müssen erst in einem hohen Grade ausgebil¬ det seyn, ehe die Künstler nur diese Forde¬ rungen anerkennen werden.
Um namentlich von Buonarotti zu spre¬ chen, so glaube ich, daß er durch sein Bei¬ spiel die Kunst um viele wichtige Schritte wieder zurückgebracht hat, statt ihr weiter zu helfen, denn er hat gegen alle Erforder¬ nisse eines guten Kunstwerks gesündigt. Was will die richtige Zeichnung seiner einzelnen Figuren, seine Gelehrsamkeit im Bau des menschlichen Körpers, wenn seine Gemählde selbst so gar nichts sind? Sein jüngstes Ge¬ richt ist eine ungeheure Wand voller Figu¬ ren in mannichfaltigen Stellungen, aber ohne alle Verbindung, ohne Wirkung. Der Zweck seiner Darstellung ist ohne Schönheit, eine Handlung, die keine ist, die sich nicht an¬ schauen, nicht darstellen läßt, die sich selbst nicht in der Erzählung vortragen läßt: es
müſſen erſt in einem hohen Grade ausgebil¬ det ſeyn, ehe die Künſtler nur dieſe Forde¬ rungen anerkennen werden.
Um namentlich von Buonarotti zu ſpre¬ chen, ſo glaube ich, daß er durch ſein Bei¬ ſpiel die Kunſt um viele wichtige Schritte wieder zurückgebracht hat, ſtatt ihr weiter zu helfen, denn er hat gegen alle Erforder¬ niſſe eines guten Kunſtwerks geſündigt. Was will die richtige Zeichnung ſeiner einzelnen Figuren, ſeine Gelehrſamkeit im Bau des menſchlichen Körpers, wenn ſeine Gemählde ſelbſt ſo gar nichts ſind? Sein jüngſtes Ge¬ richt iſt eine ungeheure Wand voller Figu¬ ren in mannichfaltigen Stellungen, aber ohne alle Verbindung, ohne Wirkung. Der Zweck ſeiner Darſtellung iſt ohne Schönheit, eine Handlung, die keine iſt, die ſich nicht an¬ ſchauen, nicht darſtellen läßt, die ſich ſelbſt nicht in der Erzählung vortragen läßt: es
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müſſen erſt in einem hohen Grade ausgebil¬
det ſeyn, ehe die Künſtler nur dieſe Forde¬
rungen anerkennen werden.
Um namentlich von Buonarotti zu ſpre¬
chen, ſo glaube ich, daß er durch ſein Bei¬
ſpiel die Kunſt um viele wichtige Schritte
wieder zurückgebracht hat, ſtatt ihr weiter
zu helfen, denn er hat gegen alle Erforder¬
niſſe eines guten Kunſtwerks geſündigt. Was
will die richtige Zeichnung ſeiner einzelnen
Figuren, ſeine Gelehrſamkeit im Bau des
menſchlichen Körpers, wenn ſeine Gemählde
ſelbſt ſo gar nichts ſind? Sein jüngſtes Ge¬
richt iſt eine ungeheure Wand voller Figu¬
ren in mannichfaltigen Stellungen, aber ohne
alle Verbindung, ohne Wirkung. Der Zweck
ſeiner Darſtellung iſt ohne Schönheit, eine
Handlung, die keine iſt, die ſich nicht an¬
ſchauen, nicht darſtellen läßt, die ſich ſelbſt
nicht in der Erzählung vortragen läßt: es
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/404>, abgerufen am 23.11.2024.
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