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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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allegorische Dichtung des menschlichen Gei¬
stes, diese Ausdehnung nach allen Seiten,
und über sich in den Himmel hinein; das
Endlose und doch in sich selbst Geordnete;
die Nothwendigkeit des Gegenüberstehenden,
welches die andre Hälfte erläutert und fertig
macht, so daß eins immer um des andern
willen, und alles um die gothische Größe
und Herrlichkeit auszudrücken, da ist. Es
ist kein Baum, kein Wald; nein, diese all¬
mächtigen, unendlich wiederholten Stein¬
massen drücken etwas Erhabeneres, ungleich
Idealischeres aus. Es ist der Geist des
Menschen selbst, seine Mannigfaltigkeit zur
sichtbaren Einheit verbunden, sein kühnes
Riesenstreben nach dem Himmel, seine ko¬
lossale Dauer und Unbegreiflichkeit: den
Geist Erwins selbst seh' ich in einer furcht¬
bar sinnlichen Anschauung vor mir stehen.
Es ist zum Entsetzen, daß der Mensch aus

allegoriſche Dichtung des menſchlichen Gei¬
ſtes, dieſe Ausdehnung nach allen Seiten,
und über ſich in den Himmel hinein; das
Endloſe und doch in ſich ſelbſt Geordnete;
die Nothwendigkeit des Gegenüberſtehenden,
welches die andre Hälfte erläutert und fertig
macht, ſo daß eins immer um des andern
willen, und alles um die gothiſche Größe
und Herrlichkeit auszudrücken, da iſt. Es
iſt kein Baum, kein Wald; nein, dieſe all¬
mächtigen, unendlich wiederholten Stein¬
maſſen drücken etwas Erhabeneres, ungleich
Idealiſcheres aus. Es iſt der Geiſt des
Menſchen ſelbſt, ſeine Mannigfaltigkeit zur
ſichtbaren Einheit verbunden, ſein kühnes
Rieſenſtreben nach dem Himmel, ſeine ko¬
loſſale Dauer und Unbegreiflichkeit: den
Geiſt Erwins ſelbſt ſeh' ich in einer furcht¬
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[47/0055] allegoriſche Dichtung des menſchlichen Gei¬ ſtes, dieſe Ausdehnung nach allen Seiten, und über ſich in den Himmel hinein; das Endloſe und doch in ſich ſelbſt Geordnete; die Nothwendigkeit des Gegenüberſtehenden, welches die andre Hälfte erläutert und fertig macht, ſo daß eins immer um des andern willen, und alles um die gothiſche Größe und Herrlichkeit auszudrücken, da iſt. Es iſt kein Baum, kein Wald; nein, dieſe all¬ mächtigen, unendlich wiederholten Stein¬ maſſen drücken etwas Erhabeneres, ungleich Idealiſcheres aus. Es iſt der Geiſt des Menſchen ſelbſt, ſeine Mannigfaltigkeit zur ſichtbaren Einheit verbunden, ſein kühnes Rieſenſtreben nach dem Himmel, ſeine ko¬ loſſale Dauer und Unbegreiflichkeit: den Geiſt Erwins ſelbſt ſeh' ich in einer furcht¬ bar ſinnlichen Anſchauung vor mir ſtehen. Es iſt zum Entſetzen, daß der Menſch aus

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/55>, abgerufen am 19.04.2024.