werde, von der der Köhler gesprochen habe, sie sey mit ihrem Stande unzufrieden, müsse sich aber dem Willen der Eltern fügen. Ihr habt Recht, fuhr er gegen Franz fort, wenn Ihr sie eine Heilige nennt, ich habe noch nie eine Gestalt gesehn, die etwas so Hohes, so Überirrdisches ausgedrückt hätte. Und nun denkt Euch diesen züchtigen Busen entfesselt, diese Wangen mit Schaam und Liebe käm¬ pfend, diese Lippen in Küssen entbrannt, das große Auge der Trunkenheit dahin gegeben, dies Himmlische des Weibes im Widerspruch mit sich selbst und doch ihre schönste Bestim¬ mung erfüllend, -- o, wer auf weiter Erde ist denn glückseliger und gebenedeiter, als dieser ihr Geliebter? Höhere Wonne wird auf dieser magern Erde nicht reif, und wem diese bescheret ist, vergißt die Erde und sich, und alles!
Er schien noch weiter sprechen zu wol¬
werde, von der der Köhler geſprochen habe, ſie ſey mit ihrem Stande unzufrieden, müſſe ſich aber dem Willen der Eltern fügen. Ihr habt Recht, fuhr er gegen Franz fort, wenn Ihr ſie eine Heilige nennt, ich habe noch nie eine Geſtalt geſehn, die etwas ſo Hohes, ſo Überirrdiſches ausgedrückt hätte. Und nun denkt Euch dieſen züchtigen Buſen entfeſſelt, dieſe Wangen mit Schaam und Liebe käm¬ pfend, dieſe Lippen in Küſſen entbrannt, das große Auge der Trunkenheit dahin gegeben, dies Himmliſche des Weibes im Widerſpruch mit ſich ſelbſt und doch ihre ſchönſte Beſtim¬ mung erfüllend, — o, wer auf weiter Erde iſt denn glückſeliger und gebenedeiter, als dieſer ihr Geliebter? Höhere Wonne wird auf dieſer magern Erde nicht reif, und wem dieſe beſcheret iſt, vergißt die Erde und ſich, und alles!
Er ſchien noch weiter ſprechen zu wol¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0339"n="331"/>
werde, von der der Köhler geſprochen habe,<lb/>ſie ſey mit ihrem Stande unzufrieden, müſſe<lb/>ſich aber dem Willen der Eltern fügen. Ihr<lb/>
habt Recht, fuhr er gegen Franz fort, wenn<lb/>
Ihr ſie eine Heilige nennt, ich habe noch<lb/>
nie eine Geſtalt geſehn, die etwas ſo Hohes,<lb/>ſo Überirrdiſches ausgedrückt hätte. Und nun<lb/>
denkt Euch dieſen züchtigen Buſen entfeſſelt,<lb/>
dieſe Wangen mit Schaam und Liebe käm¬<lb/>
pfend, dieſe Lippen in Küſſen entbrannt, das<lb/>
große Auge der Trunkenheit dahin gegeben,<lb/>
dies Himmliſche des Weibes im Widerſpruch<lb/>
mit ſich ſelbſt und doch ihre ſchönſte Beſtim¬<lb/>
mung erfüllend, — o, wer auf weiter Erde<lb/>
iſt denn glückſeliger und gebenedeiter, als<lb/>
dieſer ihr Geliebter? Höhere Wonne wird<lb/>
auf dieſer magern Erde nicht reif, und wem<lb/>
dieſe beſcheret iſt, vergißt die Erde und ſich,<lb/>
und alles!</p><lb/><p>Er ſchien noch weiter ſprechen zu wol¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[331/0339]
werde, von der der Köhler geſprochen habe,
ſie ſey mit ihrem Stande unzufrieden, müſſe
ſich aber dem Willen der Eltern fügen. Ihr
habt Recht, fuhr er gegen Franz fort, wenn
Ihr ſie eine Heilige nennt, ich habe noch
nie eine Geſtalt geſehn, die etwas ſo Hohes,
ſo Überirrdiſches ausgedrückt hätte. Und nun
denkt Euch dieſen züchtigen Buſen entfeſſelt,
dieſe Wangen mit Schaam und Liebe käm¬
pfend, dieſe Lippen in Küſſen entbrannt, das
große Auge der Trunkenheit dahin gegeben,
dies Himmliſche des Weibes im Widerſpruch
mit ſich ſelbſt und doch ihre ſchönſte Beſtim¬
mung erfüllend, — o, wer auf weiter Erde
iſt denn glückſeliger und gebenedeiter, als
dieſer ihr Geliebter? Höhere Wonne wird
auf dieſer magern Erde nicht reif, und wem
dieſe beſcheret iſt, vergißt die Erde und ſich,
und alles!
Er ſchien noch weiter ſprechen zu wol¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/339>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.