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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 11te Februar.
nicht an, Gottes Daseyn, die Auferstehung der Todten und [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
jüngste Gericht in Zweifel zu ziehen. Und hier finden wir e[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
der Hauptursachen, warum es Reichen schwer ist, ins Re[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Gottes einzugehen. Lispelt ein Laster in deinem Herzen: tra[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
nicht! denn hörest du erst dem Gesange der Sirene aufmerksa
zu; so bist du verloren! Flieh und beschäftige dich!

Müßiggänger sind eine wahre Last für ihre arbeitsamer
Brüder. Nicht genung, daß diese für sie mitarbeiten müssen
sie hindern selbige auch, und machen sie verdrießlich. Und weh[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
uns, wenn wir alle Zeitungen und Verläumdungen anhöre[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
müssen, welche ihre arbeitsame Zunge verbreiter! Die schmach[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
tende Langeweile jägt ihre Sklaven dann und wann von den Pol-
stern auf, und treibet sie vor sich her. Sie suchen Ruhe, und
finden sie nicht. Wir wundern uns oft, wie es möglich war,
daß ein sonst verständiger Mensch niederträchtig sich wegwarf;
aber die Langeweile löset das Räzel auf. Wir sollen unser eigen
Brod essen, unser eignes Leben leben, folglich nicht blos von an-
dern Menschen uns ernähren lassen, oder nach ihnen blos den-
ken: sondern selbst würken.

Habe ich heut alle Minuten mit Arbeit ausgefüllt? welche
Ernte säete ich aus? Löseten sich Leib und Seele treulich bei ihren
Verrichtungen ab? Ich verlange jetzt Schlaf: aber nur nach
gethaner Arbeit läßt es sich |gut ruhen. Für unsern Geist ins-
besondere sind lange Feierstunden gefährlich. Selbst anjetzt, da
mein Körper sein heutiges Tagewerk beschließt, muß jener sich
noch mit dem Hinunel beschäftigen, wofern ich mich nicht ver-
sündigen will. Ja, noch auf meinem Lager will ich dich denken,
mein Wohlthäter! der du mir heute so viel Kraft zu meinen Ge-
schäften gabst! Laß mich morgen mit neuer Stärke meinem Be-
ruf obliegen! Und ach! wie wichtig ist mein Beruf: ich soll meine
Seligkeit schaffen unter Furcht und Zittern!

Der

Der 11te Februar.
nicht an, Gottes Daſeyn, die Auferſtehung der Todten und [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
juͤngſte Gericht in Zweifel zu ziehen. Und hier finden wir e[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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nicht! denn hoͤreſt du erſt dem Geſange der Sirene aufmerkſa
zu; ſo biſt du verloren! Flieh und beſchaͤftige dich!

Muͤßiggaͤnger ſind eine wahre Laſt fuͤr ihre arbeitſamer
Bruͤder. Nicht genung, daß dieſe fuͤr ſie mitarbeiten muͤſſen
ſie hindern ſelbige auch, und machen ſie verdrießlich. Und weh[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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ſtern auf, und treibet ſie vor ſich her. Sie ſuchen Ruhe, und
finden ſie nicht. Wir wundern uns oft, wie es moͤglich war,
daß ein ſonſt verſtaͤndiger Menſch niedertraͤchtig ſich wegwarf;
aber die Langeweile loͤſet das Raͤzel auf. Wir ſollen unſer eigen
Brod eſſen, unſer eignes Leben leben, folglich nicht blos von an-
dern Menſchen uns ernaͤhren laſſen, oder nach ihnen blos den-
ken: ſondern ſelbſt wuͤrken.

Habe ich heut alle Minuten mit Arbeit ausgefuͤllt? welche
Ernte ſaͤete ich aus? Loͤſeten ſich Leib und Seele treulich bei ihren
Verrichtungen ab? Ich verlange jetzt Schlaf: aber nur nach
gethaner Arbeit laͤßt es ſich |gut ruhen. Fuͤr unſern Geiſt ins-
beſondere ſind lange Feierſtunden gefaͤhrlich. Selbſt anjetzt, da
mein Koͤrper ſein heutiges Tagewerk beſchließt, muß jener ſich
noch mit dem Hinunel beſchaͤftigen, wofern ich mich nicht ver-
ſuͤndigen will. Ja, noch auf meinem Lager will ich dich denken,
mein Wohlthaͤter! der du mir heute ſo viel Kraft zu meinen Ge-
ſchaͤften gabſt! Laß mich morgen mit neuer Staͤrke meinem Be-
ruf obliegen! Und ach! wie wichtig iſt mein Beruf: ich ſoll meine
Seligkeit ſchaffen unter Furcht und Zittern!

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 88[118]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/125>, abgerufen am 13.06.2024.