Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Du mußt nicht wunderlich sein, lieber Mann, sagte Clara, bevor sie ein kleines Tuch auflegte; unsre Christine hat von ihrem großen Waschfest diese Nacht allerhand nach Hause gebracht, und sie ist glücklich darin, es mit uns theilen zu können. Ich habe nicht den Muth gehabt, die Gabe zu verschmähen, und du wirst sie ebenfalls freundlich aufnehmen. Heinrich lächelte und sagte: Die Alte ist ja schon seit lange unsere Wohlthäterin, sie arbeitet in der Nacht, um uns zu helfen, sie bricht sich jetzt vom Munde ab, um uns zu speisen. Schwelgen wir also, um ihr Spaß zu machen, und stirbt sie, bevor wir uns in That dankbar erzeigen können, oder bleibt es uns für immer unmöglich, nun, so wollen wir mindestens in Liebe erkenntlich sein. Das Mahl war in der That schwelgerisch. Die Alte hatte einige Eier eingeliefert, etwas Gemüse mit Fleisch und selbst in einem Kännchen Kaffee zugerichtet. Beim Essen erzählte Clara, wie eine solche Wäsche in der Nacht diesen Leuten ein wahres hohes Fest sei, bei welchem sie erzählten und witzig und lustig wären, so daß sich zu dieser Arbeit immer Viele drängten und diese nächtlichen Stunden feierlich begingen. Welch ein Glück, fuhr sie fort, daß diesen Menschen sich so Vieles in Genuß verwandelt, was uns wie harte, sklavische Arbeit und Qual erscheint. So gleicht sich im Leben Vieles glücklich aus, was ohne diese sanfte Einigung höchst widerwärtig, selbst schrecklich werden könnte. Und Du mußt nicht wunderlich sein, lieber Mann, sagte Clara, bevor sie ein kleines Tuch auflegte; unsre Christine hat von ihrem großen Waschfest diese Nacht allerhand nach Hause gebracht, und sie ist glücklich darin, es mit uns theilen zu können. Ich habe nicht den Muth gehabt, die Gabe zu verschmähen, und du wirst sie ebenfalls freundlich aufnehmen. Heinrich lächelte und sagte: Die Alte ist ja schon seit lange unsere Wohlthäterin, sie arbeitet in der Nacht, um uns zu helfen, sie bricht sich jetzt vom Munde ab, um uns zu speisen. Schwelgen wir also, um ihr Spaß zu machen, und stirbt sie, bevor wir uns in That dankbar erzeigen können, oder bleibt es uns für immer unmöglich, nun, so wollen wir mindestens in Liebe erkenntlich sein. Das Mahl war in der That schwelgerisch. Die Alte hatte einige Eier eingeliefert, etwas Gemüse mit Fleisch und selbst in einem Kännchen Kaffee zugerichtet. Beim Essen erzählte Clara, wie eine solche Wäsche in der Nacht diesen Leuten ein wahres hohes Fest sei, bei welchem sie erzählten und witzig und lustig wären, so daß sich zu dieser Arbeit immer Viele drängten und diese nächtlichen Stunden feierlich begingen. Welch ein Glück, fuhr sie fort, daß diesen Menschen sich so Vieles in Genuß verwandelt, was uns wie harte, sklavische Arbeit und Qual erscheint. So gleicht sich im Leben Vieles glücklich aus, was ohne diese sanfte Einigung höchst widerwärtig, selbst schrecklich werden könnte. Und <TEI> <text> <body> <div n="2"> <pb facs="#f0038"/> <p>Du mußt nicht wunderlich sein, lieber Mann, sagte Clara, bevor sie ein kleines Tuch auflegte; unsre Christine hat von ihrem großen Waschfest diese Nacht allerhand nach Hause gebracht, und sie ist glücklich darin, es mit uns theilen zu können. Ich habe nicht den Muth gehabt, die Gabe zu verschmähen, und du wirst sie ebenfalls freundlich aufnehmen.</p><lb/> <p>Heinrich lächelte und sagte: Die Alte ist ja schon seit lange unsere Wohlthäterin, sie arbeitet in der Nacht, um uns zu helfen, sie bricht sich jetzt vom Munde ab, um uns zu speisen. Schwelgen wir also, um ihr Spaß zu machen, und stirbt sie, bevor wir uns in That dankbar erzeigen können, oder bleibt es uns für immer unmöglich, nun, so wollen wir mindestens in Liebe erkenntlich sein.</p><lb/> <p>Das Mahl war in der That schwelgerisch. Die Alte hatte einige Eier eingeliefert, etwas Gemüse mit Fleisch und selbst in einem Kännchen Kaffee zugerichtet. Beim Essen erzählte Clara, wie eine solche Wäsche in der Nacht diesen Leuten ein wahres hohes Fest sei, bei welchem sie erzählten und witzig und lustig wären, so daß sich zu dieser Arbeit immer Viele drängten und diese nächtlichen Stunden feierlich begingen. Welch ein Glück, fuhr sie fort, daß diesen Menschen sich so Vieles in Genuß verwandelt, was uns wie harte, sklavische Arbeit und Qual erscheint. So gleicht sich im Leben Vieles glücklich aus, was ohne diese sanfte Einigung höchst widerwärtig, selbst schrecklich werden könnte. Und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
Du mußt nicht wunderlich sein, lieber Mann, sagte Clara, bevor sie ein kleines Tuch auflegte; unsre Christine hat von ihrem großen Waschfest diese Nacht allerhand nach Hause gebracht, und sie ist glücklich darin, es mit uns theilen zu können. Ich habe nicht den Muth gehabt, die Gabe zu verschmähen, und du wirst sie ebenfalls freundlich aufnehmen.
Heinrich lächelte und sagte: Die Alte ist ja schon seit lange unsere Wohlthäterin, sie arbeitet in der Nacht, um uns zu helfen, sie bricht sich jetzt vom Munde ab, um uns zu speisen. Schwelgen wir also, um ihr Spaß zu machen, und stirbt sie, bevor wir uns in That dankbar erzeigen können, oder bleibt es uns für immer unmöglich, nun, so wollen wir mindestens in Liebe erkenntlich sein.
Das Mahl war in der That schwelgerisch. Die Alte hatte einige Eier eingeliefert, etwas Gemüse mit Fleisch und selbst in einem Kännchen Kaffee zugerichtet. Beim Essen erzählte Clara, wie eine solche Wäsche in der Nacht diesen Leuten ein wahres hohes Fest sei, bei welchem sie erzählten und witzig und lustig wären, so daß sich zu dieser Arbeit immer Viele drängten und diese nächtlichen Stunden feierlich begingen. Welch ein Glück, fuhr sie fort, daß diesen Menschen sich so Vieles in Genuß verwandelt, was uns wie harte, sklavische Arbeit und Qual erscheint. So gleicht sich im Leben Vieles glücklich aus, was ohne diese sanfte Einigung höchst widerwärtig, selbst schrecklich werden könnte. Und
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