Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Denkt der Mensch, und fürchtet sich schon.
Da kömmt der Schlaf zum Alten geschlichen,
Und sagt: mein Bester, Du mußt erlahmen,
Wenn Dir die Glieder nicht frei gemacht werden,
Pflicht, Vernunft und Verstand bringen Dich ganz
herunter,

Und Du bist gutwillig, wie ein Kind. --
Indem macht der Schlaf ihm schon die Hände los,
Und der Alte schmunzelt: sie haben mir viel zu
danken,

Mühsam hab' ich sie erzogen,
Aber nun verachten sie mich alten Mann,
Meinen ich würde kindisch,
Sey zu gar nichts zu gebrauchen.
Du, mein Liebster, nimmst Dich mein noch an,
Wir beiden bleiben immer gute Kameraden.
Der Alte sieht auf und ist der Banden frei,
Er schüttelt sich vor Freude:
Er breitet den weiten Mantel aus,
Und aus allen Falten stürzen wunderbare Sachen
Die er mit Wohlgefallen ansieht.
Er kehrt den Mantel um und spreitet ihn weit
umher,

Denkt der Menſch, und fürchtet ſich ſchon.
Da kömmt der Schlaf zum Alten geſchlichen,
Und ſagt: mein Beſter, Du mußt erlahmen,
Wenn Dir die Glieder nicht frei gemacht werden,
Pflicht, Vernunft und Verſtand bringen Dich ganz
herunter,

Und Du biſt gutwillig, wie ein Kind. —
Indem macht der Schlaf ihm ſchon die Hände los,
Und der Alte ſchmunzelt: ſie haben mir viel zu
danken,

Mühſam hab' ich ſie erzogen,
Aber nun verachten ſie mich alten Mann,
Meinen ich würde kindiſch,
Sey zu gar nichts zu gebrauchen.
Du, mein Liebſter, nimmſt Dich mein noch an,
Wir beiden bleiben immer gute Kameraden.
Der Alte ſieht auf und iſt der Banden frei,
Er ſchüttelt ſich vor Freude:
Er breitet den weiten Mantel aus,
Und aus allen Falten ſtürzen wunderbare Sachen
Die er mit Wohlgefallen anſieht.
Er kehrt den Mantel um und ſpreitet ihn weit
umher,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0317" n="309"/>
            <lg n="7">
              <l>Denkt der Men&#x017F;ch, und fürchtet &#x017F;ich &#x017F;chon.</l><lb/>
              <l>Da kömmt der Schlaf zum Alten ge&#x017F;chlichen,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;agt: mein Be&#x017F;ter, Du mußt erlahmen,</l><lb/>
              <l>Wenn Dir die Glieder nicht frei gemacht werden,</l><lb/>
              <l>Pflicht, Vernunft und Ver&#x017F;tand bringen Dich ganz<lb/><hi rendition="#et">herunter,</hi></l><lb/>
              <l>Und Du bi&#x017F;t gutwillig, wie ein Kind. &#x2014;</l><lb/>
              <l>Indem macht der Schlaf ihm &#x017F;chon die Hände los,</l><lb/>
              <l>Und der Alte &#x017F;chmunzelt: &#x017F;ie haben mir viel zu<lb/><hi rendition="#et">danken,</hi></l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l>Müh&#x017F;am hab' ich &#x017F;ie erzogen,</l><lb/>
              <l>Aber nun verachten &#x017F;ie mich alten Mann,</l><lb/>
              <l>Meinen ich würde kindi&#x017F;ch,</l><lb/>
              <l>Sey zu gar nichts zu gebrauchen.</l><lb/>
              <l>Du, mein Lieb&#x017F;ter, nimm&#x017F;t Dich mein noch an,</l><lb/>
              <l>Wir beiden bleiben immer gute Kameraden.</l><lb/>
              <l>Der Alte &#x017F;ieht auf und i&#x017F;t der Banden frei,</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;chüttelt &#x017F;ich vor Freude:</l><lb/>
              <l>Er breitet den weiten Mantel aus,</l><lb/>
              <l>Und aus allen Falten &#x017F;türzen wunderbare Sachen</l><lb/>
              <l>Die er mit Wohlgefallen an&#x017F;ieht.</l><lb/>
              <l>Er kehrt den Mantel um und &#x017F;preitet ihn weit<lb/><hi rendition="#et">umher,</hi></l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0317] Denkt der Menſch, und fürchtet ſich ſchon. Da kömmt der Schlaf zum Alten geſchlichen, Und ſagt: mein Beſter, Du mußt erlahmen, Wenn Dir die Glieder nicht frei gemacht werden, Pflicht, Vernunft und Verſtand bringen Dich ganz herunter, Und Du biſt gutwillig, wie ein Kind. — Indem macht der Schlaf ihm ſchon die Hände los, Und der Alte ſchmunzelt: ſie haben mir viel zu danken, Mühſam hab' ich ſie erzogen, Aber nun verachten ſie mich alten Mann, Meinen ich würde kindiſch, Sey zu gar nichts zu gebrauchen. Du, mein Liebſter, nimmſt Dich mein noch an, Wir beiden bleiben immer gute Kameraden. Der Alte ſieht auf und iſt der Banden frei, Er ſchüttelt ſich vor Freude: Er breitet den weiten Mantel aus, Und aus allen Falten ſtürzen wunderbare Sachen Die er mit Wohlgefallen anſieht. Er kehrt den Mantel um und ſpreitet ihn weit umher,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/317
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/317>, abgerufen am 03.05.2024.