Künstlern, das Höchste und Vollkommenste zu erreichen, sondern sie begnügen sich, der kalten dürftigen Natur nahe zu kommen, ihr hin und wieder einen Zug außer dem Zu¬ sammenhange abzulauschen, und glauben dann, wenn sie ihr Machwerk in kahler Unbedeutsamkeit stehen lassen, was Rechtes gethan zu haben. So ist Euer gepriese¬ ner Albert Dürer, Euer Lukas von Leyden, Schoorel, obgleich er in Italien gewesen ist, ja kaum der Schweizer Holbein ver¬ dient zu den Mahlern gezählt zu werden.
Ihr kennt sie nicht, rief Franz unwillig aus, oder verkennt sie mit Vorsatz. Soll denn ein Mann allein die Kunst und alle Trefflichkeit, erschöpft und beendigt haben, so daß mit ihm, nach ihm kein andrer nach dem Kranze greifen darf? Wie beengt und klein müßte dann das himmlische Gebiet seyn, wenn es ein einziger Geist durch¬
Künſtlern, das Höchſte und Vollkommenſte zu erreichen, ſondern ſie begnügen ſich, der kalten dürftigen Natur nahe zu kommen, ihr hin und wieder einen Zug außer dem Zu¬ ſammenhange abzulauſchen, und glauben dann, wenn ſie ihr Machwerk in kahler Unbedeutſamkeit ſtehen laſſen, was Rechtes gethan zu haben. So iſt Euer geprieſe¬ ner Albert Dürer, Euer Lukas von Leyden, Schoorel, obgleich er in Italien geweſen iſt, ja kaum der Schweizer Holbein ver¬ dient zu den Mahlern gezählt zu werden.
Ihr kennt ſie nicht, rief Franz unwillig aus, oder verkennt ſie mit Vorſatz. Soll denn ein Mann allein die Kunſt und alle Trefflichkeit, erſchöpft und beendigt haben, ſo daß mit ihm, nach ihm kein andrer nach dem Kranze greifen darf? Wie beengt und klein müßte dann das himmliſche Gebiet ſeyn, wenn es ein einziger Geiſt durch¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0042"n="34"/>
Künſtlern, das Höchſte und Vollkommenſte<lb/>
zu erreichen, ſondern ſie begnügen ſich, der<lb/>
kalten dürftigen Natur nahe zu kommen, ihr<lb/>
hin und wieder einen Zug außer dem Zu¬<lb/>ſammenhange abzulauſchen, und glauben<lb/>
dann, wenn ſie ihr Machwerk in kahler<lb/>
Unbedeutſamkeit ſtehen laſſen, was Rechtes<lb/>
gethan zu haben. So iſt Euer geprieſe¬<lb/>
ner Albert Dürer, Euer Lukas von Leyden,<lb/>
Schoorel, obgleich er in Italien geweſen<lb/>
iſt, ja kaum der Schweizer Holbein ver¬<lb/>
dient zu den Mahlern gezählt zu werden.<lb/></p><p>Ihr kennt ſie nicht, rief Franz unwillig<lb/>
aus, oder verkennt ſie mit Vorſatz. Soll<lb/>
denn ein Mann allein die Kunſt und alle<lb/>
Trefflichkeit, erſchöpft und beendigt haben,<lb/>ſo daß mit ihm, nach ihm kein andrer nach<lb/>
dem Kranze greifen darf? Wie beengt und<lb/>
klein müßte dann das himmliſche Gebiet<lb/>ſeyn, wenn es ein einziger Geiſt durch¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[34/0042]
Künſtlern, das Höchſte und Vollkommenſte
zu erreichen, ſondern ſie begnügen ſich, der
kalten dürftigen Natur nahe zu kommen, ihr
hin und wieder einen Zug außer dem Zu¬
ſammenhange abzulauſchen, und glauben
dann, wenn ſie ihr Machwerk in kahler
Unbedeutſamkeit ſtehen laſſen, was Rechtes
gethan zu haben. So iſt Euer geprieſe¬
ner Albert Dürer, Euer Lukas von Leyden,
Schoorel, obgleich er in Italien geweſen
iſt, ja kaum der Schweizer Holbein ver¬
dient zu den Mahlern gezählt zu werden.
Ihr kennt ſie nicht, rief Franz unwillig
aus, oder verkennt ſie mit Vorſatz. Soll
denn ein Mann allein die Kunſt und alle
Trefflichkeit, erſchöpft und beendigt haben,
ſo daß mit ihm, nach ihm kein andrer nach
dem Kranze greifen darf? Wie beengt und
klein müßte dann das himmliſche Gebiet
ſeyn, wenn es ein einziger Geiſt durch¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/42>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.