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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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ein vortreffliches Gemählde der Schwermuth
ausbilden.

Fühlst Du nicht oft, sprach Rudolf wei¬
ter, einen wunderbaren Zug Deines Her¬
zens dem Wunderbaren und Seltsamen ent¬
gegen? Man kann sich der Traumbilder
dann nicht erwehren, man erwartet eine
höchst sonderbare Fortsetzung unsers gewöhn¬
lichen Lebenslaufs. Oft ist es, als wenn
der Geist von Ariosts Dichtungen über uns
hinwegfliegt, und uns in seinen krystallenen
Wirbel mit fassen wird; nun horchen wir
auf und sind auf die neue Zukunft begierig,
auf die Erscheinungen, die an uns mit bun¬
ten Zaubergewändern vorübergehn sollen:
dann ist es, als wollte der Waldstrom seine
Melodie deutlicher aussprechen, als würde
den Bäumen die Zunge gelös't, damit ihr
Rauschen in verständlichern Gesang dahin¬
rinne. Nun fängt die Liebe an auf fernen

ein vortreffliches Gemählde der Schwermuth
ausbilden.

Fühlſt Du nicht oft, ſprach Rudolf wei¬
ter, einen wunderbaren Zug Deines Her¬
zens dem Wunderbaren und Seltſamen ent¬
gegen? Man kann ſich der Traumbilder
dann nicht erwehren, man erwartet eine
höchſt ſonderbare Fortſetzung unſers gewöhn¬
lichen Lebenslaufs. Oft iſt es, als wenn
der Geiſt von Arioſts Dichtungen über uns
hinwegfliegt, und uns in ſeinen kryſtallenen
Wirbel mit faſſen wird; nun horchen wir
auf und ſind auf die neue Zukunft begierig,
auf die Erſcheinungen, die an uns mit bun¬
ten Zaubergewändern vorübergehn ſollen:
dann iſt es, als wollte der Waldſtrom ſeine
Melodie deutlicher ausſprechen, als würde
den Bäumen die Zunge gelöſ't, damit ihr
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rinne. Nun fängt die Liebe an auf fernen

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[54/0062] ein vortreffliches Gemählde der Schwermuth ausbilden. Fühlſt Du nicht oft, ſprach Rudolf wei¬ ter, einen wunderbaren Zug Deines Her¬ zens dem Wunderbaren und Seltſamen ent¬ gegen? Man kann ſich der Traumbilder dann nicht erwehren, man erwartet eine höchſt ſonderbare Fortſetzung unſers gewöhn¬ lichen Lebenslaufs. Oft iſt es, als wenn der Geiſt von Arioſts Dichtungen über uns hinwegfliegt, und uns in ſeinen kryſtallenen Wirbel mit faſſen wird; nun horchen wir auf und ſind auf die neue Zukunft begierig, auf die Erſcheinungen, die an uns mit bun¬ ten Zaubergewändern vorübergehn ſollen: dann iſt es, als wollte der Waldſtrom ſeine Melodie deutlicher ausſprechen, als würde den Bäumen die Zunge gelöſ't, damit ihr Rauſchen in verſtändlichern Geſang dahin¬ rinne. Nun fängt die Liebe an auf fernen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/62>, abgerufen am 25.04.2024.