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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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niger Francesko den ganzen Korb um, und
schüttet ihm dem alten Bettler in seine le¬
derne Mütze, geht davon, ohne auch nur
den Dank abzuwarten.

Ihr seyd ein edler Mann! rief Stern¬
bald aus.

O, Ihr irrt, sagte der Mahler, es ist
gar nichts Besondres, ich kann den Armen
nicht sehn, er jammert mich, und so gebe ich
ihm wenigstens, da ich nicht mehr thun kann.
Bei diesem Alten fiel mir ein, wie manche
unnütze Ausgaben ich in meinem Leben schon
gemacht hätte, wie wenig ich aufopfre, wenn
ich mir eine Tapete oder ein kostbares Haus¬
geräth versage. Ich dachte: wenn Du nun
kein Geld bekommen, wenn Du das Ge¬
mählde gar nicht gemahlt hättest? Ich sah
Kinder und seine alte zerlumpte Gattin in
Gedanken vor mir, die mit so heißer Sehn¬
sucht seine Rückkehr erwarteten.

niger Francesko den ganzen Korb um, und
ſchüttet ihm dem alten Bettler in ſeine le¬
derne Mütze, geht davon, ohne auch nur
den Dank abzuwarten.

Ihr ſeyd ein edler Mann! rief Stern¬
bald aus.

O, Ihr irrt, ſagte der Mahler, es iſt
gar nichts Beſondres, ich kann den Armen
nicht ſehn, er jammert mich, und ſo gebe ich
ihm wenigſtens, da ich nicht mehr thun kann.
Bei dieſem Alten fiel mir ein, wie manche
unnütze Ausgaben ich in meinem Leben ſchon
gemacht hätte, wie wenig ich aufopfre, wenn
ich mir eine Tapete oder ein koſtbares Haus¬
geräth verſage. Ich dachte: wenn Du nun
kein Geld bekommen, wenn Du das Ge¬
mählde gar nicht gemahlt hätteſt? Ich ſah
Kinder und ſeine alte zerlumpte Gattin in
Gedanken vor mir, die mit ſo heißer Sehn¬
ſucht ſeine Rückkehr erwarteten.

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[364/0372] niger Francesko den ganzen Korb um, und ſchüttet ihm dem alten Bettler in ſeine le¬ derne Mütze, geht davon, ohne auch nur den Dank abzuwarten. Ihr ſeyd ein edler Mann! rief Stern¬ bald aus. O, Ihr irrt, ſagte der Mahler, es iſt gar nichts Beſondres, ich kann den Armen nicht ſehn, er jammert mich, und ſo gebe ich ihm wenigſtens, da ich nicht mehr thun kann. Bei dieſem Alten fiel mir ein, wie manche unnütze Ausgaben ich in meinem Leben ſchon gemacht hätte, wie wenig ich aufopfre, wenn ich mir eine Tapete oder ein koſtbares Haus¬ geräth verſage. Ich dachte: wenn Du nun kein Geld bekommen, wenn Du das Ge¬ mählde gar nicht gemahlt hätteſt? Ich ſah Kinder und ſeine alte zerlumpte Gattin in Gedanken vor mir, die mit ſo heißer Sehn¬ ſucht ſeine Rückkehr erwarteten.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/372>, abgerufen am 27.11.2024.