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Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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haben wir es nicht selbst erlebt, daß auch die Armuth ihre Reize hat?

Ja wohl, fiel Heinrich ein, indem er sich am Genuß des Fleisches erquickte, das er schon seit lange hatte entbehren müssen; wüßten die Schlemmer und stets Uebersatten, welch ein Wohlgeschmack, welche sanfte Würze auch dem Bissen des trocknen Brodes inne wohnt, wie ihn nur der Arme, Hungernde zu würdigen weiß, sie würden ihn vielleicht beneiden und auf künstliche Mittel sinnen, um ebenfalls dieses Genusses theilhaft zu werden. Aber wie gut und glücklich trifft es sich, daß uns nach unsrer harten Tagesarbeit ein solches Sardanapalisches Mahl zu Theil geworden ist; so ergänzen sich unsre Kräfte wieder zu neuen Anstrengungen. Aber laß uns einmal recht übermüthig sein, und singe mir einige jener süßen Lieder, die mich immer so bezaubert haben.

Sie that gern, was er verlangte, und indem sie so, Hand in Hand und Auge in Auge, in der Nähe des Fensters saßen, bemerkten sie, wie die Eisblumen an den Scheiben aufzuthauen begannen, sei es nun, daß die strenge Kälte etwas nachließ, oder daß die Wärme, welche das harte Eichenholz verbreitete, mehr Gewalt auf jene Frostgewächse ausübte. Sieh, meine Geliebte, rief Heinrich aus, wie das kalte, eisige Fenster in Rührung weint, vor deiner schönen Stimme zerschmelzend. Immer kehrt die alte Wundergeschichte vom Orpheus wieder. --

haben wir es nicht selbst erlebt, daß auch die Armuth ihre Reize hat?

Ja wohl, fiel Heinrich ein, indem er sich am Genuß des Fleisches erquickte, das er schon seit lange hatte entbehren müssen; wüßten die Schlemmer und stets Uebersatten, welch ein Wohlgeschmack, welche sanfte Würze auch dem Bissen des trocknen Brodes inne wohnt, wie ihn nur der Arme, Hungernde zu würdigen weiß, sie würden ihn vielleicht beneiden und auf künstliche Mittel sinnen, um ebenfalls dieses Genusses theilhaft zu werden. Aber wie gut und glücklich trifft es sich, daß uns nach unsrer harten Tagesarbeit ein solches Sardanapalisches Mahl zu Theil geworden ist; so ergänzen sich unsre Kräfte wieder zu neuen Anstrengungen. Aber laß uns einmal recht übermüthig sein, und singe mir einige jener süßen Lieder, die mich immer so bezaubert haben.

Sie that gern, was er verlangte, und indem sie so, Hand in Hand und Auge in Auge, in der Nähe des Fensters saßen, bemerkten sie, wie die Eisblumen an den Scheiben aufzuthauen begannen, sei es nun, daß die strenge Kälte etwas nachließ, oder daß die Wärme, welche das harte Eichenholz verbreitete, mehr Gewalt auf jene Frostgewächse ausübte. Sieh, meine Geliebte, rief Heinrich aus, wie das kalte, eisige Fenster in Rührung weint, vor deiner schönen Stimme zerschmelzend. Immer kehrt die alte Wundergeschichte vom Orpheus wieder. —

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[0039] haben wir es nicht selbst erlebt, daß auch die Armuth ihre Reize hat? Ja wohl, fiel Heinrich ein, indem er sich am Genuß des Fleisches erquickte, das er schon seit lange hatte entbehren müssen; wüßten die Schlemmer und stets Uebersatten, welch ein Wohlgeschmack, welche sanfte Würze auch dem Bissen des trocknen Brodes inne wohnt, wie ihn nur der Arme, Hungernde zu würdigen weiß, sie würden ihn vielleicht beneiden und auf künstliche Mittel sinnen, um ebenfalls dieses Genusses theilhaft zu werden. Aber wie gut und glücklich trifft es sich, daß uns nach unsrer harten Tagesarbeit ein solches Sardanapalisches Mahl zu Theil geworden ist; so ergänzen sich unsre Kräfte wieder zu neuen Anstrengungen. Aber laß uns einmal recht übermüthig sein, und singe mir einige jener süßen Lieder, die mich immer so bezaubert haben. Sie that gern, was er verlangte, und indem sie so, Hand in Hand und Auge in Auge, in der Nähe des Fensters saßen, bemerkten sie, wie die Eisblumen an den Scheiben aufzuthauen begannen, sei es nun, daß die strenge Kälte etwas nachließ, oder daß die Wärme, welche das harte Eichenholz verbreitete, mehr Gewalt auf jene Frostgewächse ausübte. Sieh, meine Geliebte, rief Heinrich aus, wie das kalte, eisige Fenster in Rührung weint, vor deiner schönen Stimme zerschmelzend. Immer kehrt die alte Wundergeschichte vom Orpheus wieder. —

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:30:27Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:30:27Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/39>, abgerufen am 23.11.2024.