbe hineingreift. -- Durch die vorgetragenen Begriffe und Er- kenntnisse wollen wir aber die Strömungen und Kämpfe verstehen, welche von den letzten Jahrhunderten aus bis in das gegenwärtige Zeitalter und über dessen Grenzen hinaus sich erstrecken. Wir denken zu diesem Behufe die gesammte Entwicklung der germanischen Cultur, welche auf den Trümmern des römischen Reiches und als Erbin des- selben, mit dem allgemein werdenden Bekenntnisse zur christlichen Religion, unter der befruchtenden Macht der Kirche sich erhob, als in beständigem Fortgange zugleich und Untergange begriffen, und darin eben jene Gegensätze aus sich erzeugend, welche der gegebenen Ansicht unter- liegen. Dabei werden wir als eigentlichen, ja nothwendigen Ausgangspunkt, im Gegensatze zu aller aus den Tiefen der Vergangenheit deducirenden Historie, den Moment der Zeit festhalten, in welchem der gegenwärtige Zuschauer des un- ersetzlichen Vorzuges theilhaftig ist, die geschehenden Bewegungen mit den Augen seiner eigenen Erfahrung zu beobachten und, wenn auch an den Felsen der Zeit ge- schmiedet, der nahenden Okeanos-Töchter Töne und Duft zu vernehmen. --
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
aufgeklärte, gewinnsüchtige, praktische Subjecte für seine Zwecke am brauchbarsten findet. Solche Mächte, Gegen- sätze, ihre Entfaltung und ihr Kampf sind den beiden Culturmassen und Volksgeschichten gemein, von welchen wir eine astronomische Kenntniss zu haben glauben dürfen: der früheren, südlich-europäischen, antiken, welche in Athen ihr höchstes Leben, in Rom ihren Tod gefunden hat, und der späteren, sich überall anschliessenden und in vielen Stücken von jener empfangenden, geförderten, welche als nordeuropäische und moderne unterschieden werde. Wir entdecken diese gleichartigen Entwicklungen unter einer ungeheuren Verschiedenheit der Thatsachen und Bedin- gungen, und innerhalb des allgemeinen gleichmässigen Ver- laufes, zu welchem alle Elemente beitragen, hat jedes der Elemente seine verborgenere eigenthümliche Geschichte, welche durch jene theils bewirkt ist, theils aus ihren eigenen Ursachen erfolgend, hemmend oder fördernd in dieselbe hineingreift. — Durch die vorgetragenen Begriffe und Er- kenntnisse wollen wir aber die Strömungen und Kämpfe verstehen, welche von den letzten Jahrhunderten aus bis in das gegenwärtige Zeitalter und über dessen Grenzen hinaus sich erstrecken. Wir denken zu diesem Behufe die gesammte Entwicklung der germanischen Cultur, welche auf den Trümmern des römischen Reiches und als Erbin des- selben, mit dem allgemein werdenden Bekenntnisse zur christlichen Religion, unter der befruchtenden Macht der Kirche sich erhob, als in beständigem Fortgange zugleich und Untergange begriffen, und darin eben jene Gegensätze aus sich erzeugend, welche der gegebenen Ansicht unter- liegen. Dabei werden wir als eigentlichen, ja nothwendigen Ausgangspunkt, im Gegensatze zu aller aus den Tiefen der Vergangenheit deducirenden Historie, den Moment der Zeit festhalten, in welchem der gegenwärtige Zuschauer des un- ersetzlichen Vorzuges theilhaftig ist, die geschehenden Bewegungen mit den Augen seiner eigenen Erfahrung zu beobachten und, wenn auch an den Felsen der Zeit ge- schmiedet, der nahenden Okeanos-Töchter Töne und Duft zu vernehmen. —
Pierer’sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
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aufgeklärte, gewinnsüchtige, praktische Subjecte für seine
Zwecke am brauchbarsten findet. Solche Mächte, Gegen-
sätze, ihre Entfaltung und ihr Kampf sind den beiden
Culturmassen und Volksgeschichten gemein, von welchen
wir eine astronomische Kenntniss zu haben glauben dürfen:
der früheren, südlich-europäischen, antiken, welche in
Athen ihr höchstes Leben, in Rom ihren Tod gefunden
hat, und der späteren, sich überall anschliessenden und in
vielen Stücken von jener empfangenden, geförderten, welche
als nordeuropäische und moderne unterschieden werde. Wir
entdecken diese gleichartigen Entwicklungen unter einer
ungeheuren Verschiedenheit der Thatsachen und Bedin-
gungen, und innerhalb des allgemeinen gleichmässigen Ver-
laufes, zu welchem alle Elemente beitragen, hat jedes der
Elemente seine verborgenere eigenthümliche Geschichte,
welche durch jene theils bewirkt ist, theils aus ihren eigenen
Ursachen erfolgend, hemmend oder fördernd in dieselbe
hineingreift. — Durch die vorgetragenen Begriffe und Er-
kenntnisse wollen wir aber die Strömungen und Kämpfe
verstehen, welche von den letzten Jahrhunderten aus bis
in das gegenwärtige Zeitalter und über dessen Grenzen
hinaus sich erstrecken. Wir denken zu diesem Behufe die
gesammte Entwicklung der germanischen Cultur, welche auf
den Trümmern des römischen Reiches und als Erbin des-
selben, mit dem allgemein werdenden Bekenntnisse zur
christlichen Religion, unter der befruchtenden Macht der
Kirche sich erhob, als in beständigem Fortgange zugleich
und Untergange begriffen, und darin eben jene Gegensätze
aus sich erzeugend, welche der gegebenen Ansicht unter-
liegen. Dabei werden wir als eigentlichen, ja nothwendigen
Ausgangspunkt, im Gegensatze zu aller aus den Tiefen der
Vergangenheit deducirenden Historie, den Moment der Zeit
festhalten, in welchem der gegenwärtige Zuschauer des un-
ersetzlichen Vorzuges theilhaftig ist, die geschehenden
Bewegungen mit den Augen seiner eigenen Erfahrung zu
beobachten und, wenn auch an den Felsen der Zeit ge-
schmiedet, der nahenden Okeanos-Töchter Töne und Duft
zu vernehmen. —
Pierer’sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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