Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Franz blieb allein und konnte sich über
sich selbst nicht zufrieden geben, er wußte
nicht, was er zu allem sagen solle. Er setz¬
te sich unter einem Baume nieder, und Ru¬
dolf kam nach kurzer Zeit zurück. Hier,
mein liebster Freund, sagte dieser, diesen Zet¬
tul mußt Du morgen Deiner schönen Heili¬
gen übergeben, er entscheidet ihr Schicksal.

Wie? rief Franz bewegt aus, soll ich
mich dazu erniedrigen, das herrlichste Ge¬
schöpf vernichten zu helfen? Und Du Ru¬
dolf kannst mit diesem Gleichmuthe ein sol¬
ches Unternehmen beginnen? Nein, mein
Freund, ich werde sie vor dem Verführer
warnen, ich werde ihr rathen, ihn zu ver¬
gessen wenn sie ihn liebt, ich werde ihr er¬
zählen, wie er gesinnt ist.

Sey nicht unbesonnen, sagte Florestan,
denn Du schadest dadurch Dir und allen.
Sie liebt ihn, sie zittert vor dem Tage ih¬

Franz blieb allein und konnte ſich über
ſich ſelbſt nicht zufrieden geben, er wußte
nicht, was er zu allem ſagen ſolle. Er ſetz¬
te ſich unter einem Baume nieder, und Ru¬
dolf kam nach kurzer Zeit zurück. Hier,
mein liebſter Freund, ſagte dieſer, dieſen Zet¬
tul mußt Du morgen Deiner ſchönen Heili¬
gen übergeben, er entſcheidet ihr Schickſal.

Wie? rief Franz bewegt aus, ſoll ich
mich dazu erniedrigen, das herrlichſte Ge¬
ſchöpf vernichten zu helfen? Und Du Ru¬
dolf kannſt mit dieſem Gleichmuthe ein ſol¬
ches Unternehmen beginnen? Nein, mein
Freund, ich werde ſie vor dem Verführer
warnen, ich werde ihr rathen, ihn zu ver¬
geſſen wenn ſie ihn liebt, ich werde ihr er¬
zählen, wie er geſinnt iſt.

Sey nicht unbeſonnen, ſagte Floreſtan,
denn Du ſchadeſt dadurch Dir und allen.
Sie liebt ihn, ſie zittert vor dem Tage ih¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0346" n="338"/>
          <p>Franz blieb allein und konnte &#x017F;ich über<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht zufrieden geben, er wußte<lb/>
nicht, was er zu allem &#x017F;agen &#x017F;olle. Er &#x017F;etz¬<lb/>
te &#x017F;ich unter einem Baume nieder, und Ru¬<lb/>
dolf kam nach kurzer Zeit zurück. Hier,<lb/>
mein lieb&#x017F;ter Freund, &#x017F;agte die&#x017F;er, die&#x017F;en Zet¬<lb/>
tul mußt Du morgen Deiner &#x017F;chönen Heili¬<lb/>
gen übergeben, er ent&#x017F;cheidet ihr Schick&#x017F;al.</p><lb/>
          <p>Wie? rief Franz bewegt aus, &#x017F;oll ich<lb/>
mich dazu erniedrigen, das herrlich&#x017F;te Ge¬<lb/>
&#x017F;chöpf vernichten zu helfen? Und Du Ru¬<lb/>
dolf kann&#x017F;t mit die&#x017F;em Gleichmuthe ein &#x017F;ol¬<lb/>
ches Unternehmen beginnen? Nein, mein<lb/>
Freund, ich werde &#x017F;ie vor dem Verführer<lb/>
warnen, ich werde ihr rathen, ihn zu ver¬<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en wenn &#x017F;ie ihn liebt, ich werde ihr er¬<lb/>
zählen, wie er ge&#x017F;innt i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Sey nicht unbe&#x017F;onnen, &#x017F;agte Flore&#x017F;tan,<lb/>
denn Du &#x017F;chade&#x017F;t dadurch Dir und allen.<lb/>
Sie liebt ihn, &#x017F;ie zittert vor dem Tage ih¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[338/0346] Franz blieb allein und konnte ſich über ſich ſelbſt nicht zufrieden geben, er wußte nicht, was er zu allem ſagen ſolle. Er ſetz¬ te ſich unter einem Baume nieder, und Ru¬ dolf kam nach kurzer Zeit zurück. Hier, mein liebſter Freund, ſagte dieſer, dieſen Zet¬ tul mußt Du morgen Deiner ſchönen Heili¬ gen übergeben, er entſcheidet ihr Schickſal. Wie? rief Franz bewegt aus, ſoll ich mich dazu erniedrigen, das herrlichſte Ge¬ ſchöpf vernichten zu helfen? Und Du Ru¬ dolf kannſt mit dieſem Gleichmuthe ein ſol¬ ches Unternehmen beginnen? Nein, mein Freund, ich werde ſie vor dem Verführer warnen, ich werde ihr rathen, ihn zu ver¬ geſſen wenn ſie ihn liebt, ich werde ihr er¬ zählen, wie er geſinnt iſt. Sey nicht unbeſonnen, ſagte Floreſtan, denn Du ſchadeſt dadurch Dir und allen. Sie liebt ihn, ſie zittert vor dem Tage ih¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/346
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/346>, abgerufen am 27.11.2024.