von Häuptern oder gar durch ein einziges, welche die Wesen und Willen der übrigen Gemeinheit in sich begreifen.
§ 2.
Die Person oder das Willkürsubject ist, wie eine Willkürbildung, Einheit durch ihre äussere Bestimmung, unum per accidens (en kata to sumbebekos) mechanische Einheit. Nämlich: so wie jene nur Realität und Einheit hat für ihr Subject und durch ihre Beziehung auf mögliche Wirkungen, so ist der Begriff der Person eine Fiction oder (verwirk- licht gedacht) eine Construction des wissenschaftlichen Den- kens, dazu bestimmt die Einheit der Urheberschaft solcher Bildungen, also der Verfügungen über einen Complex von Kraft, Macht, Mitteln auszudrücken, eine Einheit, welche aus vielen Stücken einzelner möglicher Acte -- wie immer deren eigene Einheit begriffen werden möge -- erst durch das Denken zusammengesetzt wird, und mithin ihre Existenz welche durchaus ideeller Natur ist, nach der Existenz der Vielheit, ausserhalb derselben und gleichsam über ihr hat; wenn nämlich vorgestellt wird, dass in der Vielheit Elemente enthalten sind, welche zu dieser Einheit, d. i. zu ihrem realen Vor- oder Gegenbild, der Uebereinstimmung in den Richtungen auf gleiche Zwecke, wie in die Höhe emporstreben (weil, einer uns natürlichen Einbildung gemäss, das bloss Gedachte über den wirklichen Dingen in der Luft zu schweben scheint), während hingegen die Einheit des organischen Wesens nicht allein in der Vielheit enthalten, sondern auch ihr zu Grunde liegend und also wie in der Tiefe unter ihr vorhanden (ohne doch darum getrennt und von ihr verschieden zu sein) begriffen werden muss. Ebenso: wenn aus einer Menge solcher empirisch-ideeller Einheiten ihr Begriff abgezogen wird, so verhält sich dieses Gemeinsame zu der quasi-ding- lichen Mannigfaltigkeit wiederum auf gleiche Weise wie die Einheit des einzelnen Dinges zu ihrer Vielheit: das univer- sale ist post rem und extra res; auch die begriffliche oder Gattungs-(Klassen-)Einheit ist nur nominell, ideell, fictiv.
Wenn nun in dem Gedankensystem, in welches sie hineingesetzt ist, die Person alles Mögliche will und thut, d. h. als Subject wirklicher Willküracte, daher als wirk-
von Häuptern oder gar durch ein einziges, welche die Wesen und Willen der übrigen Gemeinheit in sich begreifen.
§ 2.
Die Person oder das Willkürsubject ist, wie eine Willkürbildung, Einheit durch ihre äussere Bestimmung, unum per accidens (ἕν κατὰ τὸ συμβεβηκός) mechanische Einheit. Nämlich: so wie jene nur Realität und Einheit hat für ihr Subject und durch ihre Beziehung auf mögliche Wirkungen, so ist der Begriff der Person eine Fiction oder (verwirk- licht gedacht) eine Construction des wissenschaftlichen Den- kens, dazu bestimmt die Einheit der Urheberschaft solcher Bildungen, also der Verfügungen über einen Complex von Kraft, Macht, Mitteln auszudrücken, eine Einheit, welche aus vielen Stücken einzelner möglicher Acte — wie immer deren eigene Einheit begriffen werden möge — erst durch das Denken zusammengesetzt wird, und mithin ihre Existenz welche durchaus ideeller Natur ist, nach der Existenz der Vielheit, ausserhalb derselben und gleichsam über ihr hat; wenn nämlich vorgestellt wird, dass in der Vielheit Elemente enthalten sind, welche zu dieser Einheit, d. i. zu ihrem realen Vor- oder Gegenbild, der Uebereinstimmung in den Richtungen auf gleiche Zwecke, wie in die Höhe emporstreben (weil, einer uns natürlichen Einbildung gemäss, das bloss Gedachte über den wirklichen Dingen in der Luft zu schweben scheint), während hingegen die Einheit des organischen Wesens nicht allein in der Vielheit enthalten, sondern auch ihr zu Grunde liegend und also wie in der Tiefe unter ihr vorhanden (ohne doch darum getrennt und von ihr verschieden zu sein) begriffen werden muss. Ebenso: wenn aus einer Menge solcher empirisch-ideeller Einheiten ihr Begriff abgezogen wird, so verhält sich dieses Gemeinsame zu der quasi-ding- lichen Mannigfaltigkeit wiederum auf gleiche Weise wie die Einheit des einzelnen Dinges zu ihrer Vielheit: das univer- sale ist post rem und extra res; auch die begriffliche oder Gattungs-(Klassen-)Einheit ist nur nominell, ideell, fictiv.
Wenn nun in dem Gedankensystem, in welches sie hineingesetzt ist, die Person alles Mögliche will und thut, d. h. als Subject wirklicher Willküracte, daher als wirk-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0237"n="201"/>
von Häuptern oder gar durch ein einziges, welche die Wesen<lb/>
und Willen der übrigen Gemeinheit in sich begreifen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§ 2.</head><lb/><p>Die <hirendition="#g">Person</hi> oder das Willkürsubject ist, wie eine<lb/>
Willkürbildung, Einheit durch ihre äussere Bestimmung, <hirendition="#i">unum<lb/>
per accidens</hi> (ἕνκατὰτὸσυμβεβηκός) mechanische Einheit.<lb/>
Nämlich: so wie jene nur Realität und Einheit hat für ihr<lb/>
Subject und durch ihre Beziehung auf mögliche Wirkungen,<lb/>
so ist der Begriff der Person eine <hirendition="#g">Fiction</hi> oder (verwirk-<lb/>
licht gedacht) eine Construction des wissenschaftlichen Den-<lb/>
kens, dazu bestimmt die Einheit der Urheberschaft solcher<lb/>
Bildungen, also der Verfügungen über einen Complex von<lb/>
Kraft, Macht, Mitteln auszudrücken, eine Einheit, welche<lb/>
aus vielen Stücken einzelner möglicher Acte — wie immer<lb/>
deren eigene Einheit begriffen werden möge — erst durch<lb/>
das Denken zusammengesetzt wird, und mithin ihre Existenz<lb/>
welche durchaus ideeller Natur ist, <hirendition="#g">nach</hi> der Existenz der<lb/>
Vielheit, ausserhalb derselben und gleichsam über ihr hat;<lb/>
wenn nämlich vorgestellt wird, dass in der Vielheit Elemente<lb/>
enthalten sind, welche zu dieser Einheit, d. i. zu ihrem realen<lb/>
Vor- oder Gegenbild, der Uebereinstimmung in den Richtungen<lb/>
auf gleiche Zwecke, wie in die Höhe emporstreben (weil, einer<lb/>
uns natürlichen Einbildung gemäss, das bloss Gedachte über<lb/>
den wirklichen Dingen in der Luft zu schweben scheint),<lb/>
während hingegen die Einheit des organischen Wesens nicht<lb/>
allein in der Vielheit enthalten, sondern auch ihr zu Grunde<lb/>
liegend und also wie in der Tiefe unter ihr vorhanden<lb/>
(ohne doch darum getrennt und von ihr verschieden zu sein)<lb/>
begriffen werden muss. Ebenso: wenn aus einer Menge<lb/>
solcher empirisch-ideeller Einheiten ihr Begriff abgezogen<lb/>
wird, so verhält sich dieses Gemeinsame zu der quasi-ding-<lb/>
lichen Mannigfaltigkeit wiederum auf gleiche Weise wie die<lb/>
Einheit des einzelnen Dinges zu ihrer Vielheit: das <hirendition="#i">univer-<lb/>
sale</hi> ist <hirendition="#i">post rem</hi> und <hirendition="#i">extra res;</hi> auch die begriffliche oder<lb/>
Gattungs-(Klassen-)Einheit ist nur nominell, ideell, fictiv.</p><lb/><p>Wenn nun in dem Gedankensystem, in welches sie<lb/>
hineingesetzt ist, die Person alles Mögliche will und thut,<lb/>
d. h. als Subject <hirendition="#g">wirklicher</hi> Willküracte, daher als wirk-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[201/0237]
von Häuptern oder gar durch ein einziges, welche die Wesen
und Willen der übrigen Gemeinheit in sich begreifen.
§ 2.
Die Person oder das Willkürsubject ist, wie eine
Willkürbildung, Einheit durch ihre äussere Bestimmung, unum
per accidens (ἕν κατὰ τὸ συμβεβηκός) mechanische Einheit.
Nämlich: so wie jene nur Realität und Einheit hat für ihr
Subject und durch ihre Beziehung auf mögliche Wirkungen,
so ist der Begriff der Person eine Fiction oder (verwirk-
licht gedacht) eine Construction des wissenschaftlichen Den-
kens, dazu bestimmt die Einheit der Urheberschaft solcher
Bildungen, also der Verfügungen über einen Complex von
Kraft, Macht, Mitteln auszudrücken, eine Einheit, welche
aus vielen Stücken einzelner möglicher Acte — wie immer
deren eigene Einheit begriffen werden möge — erst durch
das Denken zusammengesetzt wird, und mithin ihre Existenz
welche durchaus ideeller Natur ist, nach der Existenz der
Vielheit, ausserhalb derselben und gleichsam über ihr hat;
wenn nämlich vorgestellt wird, dass in der Vielheit Elemente
enthalten sind, welche zu dieser Einheit, d. i. zu ihrem realen
Vor- oder Gegenbild, der Uebereinstimmung in den Richtungen
auf gleiche Zwecke, wie in die Höhe emporstreben (weil, einer
uns natürlichen Einbildung gemäss, das bloss Gedachte über
den wirklichen Dingen in der Luft zu schweben scheint),
während hingegen die Einheit des organischen Wesens nicht
allein in der Vielheit enthalten, sondern auch ihr zu Grunde
liegend und also wie in der Tiefe unter ihr vorhanden
(ohne doch darum getrennt und von ihr verschieden zu sein)
begriffen werden muss. Ebenso: wenn aus einer Menge
solcher empirisch-ideeller Einheiten ihr Begriff abgezogen
wird, so verhält sich dieses Gemeinsame zu der quasi-ding-
lichen Mannigfaltigkeit wiederum auf gleiche Weise wie die
Einheit des einzelnen Dinges zu ihrer Vielheit: das univer-
sale ist post rem und extra res; auch die begriffliche oder
Gattungs-(Klassen-)Einheit ist nur nominell, ideell, fictiv.
Wenn nun in dem Gedankensystem, in welches sie
hineingesetzt ist, die Person alles Mögliche will und thut,
d. h. als Subject wirklicher Willküracte, daher als wirk-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/237>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.