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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 14te April.
Einst werd ich in der Engel Schaaren
Mich ihnen gleich und heilig sehn;
Das nie gestöhrte Glück erfahren:
Mit Frommen stets fromm umzugehn.
Da wird durch jeden Augenblick
Jhr Heil mein Heil, mein Glück ihr Glück.


Was wir hier Gesellschaft nennen, verdienet den hohen Na-
men nicht. Es sind nur Bediente, welche uns durch den
Vorsaal begleiten: wir müssen uns mit ihnen nicht zu weit ein-
lassen. Dort aber, nach geöfneten Pforten der Ewigkeit, finden
wir erst unsre Gesellschafter im Himmel; welche allein es
verdienen daß wir unsre Hinterlaßnen, und wären es unsre eigne
Kinder, darüber vergessen.

Eine wunderbare Gesellschaft! Jch sahe sie niemals, und
kenne sie doch. Jch kan mir nichts erhabners gedenken, und scheue
mich doch, die kaltsinnigen Freunde der Erde zu verlassen. Aus-
ser den Namen meines höchsten Freundes und Erlösers, fallen
mir funfzig Fromme aus der Bibel, und hundert meiner Be-
kanten und irdischen Freunde ein, nach welchen ich in der Ewig-
keit begierig fragen werde. "Jch finde doch wol meinen Vater,
meine Mutter und Geschwister bei Gott? Nun will ich meine
Großeltern umarmen. Wer waren meine Ureltern? Wer ihre
Ureltern? Jch muß sie alle kennen bis auf Adam. Es können
ihrer, Väter und Mütter zusammen gerechnet, nicht vierhun-
dert gewesen seyn. Wo sind die Theuren, diese nächste Men-
schen, die mir Gott gab; der Stamm, die Zweige, von denen
ich das Blatt war?" -- Rührender Auftritt! (Einer von de-
nen, die mir gewiß bevorstehen, und die ich niemals bedenke!)

Einige
O 5


Der 14te April.
Einſt werd ich in der Engel Schaaren
Mich ihnen gleich und heilig ſehn;
Das nie geſtoͤhrte Gluͤck erfahren:
Mit Frommen ſtets fromm umzugehn.
Da wird durch jeden Augenblick
Jhr Heil mein Heil, mein Gluͤck ihr Gluͤck.


Was wir hier Geſellſchaft nennen, verdienet den hohen Na-
men nicht. Es ſind nur Bediente, welche uns durch den
Vorſaal begleiten: wir muͤſſen uns mit ihnen nicht zu weit ein-
laſſen. Dort aber, nach geoͤfneten Pforten der Ewigkeit, finden
wir erſt unſre Geſellſchafter im Himmel; welche allein es
verdienen daß wir unſre Hinterlaßnen, und waͤren es unſre eigne
Kinder, daruͤber vergeſſen.

Eine wunderbare Geſellſchaft! Jch ſahe ſie niemals, und
kenne ſie doch. Jch kan mir nichts erhabners gedenken, und ſcheue
mich doch, die kaltſinnigen Freunde der Erde zu verlaſſen. Auſ-
ſer den Namen meines hoͤchſten Freundes und Erloͤſers, fallen
mir funfzig Fromme aus der Bibel, und hundert meiner Be-
kanten und irdiſchen Freunde ein, nach welchen ich in der Ewig-
keit begierig fragen werde. „Jch finde doch wol meinen Vater,
meine Mutter und Geſchwiſter bei Gott? Nun will ich meine
Großeltern umarmen. Wer waren meine Ureltern? Wer ihre
Ureltern? Jch muß ſie alle kennen bis auf Adam. Es koͤnnen
ihrer, Vaͤter und Muͤtter zuſammen gerechnet, nicht vierhun-
dert geweſen ſeyn. Wo ſind die Theuren, dieſe naͤchſte Men-
ſchen, die mir Gott gab; der Stamm, die Zweige, von denen
ich das Blatt war?“ — Ruͤhrender Auftritt! (Einer von de-
nen, die mir gewiß bevorſtehen, und die ich niemals bedenke!)

Einige
O 5
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[217[247]/0254] Der 14te April. Einſt werd ich in der Engel Schaaren Mich ihnen gleich und heilig ſehn; Das nie geſtoͤhrte Gluͤck erfahren: Mit Frommen ſtets fromm umzugehn. Da wird durch jeden Augenblick Jhr Heil mein Heil, mein Gluͤck ihr Gluͤck. Was wir hier Geſellſchaft nennen, verdienet den hohen Na- men nicht. Es ſind nur Bediente, welche uns durch den Vorſaal begleiten: wir muͤſſen uns mit ihnen nicht zu weit ein- laſſen. Dort aber, nach geoͤfneten Pforten der Ewigkeit, finden wir erſt unſre Geſellſchafter im Himmel; welche allein es verdienen daß wir unſre Hinterlaßnen, und waͤren es unſre eigne Kinder, daruͤber vergeſſen. Eine wunderbare Geſellſchaft! Jch ſahe ſie niemals, und kenne ſie doch. Jch kan mir nichts erhabners gedenken, und ſcheue mich doch, die kaltſinnigen Freunde der Erde zu verlaſſen. Auſ- ſer den Namen meines hoͤchſten Freundes und Erloͤſers, fallen mir funfzig Fromme aus der Bibel, und hundert meiner Be- kanten und irdiſchen Freunde ein, nach welchen ich in der Ewig- keit begierig fragen werde. „Jch finde doch wol meinen Vater, meine Mutter und Geſchwiſter bei Gott? Nun will ich meine Großeltern umarmen. Wer waren meine Ureltern? Wer ihre Ureltern? Jch muß ſie alle kennen bis auf Adam. Es koͤnnen ihrer, Vaͤter und Muͤtter zuſammen gerechnet, nicht vierhun- dert geweſen ſeyn. Wo ſind die Theuren, dieſe naͤchſte Men- ſchen, die mir Gott gab; der Stamm, die Zweige, von denen ich das Blatt war?“ — Ruͤhrender Auftritt! (Einer von de- nen, die mir gewiß bevorſtehen, und die ich niemals bedenke!) Einige O 5

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 217[247]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/254>, abgerufen am 22.11.2024.