sich ausschliesslich auf solche Gedankendinge, dergleichen das allgemeine Object ist oder die Grösse, wo es sich um Rechnung schlechthin handelt, oder der ausdehnungslose Punkt, die gerade Linie, die Ebene ohne Tiefe, die regelmässigen Körper, wo um die Bestimmung von Verhältnissen der räum- lichen Erscheinungen. Ebenso werden endlich imaginäre Er- eignisse der Zeit genommen als Typen wirklicher Ereignisse, wie der Fall eines Körpers im luftleeren Raume, dessen Ge- schwindigkeit als in willkürlich gesetzter Zeiteinheit durch- messene Raumeinheit, als gleiche oder veränderliche, nach ge- wissen Voraussetzungen berechnet wird. Die Anwendung gestaltet sich immer um so schwieriger, je mehr der blos denkbare allgemeine von den wahrnehmbaren besonderen Fällen verschieden ist, daher je mannigfacher und unregelmässiger diese sein mögen. Aus der Ansicht getrennter Körper, welche durch ihre Bewegung in einen momentanen räumlichen Zu- sammenhang kommen, entspringt aber der wissenschaft- liche Begriff der Ursache als einer Quantität von ge- leisteter Arbeit (welche in der Bewegung enthalten ist), die einer anderen -- der Wirkung -- gleich und damit vertausch- bar ist, nach dem Princip der Gleichheit von Action und Reaction: eine Vorstellung, welche erst ganz und gar sie selber ist, nachdem aus dem Begriffe der Kraft, welcher sie zu- nächst umfasst, alle Connotation der Realität und Produc- tivität entfernt worden ist. Und also entsteht jenes grosse System der reinen Mechanik, als dessen Anwendungen sodann alle concreten Naturwissenschaften, zuvörderst Physik und Chemie sich darstellen müssen.
Indessen neben und in dieser wissenschaftlichen An- sicht der Causalität erhält und bildet sich aus als ihre letzte Steigerung und Kritik zugleich, diejenige welche wir die philoso- phische, aber auch entgegen der mechanischen die organische, gegen die physikalische die psychologische heissen mögen: nach welcher vielmehr nichts als productive Kraft vorhanden ist, die wirkliche und bleibende Einheit eines conservativen Systems allgemeiner Energie, aus welcher alle ihre Besonder- heiten als ihre Theile zugleich und Wirkungen hergeleitet werden sollen. Dem Lebensgesetze des Universums dienen alle übrigen Naturgesetze, wie dem Lebensgesetze jedes lebendigen
sich ausschliesslich auf solche Gedankendinge, dergleichen das allgemeine Object ist oder die Grösse, wo es sich um Rechnung schlechthin handelt, oder der ausdehnungslose Punkt, die gerade Linie, die Ebene ohne Tiefe, die regelmässigen Körper, wo um die Bestimmung von Verhältnissen der räum- lichen Erscheinungen. Ebenso werden endlich imaginäre Er- eignisse der Zeit genommen als Typen wirklicher Ereignisse, wie der Fall eines Körpers im luftleeren Raume, dessen Ge- schwindigkeit als in willkürlich gesetzter Zeiteinheit durch- messene Raumeinheit, als gleiche oder veränderliche, nach ge- wissen Voraussetzungen berechnet wird. Die Anwendung gestaltet sich immer um so schwieriger, je mehr der blos denkbare allgemeine von den wahrnehmbaren besonderen Fällen verschieden ist, daher je mannigfacher und unregelmässiger diese sein mögen. Aus der Ansicht getrennter Körper, welche durch ihre Bewegung in einen momentanen räumlichen Zu- sammenhang kommen, entspringt aber der wissenschaft- liche Begriff der Ursache als einer Quantität von ge- leisteter Arbeit (welche in der Bewegung enthalten ist), die einer anderen — der Wirkung — gleich und damit vertausch- bar ist, nach dem Princip der Gleichheit von Action und Reaction: eine Vorstellung, welche erst ganz und gar sie selber ist, nachdem aus dem Begriffe der Kraft, welcher sie zu- nächst umfasst, alle Connotation der Realität und Produc- tivität entfernt worden ist. Und also entsteht jenes grosse System der reinen Mechanik, als dessen Anwendungen sodann alle concreten Naturwissenschaften, zuvörderst Physik und Chemie sich darstellen müssen.
Indessen neben und in dieser wissenschaftlichen An- sicht der Causalität erhält und bildet sich aus als ihre letzte Steigerung und Kritik zugleich, diejenige welche wir die philoso- phische, aber auch entgegen der mechanischen die organische, gegen die physikalische die psychologische heissen mögen: nach welcher vielmehr nichts als productive Kraft vorhanden ist, die wirkliche und bleibende Einheit eines conservativen Systems allgemeiner Energie, aus welcher alle ihre Besonder- heiten als ihre Theile zugleich und Wirkungen hergeleitet werden sollen. Dem Lebensgesetze des Universums dienen alle übrigen Naturgesetze, wie dem Lebensgesetze jedes lebendigen
<TEI><text><front><divn="1"><p><hirendition="#i"><pbfacs="#f0029"n="XXIII"/>
sich ausschliesslich auf solche Gedankendinge, dergleichen<lb/>
das allgemeine Object ist oder die Grösse, wo es sich um<lb/>
Rechnung schlechthin handelt, oder der ausdehnungslose Punkt,<lb/>
die gerade Linie, die Ebene ohne Tiefe, die regelmässigen<lb/>
Körper, wo um die Bestimmung von Verhältnissen der räum-<lb/>
lichen Erscheinungen. Ebenso werden endlich imaginäre Er-<lb/>
eignisse der <hirendition="#g">Zeit</hi> genommen als Typen wirklicher Ereignisse,<lb/>
wie der Fall eines Körpers im luftleeren Raume, dessen Ge-<lb/>
schwindigkeit als in willkürlich gesetzter Zeiteinheit durch-<lb/>
messene Raumeinheit, als gleiche oder veränderliche, nach ge-<lb/>
wissen Voraussetzungen berechnet wird. Die <hirendition="#g">Anwendung</hi><lb/>
gestaltet sich immer um so schwieriger, je mehr der blos<lb/>
denkbare allgemeine von den wahrnehmbaren besonderen Fällen<lb/>
verschieden ist, daher je mannigfacher und unregelmässiger<lb/>
diese sein mögen. Aus der Ansicht getrennter Körper, welche<lb/>
durch ihre Bewegung in einen momentanen räumlichen Zu-<lb/>
sammenhang kommen, entspringt aber der <hirendition="#g">wissenschaft-<lb/>
liche</hi> Begriff der <hirendition="#g">Ursache</hi> als einer Quantität von ge-<lb/>
leisteter Arbeit (welche in der Bewegung enthalten ist), die<lb/>
einer anderen — der Wirkung — gleich und damit vertausch-<lb/>
bar ist, nach dem Princip der Gleichheit von Action und<lb/>
Reaction: eine Vorstellung, welche erst ganz und gar sie selber<lb/>
ist, nachdem aus dem Begriffe der <hirendition="#g">Kraft</hi>, welcher sie zu-<lb/>
nächst umfasst, alle Connotation der Realität und Produc-<lb/>
tivität entfernt worden ist. Und also entsteht jenes grosse<lb/>
System der reinen Mechanik, als dessen Anwendungen sodann<lb/>
alle concreten Naturwissenschaften, zuvörderst Physik und<lb/>
Chemie sich darstellen müssen.</hi></p><lb/><p><hirendition="#i">Indessen neben und in dieser wissenschaftlichen An-<lb/>
sicht der Causalität erhält und bildet sich aus als ihre letzte<lb/>
Steigerung und Kritik zugleich, diejenige welche wir die <hirendition="#g">philoso-<lb/>
phische</hi>, aber auch entgegen der mechanischen die organische,<lb/>
gegen die physikalische die psychologische heissen mögen:<lb/>
nach welcher vielmehr nichts als productive Kraft vorhanden<lb/>
ist, die wirkliche und bleibende Einheit eines conservativen<lb/>
Systems allgemeiner Energie, aus welcher alle ihre Besonder-<lb/>
heiten als ihre Theile zugleich und Wirkungen hergeleitet<lb/>
werden sollen. Dem Lebensgesetze des Universums dienen alle<lb/>
übrigen Naturgesetze, wie dem Lebensgesetze jedes lebendigen<lb/></hi></p></div></front></text></TEI>
[XXIII/0029]
sich ausschliesslich auf solche Gedankendinge, dergleichen
das allgemeine Object ist oder die Grösse, wo es sich um
Rechnung schlechthin handelt, oder der ausdehnungslose Punkt,
die gerade Linie, die Ebene ohne Tiefe, die regelmässigen
Körper, wo um die Bestimmung von Verhältnissen der räum-
lichen Erscheinungen. Ebenso werden endlich imaginäre Er-
eignisse der Zeit genommen als Typen wirklicher Ereignisse,
wie der Fall eines Körpers im luftleeren Raume, dessen Ge-
schwindigkeit als in willkürlich gesetzter Zeiteinheit durch-
messene Raumeinheit, als gleiche oder veränderliche, nach ge-
wissen Voraussetzungen berechnet wird. Die Anwendung
gestaltet sich immer um so schwieriger, je mehr der blos
denkbare allgemeine von den wahrnehmbaren besonderen Fällen
verschieden ist, daher je mannigfacher und unregelmässiger
diese sein mögen. Aus der Ansicht getrennter Körper, welche
durch ihre Bewegung in einen momentanen räumlichen Zu-
sammenhang kommen, entspringt aber der wissenschaft-
liche Begriff der Ursache als einer Quantität von ge-
leisteter Arbeit (welche in der Bewegung enthalten ist), die
einer anderen — der Wirkung — gleich und damit vertausch-
bar ist, nach dem Princip der Gleichheit von Action und
Reaction: eine Vorstellung, welche erst ganz und gar sie selber
ist, nachdem aus dem Begriffe der Kraft, welcher sie zu-
nächst umfasst, alle Connotation der Realität und Produc-
tivität entfernt worden ist. Und also entsteht jenes grosse
System der reinen Mechanik, als dessen Anwendungen sodann
alle concreten Naturwissenschaften, zuvörderst Physik und
Chemie sich darstellen müssen.
Indessen neben und in dieser wissenschaftlichen An-
sicht der Causalität erhält und bildet sich aus als ihre letzte
Steigerung und Kritik zugleich, diejenige welche wir die philoso-
phische, aber auch entgegen der mechanischen die organische,
gegen die physikalische die psychologische heissen mögen:
nach welcher vielmehr nichts als productive Kraft vorhanden
ist, die wirkliche und bleibende Einheit eines conservativen
Systems allgemeiner Energie, aus welcher alle ihre Besonder-
heiten als ihre Theile zugleich und Wirkungen hergeleitet
werden sollen. Dem Lebensgesetze des Universums dienen alle
übrigen Naturgesetze, wie dem Lebensgesetze jedes lebendigen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/29>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.