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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Er war am folgenden Morgen sehr früh
aufgestanden und hatte das Schloß durch¬
wandert. In einem Zimmer hing ein Brust¬
bild eines Mannes, mit einem kostbaren
Hute und einer blauen Feder geschmückt;
die Miene zog ihn an, und als er es ge¬
nauer betrachtete, glaubte er in diesem
Kopfe das Gesicht des Mönchs zu entdek¬
ken, der den Bildhauer Bolz begleitet hatte.
Je mehr er das Bild untersuchte, je über¬
zeugender fand er die Ähnlichkeit. -- Jetzt
trat Rudolf zu ihm, dem er seine Entdek¬
kung mittheilte; Florestan fand sie nach sei¬
ner leichtsinnigen Art nicht sonderlich wich¬
tig, sondern brach das Gespräch darüber
bald ab, indem er sagte: Ich habe gestern
noch, lieber Franz, ein andres Gedicht ge¬
schrieben, in dem ich versucht habe, eine
Stimmung auszudrücken und darzustellen, die
schon oft meine Seele erfüllt hat. Er las:

Er war am folgenden Morgen ſehr früh
aufgeſtanden und hatte das Schloß durch¬
wandert. In einem Zimmer hing ein Bruſt¬
bild eines Mannes, mit einem koſtbaren
Hute und einer blauen Feder geſchmückt;
die Miene zog ihn an, und als er es ge¬
nauer betrachtete, glaubte er in dieſem
Kopfe das Geſicht des Mönchs zu entdek¬
ken, der den Bildhauer Bolz begleitet hatte.
Je mehr er das Bild unterſuchte, je über¬
zeugender fand er die Ähnlichkeit. — Jetzt
trat Rudolf zu ihm, dem er ſeine Entdek¬
kung mittheilte; Floreſtan fand ſie nach ſei¬
ner leichtſinnigen Art nicht ſonderlich wich¬
tig, ſondern brach das Geſpräch darüber
bald ab, indem er ſagte: Ich habe geſtern
noch, lieber Franz, ein andres Gedicht ge¬
ſchrieben, in dem ich verſucht habe, eine
Stimmung auszudrücken und darzuſtellen, die
ſchon oft meine Seele erfüllt hat. Er las:

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[90/0098] Er war am folgenden Morgen ſehr früh aufgeſtanden und hatte das Schloß durch¬ wandert. In einem Zimmer hing ein Bruſt¬ bild eines Mannes, mit einem koſtbaren Hute und einer blauen Feder geſchmückt; die Miene zog ihn an, und als er es ge¬ nauer betrachtete, glaubte er in dieſem Kopfe das Geſicht des Mönchs zu entdek¬ ken, der den Bildhauer Bolz begleitet hatte. Je mehr er das Bild unterſuchte, je über¬ zeugender fand er die Ähnlichkeit. — Jetzt trat Rudolf zu ihm, dem er ſeine Entdek¬ kung mittheilte; Floreſtan fand ſie nach ſei¬ ner leichtſinnigen Art nicht ſonderlich wich¬ tig, ſondern brach das Geſpräch darüber bald ab, indem er ſagte: Ich habe geſtern noch, lieber Franz, ein andres Gedicht ge¬ ſchrieben, in dem ich verſucht habe, eine Stimmung auszudrücken und darzuſtellen, die ſchon oft meine Seele erfüllt hat. Er las:

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/98>, abgerufen am 26.04.2024.