Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

liger nimt, als angenehm ist, so versezt man ihn an eine andere Stelle; wo nicht, mus der Prediger bei aller Behutsamkeit dennoch ein unangenehmes Schiksal erwarten, wen er nicht mit dem Hofe übereinstimmet. Einen andern Vorschlag thut der Hr. Kanzler v Mosheim p. 317; "der Prediger sol seinen Abschied fordern:" mir deucht aber, der Prediger mus erst überlegen ob er Befugnis hat, eben dan solches zuthun, wen das Amt, in welches ihn Gott gesezet hat, beschwerlig wird; "Hilft dan des Predigers Wiederspruch etwas? Der Fürst wird nimmer gestehen, daß er ein Aergernis gebe; wird auch nicht leiden wollen, daß man solches saget: da nun der Fürst allemal die Oberhand behält und thut, was er wil; so ists vergebens, daß ihm der Prediger wiederspricht." Die Oberhand mag der Fürst behalten: wen er aber Unrecht hat; kan das Aergernis vermindert werden, durch alles das, was der Prediger thut und leidet, indem er dawieder zeuget. Daher zweifle ich auch: obs pflichtmäßig unter solchen Umständen in der Stille davon zugehen und etwa um eine andere Stelle anzuhalten; manger wird es gewissenhafter finden das äuserste zuerwarten, es also auf die Absezung, und was damit verbunden sein kan, ankommen zulassen. So ists gegangen und so wirds künftig gehen; mus man aber deswegen es zur Rechtsregel machen? mus man sagen, daß der Fürst Befugnis habe eigenmächtig zuhandeln? Wieviel der Beispiele sein mögen, so machen solche keine Vorschrift, sondern sind und bleiben Abweichungen, wen sie nicht mit der Vorschrift übereinkommen. Der Fürst, sofern er ein Glied der Kirche ist, mus sich als ein solches betragen. Beim Abendmahle insonderheit erscheinet der Fürst als ein Glied der Gemeine: die Ertheilung und der Genus des Abendmahls ist das Merkmal der völligen Vereinigung mit derselben: wer aber öffentliges Aergernis gibt, und also ganz offenbar die Bedingungen bricht, unter welchen man ein Glied der Gemeine ist, begiebt sich solcher Gemeinschaft auf thätige Weise. Gewissenhafte Prediger mögens wissen: ob sie befugt sind, jemande, der ein fortwehrendes offenbares Aergernis gibt, das Abendmahl zureichen, ihn dadurch für ein ächtes Glied der Ge-

liger nimt, als angenehm ist, so versezt man ihn an eine andere Stelle; wo nicht, mus der Prediger bei aller Behutsamkeit dennoch ein unangenehmes Schiksal erwarten, wen er nicht mit dem Hofe übereinstimmet. Einen andern Vorschlag thut der Hr. Kanzler v Mosheim p. 317; ”der Prediger sol seinen Abschied fordern:” mir deucht aber, der Prediger mus erst überlegen ob er Befugnis hat, eben dan solches zuthun, wen das Amt, in welches ihn Gott gesezet hat, beschwerlig wird; ”Hilft dan des Predigers Wiederspruch etwas? Der Fürst wird nimmer gestehen, daß er ein Aergernis gebe; wird auch nicht leiden wollen, daß man solches saget: da nun der Fürst allemal die Oberhand behält und thut, was er wil; so ists vergebens, daß ihm der Prediger wiederspricht.” Die Oberhand mag der Fürst behalten: wen er aber Unrecht hat; kan das Aergernis vermindert werden, durch alles das, was der Prediger thut und leidet, indem er dawieder zeuget. Daher zweifle ich auch: obs pflichtmäßig unter solchen Umständen in der Stille davon zugehen und etwa um eine andere Stelle anzuhalten; manger wird es gewissenhafter finden das äuserste zuerwarten, es also auf die Absezung, und was damit verbunden sein kan, ankommen zulassen. So ists gegangen und so wirds künftig gehen; mus man aber deswegen es zur Rechtsregel machen? mus man sagen, daß der Fürst Befugnis habe eigenmächtig zuhandeln? Wieviel der Beispiele sein mögen, so machen solche keine Vorschrift, sondern sind und bleiben Abweichungen, wen sie nicht mit der Vorschrift übereinkommen. Der Fürst, sofern er ein Glied der Kirche ist, mus sich als ein solches betragen. Beim Abendmahle insonderheit erscheinet der Fürst als ein Glied der Gemeine: die Ertheilung und der Genus des Abendmahls ist das Merkmal der völligen Vereinigung mit derselben: wer aber öffentliges Aergernis gibt, und also ganz offenbar die Bedingungen bricht, unter welchen man ein Glied der Gemeine ist, begiebt sich solcher Gemeinschaft auf thätige Weise. Gewissenhafte Prediger mögens wissen: ob sie befugt sind, jemande, der ein fortwehrendes offenbares Aergernis gibt, das Abendmahl zureichen, ihn dadurch für ein ächtes Glied der Ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0954"/>
liger nimt, als                      angenehm ist, so versezt man ihn an eine andere Stelle; wo nicht, mus der                      Prediger bei aller Behutsamkeit dennoch ein unangenehmes Schiksal erwarten, wen                      er nicht mit dem Hofe übereinstimmet. Einen andern Vorschlag thut der Hr.                      Kanzler v Mosheim p. 317; &#x201D;der Prediger sol seinen Abschied fordern:&#x201D; mir deucht                      aber, der Prediger mus erst überlegen ob er Befugnis hat, eben dan solches                      zuthun, wen das Amt, in welches ihn Gott gesezet hat, beschwerlig wird; &#x201D;Hilft                      dan des Predigers Wiederspruch etwas? Der Fürst wird nimmer gestehen, daß er ein                      Aergernis gebe; wird auch nicht leiden wollen, daß man solches saget: da nun der                      Fürst allemal die Oberhand behält und thut, was er wil; so ists vergebens, daß                      ihm der Prediger wiederspricht.&#x201D; Die Oberhand mag der Fürst behalten: wen er                      aber Unrecht hat; kan das Aergernis vermindert werden, durch alles das, was der                      Prediger thut und leidet, indem er dawieder zeuget. Daher zweifle ich auch: obs                      pflichtmäßig unter solchen Umständen in der Stille davon zugehen und etwa um                      eine andere Stelle anzuhalten; manger wird es gewissenhafter finden das äuserste                      zuerwarten, es also auf die Absezung, und was damit verbunden sein kan, ankommen                      zulassen. So ists gegangen und so wirds künftig gehen; mus man aber deswegen es                      zur Rechtsregel machen? mus man sagen, daß der Fürst Befugnis habe eigenmächtig                      zuhandeln? Wieviel der Beispiele sein mögen, so machen solche keine Vorschrift,                      sondern sind und bleiben Abweichungen, wen sie nicht mit der Vorschrift                      übereinkommen. Der Fürst, sofern er ein Glied der Kirche ist, mus sich als ein                      solches betragen. Beim Abendmahle insonderheit erscheinet der Fürst als ein                      Glied der Gemeine: die Ertheilung und der Genus des Abendmahls ist das Merkmal                      der völligen Vereinigung mit derselben: wer aber öffentliges Aergernis gibt, und                      also ganz offenbar die Bedingungen bricht, unter welchen man ein Glied der                      Gemeine ist, begiebt sich solcher Gemeinschaft auf thätige Weise. Gewissenhafte                      Prediger mögens wissen: ob sie befugt sind, jemande, der ein fortwehrendes                      offenbares Aergernis gibt, das Abendmahl zureichen, ihn dadurch für ein ächtes                      Glied der Ge-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0954] liger nimt, als angenehm ist, so versezt man ihn an eine andere Stelle; wo nicht, mus der Prediger bei aller Behutsamkeit dennoch ein unangenehmes Schiksal erwarten, wen er nicht mit dem Hofe übereinstimmet. Einen andern Vorschlag thut der Hr. Kanzler v Mosheim p. 317; ”der Prediger sol seinen Abschied fordern:” mir deucht aber, der Prediger mus erst überlegen ob er Befugnis hat, eben dan solches zuthun, wen das Amt, in welches ihn Gott gesezet hat, beschwerlig wird; ”Hilft dan des Predigers Wiederspruch etwas? Der Fürst wird nimmer gestehen, daß er ein Aergernis gebe; wird auch nicht leiden wollen, daß man solches saget: da nun der Fürst allemal die Oberhand behält und thut, was er wil; so ists vergebens, daß ihm der Prediger wiederspricht.” Die Oberhand mag der Fürst behalten: wen er aber Unrecht hat; kan das Aergernis vermindert werden, durch alles das, was der Prediger thut und leidet, indem er dawieder zeuget. Daher zweifle ich auch: obs pflichtmäßig unter solchen Umständen in der Stille davon zugehen und etwa um eine andere Stelle anzuhalten; manger wird es gewissenhafter finden das äuserste zuerwarten, es also auf die Absezung, und was damit verbunden sein kan, ankommen zulassen. So ists gegangen und so wirds künftig gehen; mus man aber deswegen es zur Rechtsregel machen? mus man sagen, daß der Fürst Befugnis habe eigenmächtig zuhandeln? Wieviel der Beispiele sein mögen, so machen solche keine Vorschrift, sondern sind und bleiben Abweichungen, wen sie nicht mit der Vorschrift übereinkommen. Der Fürst, sofern er ein Glied der Kirche ist, mus sich als ein solches betragen. Beim Abendmahle insonderheit erscheinet der Fürst als ein Glied der Gemeine: die Ertheilung und der Genus des Abendmahls ist das Merkmal der völligen Vereinigung mit derselben: wer aber öffentliges Aergernis gibt, und also ganz offenbar die Bedingungen bricht, unter welchen man ein Glied der Gemeine ist, begiebt sich solcher Gemeinschaft auf thätige Weise. Gewissenhafte Prediger mögens wissen: ob sie befugt sind, jemande, der ein fortwehrendes offenbares Aergernis gibt, das Abendmahl zureichen, ihn dadurch für ein ächtes Glied der Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/954
Zitationshilfe: Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/954>, abgerufen am 17.05.2024.