Des Winters drohende Gefahren, Was sind sie, wenn Gott will bewahren? Und er, mein Gott bewahret mich.
Einem Schiffe, das allen Klippen und Strudein behutsam aus- wich; Krankheiten, Wassermangel, Stürmen und wilden Menschen entrann, und nun wohlbehalten in den Hafen einläuft: dem bin ich gleich, wenn ich, nach zurückgelegtem Tage, mein Abendgebet vor Gott bringe. Dicht um mich her lagen so viele, obgleich unvermerkte Gefahren verbreitet, daß ich jetzt mit Dank bekennen muß: du, Herr! hast mich errettet! Die Gefahren des Winters haben noch ihre besondre verborgene Klippen, an welchen unser Wohlstand leichtlich scheitern kan; wer aber achtet ihrer groß!
Der Frost ist denen gefährlich, welche sich lange in freier Luft aufhalten müssen: aber er ist es auch denen, welche sich selten aus ihren heissen Zimmern herauswagen. Eine so plötzliche Ver- änderung drohet Schlagfluß und Katarrh; zumal, da hitzige Ge- tränke anjetzt beliebter sind, als sonst. Bei zugefrornen Flüssen ist der Mangel des Wassers in mancher Absicht, sonderlich bei entstehender Feuersnoth, höchst nachtheilig. Der Winter ver- mehret unsern Aufwand: darüber seufzt jetzt mancher, der doch nicht dankbar ist, wenn er Licht und Wärme von der Sonne un- entgeldlich empfängt. Die langen Winternächte haben ihre be- sondre Ungemächlichkeiten. Sie reizen uns zu überlangem, folg- lich ungesundem Schlaf. Diebe und andre Bösewichter haben jetzt längere Zeit, ihre Schlingen zu legen, und ihre Werke der Finsterniß zu vollenden. Vornemlich wird unsrer Brust der Dampf der Lichter schädlich, und unsern Augen ihr fackelnder und zitternder Glanz, wozu noch am Tage der blendende Schnee und
die
Der 22te Januar.
Des Winters drohende Gefahren, Was ſind ſie, wenn Gott will bewahren? Und er, mein Gott bewahret mich.
Einem Schiffe, das allen Klippen und Strudein behutſam aus- wich; Krankheiten, Waſſermangel, Stuͤrmen und wilden Menſchen entrann, und nun wohlbehalten in den Hafen einlaͤuft: dem bin ich gleich, wenn ich, nach zuruͤckgelegtem Tage, mein Abendgebet vor Gott bringe. Dicht um mich her lagen ſo viele, obgleich unvermerkte Gefahren verbreitet, daß ich jetzt mit Dank bekennen muß: du, Herr! haſt mich errettet! Die Gefahren des Winters haben noch ihre beſondre verborgene Klippen, an welchen unſer Wohlſtand leichtlich ſcheitern kan; wer aber achtet ihrer groß!
Der Froſt iſt denen gefaͤhrlich, welche ſich lange in freier Luft aufhalten muͤſſen: aber er iſt es auch denen, welche ſich ſelten aus ihren heiſſen Zimmern herauswagen. Eine ſo ploͤtzliche Ver- aͤnderung drohet Schlagfluß und Katarrh; zumal, da hitzige Ge- traͤnke anjetzt beliebter ſind, als ſonſt. Bei zugefrornen Fluͤſſen iſt der Mangel des Waſſers in mancher Abſicht, ſonderlich bei entſtehender Feuersnoth, hoͤchſt nachtheilig. Der Winter ver- mehret unſern Aufwand: daruͤber ſeufzt jetzt mancher, der doch nicht dankbar iſt, wenn er Licht und Waͤrme von der Sonne un- entgeldlich empfaͤngt. Die langen Winternaͤchte haben ihre be- ſondre Ungemaͤchlichkeiten. Sie reizen uns zu uͤberlangem, folg- lich ungeſundem Schlaf. Diebe und andre Boͤſewichter haben jetzt laͤngere Zeit, ihre Schlingen zu legen, und ihre Werke der Finſterniß zu vollenden. Vornemlich wird unſrer Bruſt der Dampf der Lichter ſchaͤdlich, und unſern Augen ihr fackelnder und zitternder Glanz, wozu noch am Tage der blendende Schnee und
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[45[75]/0082]
Der 22te Januar.
Des Winters drohende Gefahren,
Was ſind ſie, wenn Gott will bewahren?
Und er, mein Gott bewahret mich.
Einem Schiffe, das allen Klippen und Strudein behutſam aus-
wich; Krankheiten, Waſſermangel, Stuͤrmen und wilden
Menſchen entrann, und nun wohlbehalten in den Hafen einlaͤuft:
dem bin ich gleich, wenn ich, nach zuruͤckgelegtem Tage, mein
Abendgebet vor Gott bringe. Dicht um mich her lagen ſo viele,
obgleich unvermerkte Gefahren verbreitet, daß ich jetzt mit Dank
bekennen muß: du, Herr! haſt mich errettet! Die Gefahren
des Winters haben noch ihre beſondre verborgene Klippen, an
welchen unſer Wohlſtand leichtlich ſcheitern kan; wer aber achtet
ihrer groß!
Der Froſt iſt denen gefaͤhrlich, welche ſich lange in freier
Luft aufhalten muͤſſen: aber er iſt es auch denen, welche ſich ſelten
aus ihren heiſſen Zimmern herauswagen. Eine ſo ploͤtzliche Ver-
aͤnderung drohet Schlagfluß und Katarrh; zumal, da hitzige Ge-
traͤnke anjetzt beliebter ſind, als ſonſt. Bei zugefrornen Fluͤſſen
iſt der Mangel des Waſſers in mancher Abſicht, ſonderlich bei
entſtehender Feuersnoth, hoͤchſt nachtheilig. Der Winter ver-
mehret unſern Aufwand: daruͤber ſeufzt jetzt mancher, der doch
nicht dankbar iſt, wenn er Licht und Waͤrme von der Sonne un-
entgeldlich empfaͤngt. Die langen Winternaͤchte haben ihre be-
ſondre Ungemaͤchlichkeiten. Sie reizen uns zu uͤberlangem, folg-
lich ungeſundem Schlaf. Diebe und andre Boͤſewichter haben
jetzt laͤngere Zeit, ihre Schlingen zu legen, und ihre Werke der
Finſterniß zu vollenden. Vornemlich wird unſrer Bruſt der
Dampf der Lichter ſchaͤdlich, und unſern Augen ihr fackelnder und
zitternder Glanz, wozu noch am Tage der blendende Schnee und
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 45[75]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/82>, abgerufen am 24.11.2024.
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