Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite


Der 15te April.
Jch bin Fleisch, und muß daher
Auch einmal zu Asche werden,
Das gesteh ich, doch wird er
Mich erwecken aus der Erden,
Daß ich in der Herrlichkeit,
Um ihn seyn mög allezeit.


Jesus ist auferstanden, die Auferstehung von den Tod-
ten
ist demnach eine wahre Geschichte. Der glänzende
leichte Schmetterling, der im vorigen Jahre noch eine unansehn-
liche träge Raupe war; die wallende Saat, welche sich aus dem
verwesenden Samenkorn entwickelte; mein tägliches Brod und
viele andre Beweise treten in der Natur auf, die Verheissungen
in der heiligen Schrift von meiner bevorstehenden Verwandlung
im Grabe zu bekräftigen und zu erläutern.

Jch müßte sehr kleine Begriffe von Gottes Eigenschaften
haben, wenn ich Skrupel suchen wolte, welche am Ende nichts
weiter beweisen, als daß ich ein kurzsichtiger Mensch bin. Mag
doch der Staub meines Körpers in Süden oder Norden verwe-
het werden; mag doch die haushälterische Natur ihn noch zu tau-
send andern Körpern verwenden: Gott wird meinen Staub doch
immer kennen, und aus der grossen oft abgeänderten Masse kör-
perlicher Theile, wird der Allweise mir leicht, bei meiner Aufer-
stehung, einen Leib geben können, von dem ich sagen kan: er war
der meinige. Man weiß, daß unsre Nahrungsmittel täglich neue
Theilchen ansetzen, und alte abgenutzte dagegen dem Körper derge-
stalt entführet werden, daß wir nach zehn Jahren allemal einen
ganz neuen Leib haben. Die Hand, welche ich jetzt bewege, hat
allgemach sich so verändert, daß sie aus ganz andrer Materie be-

stehet,


Der 15te April.
Jch bin Fleiſch, und muß daher
Auch einmal zu Aſche werden,
Das geſteh ich, doch wird er
Mich erwecken aus der Erden,
Daß ich in der Herrlichkeit,
Um ihn ſeyn moͤg allezeit.


Jeſus iſt auferſtanden, die Auferſtehung von den Tod-
ten
iſt demnach eine wahre Geſchichte. Der glaͤnzende
leichte Schmetterling, der im vorigen Jahre noch eine unanſehn-
liche traͤge Raupe war; die wallende Saat, welche ſich aus dem
verweſenden Samenkorn entwickelte; mein taͤgliches Brod und
viele andre Beweiſe treten in der Natur auf, die Verheiſſungen
in der heiligen Schrift von meiner bevorſtehenden Verwandlung
im Grabe zu bekraͤftigen und zu erlaͤutern.

Jch muͤßte ſehr kleine Begriffe von Gottes Eigenſchaften
haben, wenn ich Skrupel ſuchen wolte, welche am Ende nichts
weiter beweiſen, als daß ich ein kurzſichtiger Menſch bin. Mag
doch der Staub meines Koͤrpers in Suͤden oder Norden verwe-
het werden; mag doch die haushaͤlteriſche Natur ihn noch zu tau-
ſend andern Koͤrpern verwenden: Gott wird meinen Staub doch
immer kennen, und aus der groſſen oft abgeaͤnderten Maſſe koͤr-
perlicher Theile, wird der Allweiſe mir leicht, bei meiner Aufer-
ſtehung, einen Leib geben koͤnnen, von dem ich ſagen kan: er war
der meinige. Man weiß, daß unſre Nahrungsmittel taͤglich neue
Theilchen anſetzen, und alte abgenutzte dagegen dem Koͤrper derge-
ſtalt entfuͤhret werden, daß wir nach zehn Jahren allemal einen
ganz neuen Leib haben. Die Hand, welche ich jetzt bewege, hat
allgemach ſich ſo veraͤndert, daß ſie aus ganz andrer Materie be-

ſtehet,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0256" n="219[249]"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der 15<hi rendition="#sup">te</hi> April.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">J</hi>ch bin Flei&#x017F;ch, und muß daher</l><lb/>
              <l>Auch einmal zu A&#x017F;che werden,</l><lb/>
              <l>Das ge&#x017F;teh ich, doch wird er</l><lb/>
              <l>Mich erwecken aus der Erden,</l><lb/>
              <l>Daß ich in der Herrlichkeit,</l><lb/>
              <l>Um ihn &#x017F;eyn mo&#x0364;g allezeit.</l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>e&#x017F;us i&#x017F;t aufer&#x017F;tanden, <hi rendition="#fr">die Aufer&#x017F;tehung von den Tod-<lb/>
ten</hi> i&#x017F;t demnach eine wahre Ge&#x017F;chichte. Der gla&#x0364;nzende<lb/>
leichte Schmetterling, der im vorigen Jahre noch eine unan&#x017F;ehn-<lb/>
liche tra&#x0364;ge Raupe war; die wallende Saat, welche &#x017F;ich aus dem<lb/>
verwe&#x017F;enden Samenkorn entwickelte; mein ta&#x0364;gliches Brod und<lb/>
viele andre Bewei&#x017F;e treten in der Natur auf, die Verhei&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
in der heiligen Schrift von meiner bevor&#x017F;tehenden Verwandlung<lb/>
im Grabe zu bekra&#x0364;ftigen und zu erla&#x0364;utern.</p><lb/>
            <p>Jch mu&#x0364;ßte &#x017F;ehr kleine Begriffe von Gottes Eigen&#x017F;chaften<lb/>
haben, wenn ich Skrupel &#x017F;uchen wolte, welche am Ende nichts<lb/>
weiter bewei&#x017F;en, als daß ich ein kurz&#x017F;ichtiger Men&#x017F;ch bin. Mag<lb/>
doch der Staub meines Ko&#x0364;rpers in Su&#x0364;den oder Norden verwe-<lb/>
het werden; mag doch die hausha&#x0364;lteri&#x017F;che Natur ihn noch zu tau-<lb/>
&#x017F;end andern Ko&#x0364;rpern verwenden: Gott wird meinen Staub doch<lb/>
immer kennen, und aus der gro&#x017F;&#x017F;en oft abgea&#x0364;nderten Ma&#x017F;&#x017F;e ko&#x0364;r-<lb/>
perlicher Theile, wird der Allwei&#x017F;e mir leicht, bei meiner Aufer-<lb/>
&#x017F;tehung, einen Leib geben ko&#x0364;nnen, von dem ich &#x017F;agen kan: er war<lb/>
der meinige. Man weiß, daß un&#x017F;re Nahrungsmittel ta&#x0364;glich neue<lb/>
Theilchen an&#x017F;etzen, und alte abgenutzte dagegen dem Ko&#x0364;rper derge-<lb/>
&#x017F;talt entfu&#x0364;hret werden, daß wir nach zehn Jahren allemal einen<lb/>
ganz neuen Leib haben. Die Hand, welche ich jetzt bewege, hat<lb/>
allgemach &#x017F;ich &#x017F;o vera&#x0364;ndert, daß &#x017F;ie aus ganz andrer Materie be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tehet,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219[249]/0256] Der 15te April. Jch bin Fleiſch, und muß daher Auch einmal zu Aſche werden, Das geſteh ich, doch wird er Mich erwecken aus der Erden, Daß ich in der Herrlichkeit, Um ihn ſeyn moͤg allezeit. Jeſus iſt auferſtanden, die Auferſtehung von den Tod- ten iſt demnach eine wahre Geſchichte. Der glaͤnzende leichte Schmetterling, der im vorigen Jahre noch eine unanſehn- liche traͤge Raupe war; die wallende Saat, welche ſich aus dem verweſenden Samenkorn entwickelte; mein taͤgliches Brod und viele andre Beweiſe treten in der Natur auf, die Verheiſſungen in der heiligen Schrift von meiner bevorſtehenden Verwandlung im Grabe zu bekraͤftigen und zu erlaͤutern. Jch muͤßte ſehr kleine Begriffe von Gottes Eigenſchaften haben, wenn ich Skrupel ſuchen wolte, welche am Ende nichts weiter beweiſen, als daß ich ein kurzſichtiger Menſch bin. Mag doch der Staub meines Koͤrpers in Suͤden oder Norden verwe- het werden; mag doch die haushaͤlteriſche Natur ihn noch zu tau- ſend andern Koͤrpern verwenden: Gott wird meinen Staub doch immer kennen, und aus der groſſen oft abgeaͤnderten Maſſe koͤr- perlicher Theile, wird der Allweiſe mir leicht, bei meiner Aufer- ſtehung, einen Leib geben koͤnnen, von dem ich ſagen kan: er war der meinige. Man weiß, daß unſre Nahrungsmittel taͤglich neue Theilchen anſetzen, und alte abgenutzte dagegen dem Koͤrper derge- ſtalt entfuͤhret werden, daß wir nach zehn Jahren allemal einen ganz neuen Leib haben. Die Hand, welche ich jetzt bewege, hat allgemach ſich ſo veraͤndert, daß ſie aus ganz andrer Materie be- ſtehet,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/256
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 219[249]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/256>, abgerufen am 22.11.2024.