Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder aufsuchen, aber es war vergebens.
Indem er mahlte, kam die Äbtissin mit ei¬
nigen Nonnen hinzu, um ihm bei der Arbeit
zuzusehn, die größte von ihnen schlug den
Schleier zurück, und Franz erschrack über
die Schönheit, über die Majestät eines An¬
gesichts, die ihm plötzlich in die Augen fie¬
len. Diese reine Stirn, diese großen dun¬
keln Augen, das schwermüthige, unaussprech¬
lich süße Lächeln der Lippen nahm sein Auge
gleichsam mit Gewalt gefangen, sein Ge¬
mählde, jede andre Gestalt kam ihm gegen
diese Herrlichkeit trübe und unscheinbar vor.
Er glaubte auch noch nie einen so schlanken
Wuchs gesehen zu haben, ihm fielen ein
paar Stellen aus alten Gedichten ein, wo
der Dichter von der siegenden Gewalt der
Allerholdseligsten sprach, von der unüber¬
windlichen Waffenrüstung ihrer Schöne. --
Ein altes Lied sagte:

wieder aufſuchen, aber es war vergebens.
Indem er mahlte, kam die Äbtiſſin mit ei¬
nigen Nonnen hinzu, um ihm bei der Arbeit
zuzuſehn, die größte von ihnen ſchlug den
Schleier zurück, und Franz erſchrack über
die Schönheit, über die Majeſtät eines An¬
geſichts, die ihm plötzlich in die Augen fie¬
len. Dieſe reine Stirn, dieſe großen dun¬
keln Augen, das ſchwermüthige, unausſprech¬
lich ſüße Lächeln der Lippen nahm ſein Auge
gleichſam mit Gewalt gefangen, ſein Ge¬
mählde, jede andre Geſtalt kam ihm gegen
dieſe Herrlichkeit trübe und unſcheinbar vor.
Er glaubte auch noch nie einen ſo ſchlanken
Wuchs geſehen zu haben, ihm fielen ein
paar Stellen aus alten Gedichten ein, wo
der Dichter von der ſiegenden Gewalt der
Allerholdſeligſten ſprach, von der unüber¬
windlichen Waffenrüſtung ihrer Schöne. —
Ein altes Lied ſagte:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0336" n="328"/>
wieder auf&#x017F;uchen, aber es war vergebens.<lb/>
Indem er mahlte, kam die Äbti&#x017F;&#x017F;in mit ei¬<lb/>
nigen Nonnen hinzu, um ihm bei der Arbeit<lb/>
zuzu&#x017F;ehn, die größte von ihnen &#x017F;chlug den<lb/>
Schleier zurück, und Franz er&#x017F;chrack über<lb/>
die Schönheit, über die Maje&#x017F;tät eines An¬<lb/>
ge&#x017F;ichts, die ihm plötzlich in die Augen fie¬<lb/>
len. Die&#x017F;e reine Stirn, die&#x017F;e großen dun¬<lb/>
keln Augen, das &#x017F;chwermüthige, unaus&#x017F;prech¬<lb/>
lich &#x017F;üße Lächeln der Lippen nahm &#x017F;ein Auge<lb/>
gleich&#x017F;am mit Gewalt gefangen, &#x017F;ein Ge¬<lb/>
mählde, jede andre Ge&#x017F;talt kam ihm gegen<lb/>
die&#x017F;e Herrlichkeit trübe und un&#x017F;cheinbar vor.<lb/>
Er glaubte auch noch nie einen &#x017F;o &#x017F;chlanken<lb/>
Wuchs ge&#x017F;ehen zu haben, ihm fielen ein<lb/>
paar Stellen aus alten Gedichten ein, wo<lb/>
der Dichter von der &#x017F;iegenden Gewalt der<lb/>
Allerhold&#x017F;elig&#x017F;ten &#x017F;prach, von der unüber¬<lb/>
windlichen Waffenrü&#x017F;tung ihrer Schöne. &#x2014;<lb/>
Ein altes Lied &#x017F;agte:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[328/0336] wieder aufſuchen, aber es war vergebens. Indem er mahlte, kam die Äbtiſſin mit ei¬ nigen Nonnen hinzu, um ihm bei der Arbeit zuzuſehn, die größte von ihnen ſchlug den Schleier zurück, und Franz erſchrack über die Schönheit, über die Majeſtät eines An¬ geſichts, die ihm plötzlich in die Augen fie¬ len. Dieſe reine Stirn, dieſe großen dun¬ keln Augen, das ſchwermüthige, unausſprech¬ lich ſüße Lächeln der Lippen nahm ſein Auge gleichſam mit Gewalt gefangen, ſein Ge¬ mählde, jede andre Geſtalt kam ihm gegen dieſe Herrlichkeit trübe und unſcheinbar vor. Er glaubte auch noch nie einen ſo ſchlanken Wuchs geſehen zu haben, ihm fielen ein paar Stellen aus alten Gedichten ein, wo der Dichter von der ſiegenden Gewalt der Allerholdſeligſten ſprach, von der unüber¬ windlichen Waffenrüſtung ihrer Schöne. — Ein altes Lied ſagte:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/336
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/336>, abgerufen am 03.05.2024.