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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 5te Janauar.
Jedoch, nichts kan uns mehr davon abschrecken, als das E[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
eines solchen Elenden. Keinem Lasterhaften wird auf dem Kra[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
kenlager die Bekehrung so schwer, als diesem. Denn wie da[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
er Gottes Gnade erflehen, so lange er noch wissentlich gestol[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Güter besitzt! Gib erst den übermäßigen Wucher, den abgezwack[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
ten Arbeiterlohn heraus, ehe du betest! Wie soll dich Gott er[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
hören, so lange Wittwen und Waisen über deine Härte weinen!
-- Schreckliche Foderungen für den, der auch noch sterbend
nichts von seinem zusammengescharrten Vermögen missen will!
Es ist schwer, daß ein Geiziger ins Reich Gottes eingehe. Er
ist ein Scheusal vor Gott und den Menschen.

Jch will mich hüten, daß keine Geldgier mein Herz ein-
nehme. Die nützliche Tugend der Sparsamkeit ist von diesem
hündischen Laster leicht zu unterscheiden. Jene darbet den Armen
nichts, sich selbst aber nur den Ueberfluß ab: dieses aber gibt
kein Geld ohne Wehmut und Eigennutz aus, und scheuet sich
nicht, göttliche und menschliche Gesetze zu übertreten. Jene
spart um eine arme Wittwe zu kleiden: der Geiz aber ziehet sie
vollend, unter dem Schein des Rechten, aus. Laß mich, all-
genugsomer Gott! meinen Reichthum in deine Gnade setzen.
Dann lerne ich Zufriedenheit; und dann -- was fehlet mir
noch? Kein ungerechter, auch kein unbilliger Pfennig müsse
mein Vermögen wie ein Krebs anfressen! Wenn ich den Him-
mel zu hoffen habe, so sind Berge von Gold und Juwelenkäst-
gen eine entbehrliche Beilage, und ich schlafe ruhig.

Drum, Herr! erhalte mich dabei,
Daß ich mir gnügen laße;
Geiz ewig als Abgötterei
Von mir entfern und hasse.
Ein weises Herz und guter Muth
Sey meines Lebens größtes Gut!
Der

Der 5te Janauar.
Jedoch, nichts kan uns mehr davon abſchrecken, als das E[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
eines ſolchen Elenden. Keinem Laſterhaften wird auf dem Kra[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
kenlager die Bekehrung ſo ſchwer, als dieſem. Denn wie da[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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ten Arbeiterlohn heraus, ehe du beteſt! Wie ſoll dich Gott er[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
hoͤren, ſo lange Wittwen und Waiſen uͤber deine Haͤrte weinen!
— Schreckliche Foderungen fuͤr den, der auch noch ſterbend
nichts von ſeinem zuſammengeſcharrten Vermoͤgen miſſen will!
Es iſt ſchwer, daß ein Geiziger ins Reich Gottes eingehe. Er
iſt ein Scheuſal vor Gott und den Menſchen.

Jch will mich huͤten, daß keine Geldgier mein Herz ein-
nehme. Die nuͤtzliche Tugend der Sparſamkeit iſt von dieſem
huͤndiſchen Laſter leicht zu unterſcheiden. Jene darbet den Armen
nichts, ſich ſelbſt aber nur den Ueberfluß ab: dieſes aber gibt
kein Geld ohne Wehmut und Eigennutz aus, und ſcheuet ſich
nicht, goͤttliche und menſchliche Geſetze zu uͤbertreten. Jene
ſpart um eine arme Wittwe zu kleiden: der Geiz aber ziehet ſie
vollend, unter dem Schein des Rechten, aus. Laß mich, all-
genugſomer Gott! meinen Reichthum in deine Gnade ſetzen.
Dann lerne ich Zufriedenheit; und dann — was fehlet mir
noch? Kein ungerechter, auch kein unbilliger Pfennig muͤſſe
mein Vermoͤgen wie ein Krebs anfreſſen! Wenn ich den Him-
mel zu hoffen habe, ſo ſind Berge von Gold und Juwelenkaͤſt-
gen eine entbehrliche Beilage, und ich ſchlafe ruhig.

Drum, Herr! erhalte mich dabei,
Daß ich mir gnuͤgen laße;
Geiz ewig als Abgoͤtterei
Von mir entfern und haſſe.
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[76[106]/0113] Der 5te Janauar. Jedoch, nichts kan uns mehr davon abſchrecken, als das E_ eines ſolchen Elenden. Keinem Laſterhaften wird auf dem Kra_ kenlager die Bekehrung ſo ſchwer, als dieſem. Denn wie da_ er Gottes Gnade erflehen, ſo lange er noch wiſſentlich geſtol_ Guͤter beſitzt! Gib erſt den uͤbermaͤßigen Wucher, den abgezwack_ ten Arbeiterlohn heraus, ehe du beteſt! Wie ſoll dich Gott er_ hoͤren, ſo lange Wittwen und Waiſen uͤber deine Haͤrte weinen! — Schreckliche Foderungen fuͤr den, der auch noch ſterbend nichts von ſeinem zuſammengeſcharrten Vermoͤgen miſſen will! Es iſt ſchwer, daß ein Geiziger ins Reich Gottes eingehe. Er iſt ein Scheuſal vor Gott und den Menſchen. Jch will mich huͤten, daß keine Geldgier mein Herz ein- nehme. Die nuͤtzliche Tugend der Sparſamkeit iſt von dieſem huͤndiſchen Laſter leicht zu unterſcheiden. Jene darbet den Armen nichts, ſich ſelbſt aber nur den Ueberfluß ab: dieſes aber gibt kein Geld ohne Wehmut und Eigennutz aus, und ſcheuet ſich nicht, goͤttliche und menſchliche Geſetze zu uͤbertreten. Jene ſpart um eine arme Wittwe zu kleiden: der Geiz aber ziehet ſie vollend, unter dem Schein des Rechten, aus. Laß mich, all- genugſomer Gott! meinen Reichthum in deine Gnade ſetzen. Dann lerne ich Zufriedenheit; und dann — was fehlet mir noch? Kein ungerechter, auch kein unbilliger Pfennig muͤſſe mein Vermoͤgen wie ein Krebs anfreſſen! Wenn ich den Him- mel zu hoffen habe, ſo ſind Berge von Gold und Juwelenkaͤſt- gen eine entbehrliche Beilage, und ich ſchlafe ruhig. Drum, Herr! erhalte mich dabei, Daß ich mir gnuͤgen laße; Geiz ewig als Abgoͤtterei Von mir entfern und haſſe. Ein weiſes Herz und guter Muth Sey meines Lebens groͤßtes Gut! Der

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 76[106]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/113>, abgerufen am 13.06.2024.