Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

irrende Reue ihn verfolgen könne. Seine
Kunst, sein Streben, ein edler Künstler zu
werden, sein Wirken und Werden auf der
Erde erschien ihm als etwas Armseliges,
Kaltes und jämmerlich Dürftiges. In Däm¬
merung gingen die Gestalten der großen
Meister an ihm vorüber, er mochte nach
keinem mehr die Arme ausstrecken; alles war
schon vorüber und geendigt, wovon er noch
erst den Anfang erwartete.

Er schweifte durch die Stadt, und die
bunten Häuser, die Brücken, die Kirchen mit
ihrer künstlichen Steinarbeit, nichts reizte
ihn, es genau zu betrachten, es sich einzu¬
prägen, wie er sonst so gern that, in jedem
Werke schaute ihn Vergänglichkeit und zweck¬
loses Spiel mit trüben Augen, mit spötti¬
scher Miene an. Die Mühseligkeit des Hand¬
werkers, die Ämsigkeit des Kaufmanns, das
trostlose Leben des Bettlers daneben schien

(2r Th.) X

irrende Reue ihn verfolgen könne. Seine
Kunſt, ſein Streben, ein edler Künſtler zu
werden, ſein Wirken und Werden auf der
Erde erſchien ihm als etwas Armſeliges,
Kaltes und jämmerlich Dürftiges. In Däm¬
merung gingen die Geſtalten der großen
Meiſter an ihm vorüber, er mochte nach
keinem mehr die Arme ausſtrecken; alles war
ſchon vorüber und geendigt, wovon er noch
erſt den Anfang erwartete.

Er ſchweifte durch die Stadt, und die
bunten Häuſer, die Brücken, die Kirchen mit
ihrer künſtlichen Steinarbeit, nichts reizte
ihn, es genau zu betrachten, es ſich einzu¬
prägen, wie er ſonſt ſo gern that, in jedem
Werke ſchaute ihn Vergänglichkeit und zweck¬
loſes Spiel mit trüben Augen, mit ſpötti¬
ſcher Miene an. Die Mühſeligkeit des Hand¬
werkers, die Ämſigkeit des Kaufmanns, das
troſtloſe Leben des Bettlers daneben ſchien

(2r Th.) X
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0329" n="321"/>
irrende Reue ihn verfolgen könne. Seine<lb/>
Kun&#x017F;t, &#x017F;ein Streben, ein edler Kün&#x017F;tler zu<lb/>
werden, &#x017F;ein Wirken und Werden auf der<lb/>
Erde er&#x017F;chien ihm als etwas Arm&#x017F;eliges,<lb/>
Kaltes und jämmerlich Dürftiges. In Däm¬<lb/>
merung gingen die Ge&#x017F;talten der großen<lb/>
Mei&#x017F;ter an ihm vorüber, er mochte nach<lb/>
keinem mehr die Arme aus&#x017F;trecken; alles war<lb/>
&#x017F;chon vorüber und geendigt, wovon er noch<lb/>
er&#x017F;t den Anfang erwartete.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;chweifte durch die Stadt, und die<lb/>
bunten Häu&#x017F;er, die Brücken, die Kirchen mit<lb/>
ihrer kün&#x017F;tlichen Steinarbeit, nichts reizte<lb/>
ihn, es genau zu betrachten, es &#x017F;ich einzu¬<lb/>
prägen, wie er &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o gern that, in jedem<lb/>
Werke &#x017F;chaute ihn Vergänglichkeit und zweck¬<lb/>
lo&#x017F;es Spiel mit trüben Augen, mit &#x017F;pötti¬<lb/>
&#x017F;cher Miene an. Die Müh&#x017F;eligkeit des Hand¬<lb/>
werkers, die Äm&#x017F;igkeit des Kaufmanns, das<lb/>
tro&#x017F;tlo&#x017F;e Leben des Bettlers daneben &#x017F;chien<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(2r Th.) X<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0329] irrende Reue ihn verfolgen könne. Seine Kunſt, ſein Streben, ein edler Künſtler zu werden, ſein Wirken und Werden auf der Erde erſchien ihm als etwas Armſeliges, Kaltes und jämmerlich Dürftiges. In Däm¬ merung gingen die Geſtalten der großen Meiſter an ihm vorüber, er mochte nach keinem mehr die Arme ausſtrecken; alles war ſchon vorüber und geendigt, wovon er noch erſt den Anfang erwartete. Er ſchweifte durch die Stadt, und die bunten Häuſer, die Brücken, die Kirchen mit ihrer künſtlichen Steinarbeit, nichts reizte ihn, es genau zu betrachten, es ſich einzu¬ prägen, wie er ſonſt ſo gern that, in jedem Werke ſchaute ihn Vergänglichkeit und zweck¬ loſes Spiel mit trüben Augen, mit ſpötti¬ ſcher Miene an. Die Mühſeligkeit des Hand¬ werkers, die Ämſigkeit des Kaufmanns, das troſtloſe Leben des Bettlers daneben ſchien (2r Th.) X

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/329
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/329>, abgerufen am 27.11.2024.