Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder verknüpfen oder zu einander führen. So zerstörte ich sie denn nicht ohne Mühsal am Ende völlig, immer die geretteten Tritte oder Stufen nach den übrigen noch vorhandenen obern Stufen hinaufführend. Jetzt hast du das vollendete Werk angestaunt, mein herziges Kind, und siehst nun wohl ein, daß wir uns zur Zeit noch mehr als sonst selbst genügen müssen. Denn wie möchte es doch eine Kaffeegesellschaft anfangen, mit ihren Nachrichten hier zu dir hinauf zu dringen? Nein, ich bin dir, du bist mir genug; der Frühling kommt, du stellst deine Tulpe und Hyazinthe an das Fenster, und wir sitzen hier,

Wo uns die Gärten der Semiramis Auf zu den Wolken steigenden Terrassen In bunter Sommerpracht entgegenlachen Mit dem Geplätscher ihrer spielenden Brunnen! Den langen Sommer durch soll dort auf uns Ein paradiesisch Liebesleben thau'n! Dort auf der höchsten der Terrassen will ich, Von dunkel glüh'nden Rosen überlaubt, An deiner Seite sitzen, uns zu Füßen Die heiß besonnten Dächer Babylons. --

Ich glaube, unser Freund Uechtritz hat das ganz eigen auf unsern Zustand hier gedichtet. Denn sieh nur, dort sind die heißbesonnten Dächer, wenn nämlich erst die Sonne im Julius wieder scheinen wird, wie wir doch hoffen dürfen. Ist nun erst deine Tulpe und Hyazinthe in Blüthe gerathen, so haben wir hier

wieder verknüpfen oder zu einander führen. So zerstörte ich sie denn nicht ohne Mühsal am Ende völlig, immer die geretteten Tritte oder Stufen nach den übrigen noch vorhandenen obern Stufen hinaufführend. Jetzt hast du das vollendete Werk angestaunt, mein herziges Kind, und siehst nun wohl ein, daß wir uns zur Zeit noch mehr als sonst selbst genügen müssen. Denn wie möchte es doch eine Kaffeegesellschaft anfangen, mit ihren Nachrichten hier zu dir hinauf zu dringen? Nein, ich bin dir, du bist mir genug; der Frühling kommt, du stellst deine Tulpe und Hyazinthe an das Fenster, und wir sitzen hier,

Wo uns die Gärten der Semiramis Auf zu den Wolken steigenden Terrassen In bunter Sommerpracht entgegenlachen Mit dem Geplätscher ihrer spielenden Brunnen! Den langen Sommer durch soll dort auf uns Ein paradiesisch Liebesleben thau'n! Dort auf der höchsten der Terrassen will ich, Von dunkel glüh'nden Rosen überlaubt, An deiner Seite sitzen, uns zu Füßen Die heiß besonnten Dächer Babylons. —

Ich glaube, unser Freund Uechtritz hat das ganz eigen auf unsern Zustand hier gedichtet. Denn sieh nur, dort sind die heißbesonnten Dächer, wenn nämlich erst die Sonne im Julius wieder scheinen wird, wie wir doch hoffen dürfen. Ist nun erst deine Tulpe und Hyazinthe in Blüthe gerathen, so haben wir hier

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="4">
        <p><pb facs="#f0066"/>
wieder verknüpfen oder zu einander führen. So zerstörte             ich sie denn nicht ohne Mühsal am Ende völlig, immer die geretteten Tritte oder Stufen             nach den übrigen noch vorhandenen obern Stufen hinaufführend. Jetzt hast du das             vollendete Werk angestaunt, mein herziges Kind, und siehst nun wohl ein, daß wir uns zur             Zeit noch mehr als sonst selbst genügen müssen. Denn wie möchte es doch eine             Kaffeegesellschaft anfangen, mit ihren Nachrichten hier zu dir hinauf zu dringen? Nein,             ich bin dir, du bist mir genug; der Frühling kommt, du stellst deine Tulpe und Hyazinthe             an das Fenster, und wir sitzen hier,</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Wo uns die Gärten der Semiramis</l>
          <l>Auf zu den Wolken steigenden Terrassen</l>
          <l>In bunter Sommerpracht entgegenlachen</l>
          <l>Mit dem Geplätscher ihrer spielenden Brunnen!</l>
          <l>Den langen Sommer durch soll dort auf uns</l>
          <l>Ein paradiesisch Liebesleben thau'n!</l>
          <l>Dort auf der höchsten der Terrassen will ich,</l>
          <l>Von dunkel glüh'nden Rosen überlaubt,</l>
          <l>An deiner Seite sitzen, uns zu Füßen</l>
          <l>Die heiß besonnten Dächer Babylons. &#x2014;</l>
        </lg>
        <p>Ich glaube, unser Freund Uechtritz hat das ganz eigen auf unsern Zustand hier gedichtet.             Denn sieh nur, dort sind die heißbesonnten Dächer, wenn nämlich erst die Sonne im Julius             wieder scheinen wird, wie wir doch hoffen dürfen. Ist nun erst deine Tulpe und Hyazinthe             in Blüthe gerathen, so haben wir hier<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] wieder verknüpfen oder zu einander führen. So zerstörte ich sie denn nicht ohne Mühsal am Ende völlig, immer die geretteten Tritte oder Stufen nach den übrigen noch vorhandenen obern Stufen hinaufführend. Jetzt hast du das vollendete Werk angestaunt, mein herziges Kind, und siehst nun wohl ein, daß wir uns zur Zeit noch mehr als sonst selbst genügen müssen. Denn wie möchte es doch eine Kaffeegesellschaft anfangen, mit ihren Nachrichten hier zu dir hinauf zu dringen? Nein, ich bin dir, du bist mir genug; der Frühling kommt, du stellst deine Tulpe und Hyazinthe an das Fenster, und wir sitzen hier, Wo uns die Gärten der Semiramis Auf zu den Wolken steigenden Terrassen In bunter Sommerpracht entgegenlachen Mit dem Geplätscher ihrer spielenden Brunnen! Den langen Sommer durch soll dort auf uns Ein paradiesisch Liebesleben thau'n! Dort auf der höchsten der Terrassen will ich, Von dunkel glüh'nden Rosen überlaubt, An deiner Seite sitzen, uns zu Füßen Die heiß besonnten Dächer Babylons. — Ich glaube, unser Freund Uechtritz hat das ganz eigen auf unsern Zustand hier gedichtet. Denn sieh nur, dort sind die heißbesonnten Dächer, wenn nämlich erst die Sonne im Julius wieder scheinen wird, wie wir doch hoffen dürfen. Ist nun erst deine Tulpe und Hyazinthe in Blüthe gerathen, so haben wir hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:30:27Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:30:27Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/66
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/66>, abgerufen am 19.04.2024.