von Preis, Lohn, Almosen, jedenfalls die Gemeinschaft der Menschen weder zu erhalten, noch zu fördern geeignet. Es ist wie der letzte Ausläufer und die äusserste Entartung aller solcher Bildungen. Hingegen ihre ursprüngliche und allgemeinste Gestalt ist das Geschenk zwischen Lieben- den, Verwandten, Freunden, wie die vollkommene Gast- lichkeit und alle echte Hülfe ebensosehr um des Gebenden selber als um des Anderen willen: die in Wahrheit als na- türliche Einheit sich empfinden. Auch dieses kann, wie Alles von gleicher Art, willkürlich und conventionell wer- den; aber der Schein entsprechender Gesinnung wird mit um so grösserer Aengstlichkeit festgehalten, da der sonst sich ergebende Austausch von Naturalgegenständen ohne Vergleichung und Schätzung, gar zu hybride und absurd erscheinen müsste. Denn wiederum: ein Geldgeschenk auf den Platz zu legen, ist nur dann ohne Verletzung jedes logischen oder ästhetischen Verständnisses zulässig, wenn an eine Erwiderung nicht gedacht werden kann, als welche eine totale oder partielle Aufhebung ergeben würde -- daher etwa wohl als Freundesgabe des Höheren, der mit der Macht auch den Willen haben kann, den Geringeren in Bezug auf abstractes Vermögen zu stärken; zumal wenn derselbe mit seiner gesammten Willenssphäre von ihm sich herleitet, wie vom Vater der Sohn. Dagegen ist ein Geld- geschenk des Aermeren an den Reicheren durch seinen in- neren Widerspruch lächerlich. Aus eben demselben, nicht oberflächlichen Grunde kann zwar der Lohn sein Wesen bewahren, wenn er in Geld verwandelt wird; die Abgabe schwerlich. Denn die in Geldform gesetzte Steuer gilt durchaus, ob nun dem Staate oder einer Unterabtheilung desselben dargebracht, einer gemeinsamen, von den indivi- duellen Personen ausser sich gesetzten Casse. Sie ist ein gesellschaftlicher Begriff und wird im Zusammenhange mit den Begriffen des Staates und aller solcher Vereine erklärt werden.
§ 12.
An der Bewegung von Status zu Contract erkennen wir eine Parallele des Lebens und des Rechtes. Recht ist,
von Preis, Lohn, Almosen, jedenfalls die Gemeinschaft der Menschen weder zu erhalten, noch zu fördern geeignet. Es ist wie der letzte Ausläufer und die äusserste Entartung aller solcher Bildungen. Hingegen ihre ursprüngliche und allgemeinste Gestalt ist das Geschenk zwischen Lieben- den, Verwandten, Freunden, wie die vollkommene Gast- lichkeit und alle echte Hülfe ebensosehr um des Gebenden selber als um des Anderen willen: die in Wahrheit als na- türliche Einheit sich empfinden. Auch dieses kann, wie Alles von gleicher Art, willkürlich und conventionell wer- den; aber der Schein entsprechender Gesinnung wird mit um so grösserer Aengstlichkeit festgehalten, da der sonst sich ergebende Austausch von Naturalgegenständen ohne Vergleichung und Schätzung, gar zu hybride und absurd erscheinen müsste. Denn wiederum: ein Geldgeschenk auf den Platz zu legen, ist nur dann ohne Verletzung jedes logischen oder ästhetischen Verständnisses zulässig, wenn an eine Erwiderung nicht gedacht werden kann, als welche eine totale oder partielle Aufhebung ergeben würde — daher etwa wohl als Freundesgabe des Höheren, der mit der Macht auch den Willen haben kann, den Geringeren in Bezug auf abstractes Vermögen zu stärken; zumal wenn derselbe mit seiner gesammten Willenssphäre von ihm sich herleitet, wie vom Vater der Sohn. Dagegen ist ein Geld- geschenk des Aermeren an den Reicheren durch seinen in- neren Widerspruch lächerlich. Aus eben demselben, nicht oberflächlichen Grunde kann zwar der Lohn sein Wesen bewahren, wenn er in Geld verwandelt wird; die Abgabe schwerlich. Denn die in Geldform gesetzte Steuer gilt durchaus, ob nun dem Staate oder einer Unterabtheilung desselben dargebracht, einer gemeinsamen, von den indivi- duellen Personen ausser sich gesetzten Casse. Sie ist ein gesellschaftlicher Begriff und wird im Zusammenhange mit den Begriffen des Staates und aller solcher Vereine erklärt werden.
§ 12.
An der Bewegung von Status zu Contract erkennen wir eine Parallele des Lebens und des Rechtes. Recht ist,
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von Preis, Lohn, Almosen, jedenfalls die Gemeinschaft der
Menschen weder zu erhalten, noch zu fördern geeignet.
Es ist wie der letzte Ausläufer und die äusserste Entartung
aller solcher Bildungen. Hingegen ihre ursprüngliche und
allgemeinste Gestalt ist das Geschenk zwischen Lieben-
den, Verwandten, Freunden, wie die vollkommene Gast-
lichkeit und alle echte Hülfe ebensosehr um des Gebenden
selber als um des Anderen willen: die in Wahrheit als na-
türliche Einheit sich empfinden. Auch dieses kann, wie
Alles von gleicher Art, willkürlich und conventionell wer-
den; aber der Schein entsprechender Gesinnung wird mit
um so grösserer Aengstlichkeit festgehalten, da der sonst
sich ergebende Austausch von Naturalgegenständen ohne
Vergleichung und Schätzung, gar zu hybride und absurd
erscheinen müsste. Denn wiederum: ein Geldgeschenk auf
den Platz zu legen, ist nur dann ohne Verletzung jedes
logischen oder ästhetischen Verständnisses zulässig, wenn an
eine Erwiderung nicht gedacht werden kann, als welche eine
totale oder partielle Aufhebung ergeben würde — daher
etwa wohl als Freundesgabe des Höheren, der mit der
Macht auch den Willen haben kann, den Geringeren in
Bezug auf abstractes Vermögen zu stärken; zumal wenn
derselbe mit seiner gesammten Willenssphäre von ihm sich
herleitet, wie vom Vater der Sohn. Dagegen ist ein Geld-
geschenk des Aermeren an den Reicheren durch seinen in-
neren Widerspruch lächerlich. Aus eben demselben, nicht
oberflächlichen Grunde kann zwar der Lohn sein Wesen
bewahren, wenn er in Geld verwandelt wird; die Abgabe
schwerlich. Denn die in Geldform gesetzte Steuer gilt
durchaus, ob nun dem Staate oder einer Unterabtheilung
desselben dargebracht, einer gemeinsamen, von den indivi-
duellen Personen ausser sich gesetzten Casse. Sie ist ein
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/260>, abgerufen am 25.11.2024.
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