Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

rief er aus: Nun, mein Freund, was könn¬
tet Ihr sagen, wenn Euch ein Künstler auf
einem Gemählde diese wunderbare Scene
darstellte? Hier ist keine Handlung, kein
Ideal, nur Schimmer und verworrene
Gestalten, die sich wie fast unkenntliche
Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies
Gemählde sähet, würdet Ihr Euch nicht mit
mächtiger Empfindung in den Gegenstand
hineinsehnen? Würde er die übrige Kunst
und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eu¬
rem Gedächtnisse hinwegrücken, und was
wollt Ihr mehr? Diese Stimmung würde
dann so wie jetzt Euer ganzes Inneres durch¬
aus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wün¬
schen übrig, und doch wäre es nichts wei¬
ter, als ein künstliches, fast tändelndes
Spiel der Farben. Und doch ist es Hand¬
lung, Ideal, Vollendung, weil es das im
höchsten Sinne ist, was es seyn kann, und

rief er aus: Nun, mein Freund, was könn¬
tet Ihr ſagen, wenn Euch ein Künſtler auf
einem Gemählde dieſe wunderbare Scene
darſtellte? Hier iſt keine Handlung, kein
Ideal, nur Schimmer und verworrene
Geſtalten, die ſich wie faſt unkenntliche
Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies
Gemählde ſähet, würdet Ihr Euch nicht mit
mächtiger Empfindung in den Gegenſtand
hineinſehnen? Würde er die übrige Kunſt
und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eu¬
rem Gedächtniſſe hinwegrücken, und was
wollt Ihr mehr? Dieſe Stimmung würde
dann ſo wie jetzt Euer ganzes Inneres durch¬
aus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wün¬
ſchen übrig, und doch wäre es nichts wei¬
ter, als ein künſtliches, faſt tändelndes
Spiel der Farben. Und doch iſt es Hand¬
lung, Ideal, Vollendung, weil es das im
höchſten Sinne iſt, was es ſeyn kann, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0302" n="294"/>
rief er aus: Nun, mein Freund, was könn¬<lb/>
tet Ihr &#x017F;agen, wenn Euch ein Kün&#x017F;tler auf<lb/>
einem Gemählde die&#x017F;e wunderbare Scene<lb/>
dar&#x017F;tellte? Hier i&#x017F;t keine Handlung, kein<lb/>
Ideal, nur Schimmer und verworrene<lb/>
Ge&#x017F;talten, die &#x017F;ich wie fa&#x017F;t unkenntliche<lb/>
Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies<lb/>
Gemählde &#x017F;ähet, würdet Ihr Euch nicht mit<lb/>
mächtiger Empfindung in den Gegen&#x017F;tand<lb/>
hinein&#x017F;ehnen? Würde er die übrige Kun&#x017F;t<lb/>
und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eu¬<lb/>
rem Gedächtni&#x017F;&#x017F;e hinwegrücken, und was<lb/>
wollt Ihr mehr? Die&#x017F;e Stimmung würde<lb/>
dann &#x017F;o wie jetzt Euer ganzes Inneres durch¬<lb/>
aus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wün¬<lb/>
&#x017F;chen übrig, und doch wäre es nichts wei¬<lb/>
ter, als ein kün&#x017F;tliches, fa&#x017F;t tändelndes<lb/>
Spiel der Farben. Und doch i&#x017F;t es Hand¬<lb/>
lung, Ideal, Vollendung, weil es das im<lb/>
höch&#x017F;ten Sinne i&#x017F;t, was es &#x017F;eyn kann, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0302] rief er aus: Nun, mein Freund, was könn¬ tet Ihr ſagen, wenn Euch ein Künſtler auf einem Gemählde dieſe wunderbare Scene darſtellte? Hier iſt keine Handlung, kein Ideal, nur Schimmer und verworrene Geſtalten, die ſich wie faſt unkenntliche Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies Gemählde ſähet, würdet Ihr Euch nicht mit mächtiger Empfindung in den Gegenſtand hineinſehnen? Würde er die übrige Kunſt und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eu¬ rem Gedächtniſſe hinwegrücken, und was wollt Ihr mehr? Dieſe Stimmung würde dann ſo wie jetzt Euer ganzes Inneres durch¬ aus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wün¬ ſchen übrig, und doch wäre es nichts wei¬ ter, als ein künſtliches, faſt tändelndes Spiel der Farben. Und doch iſt es Hand¬ lung, Ideal, Vollendung, weil es das im höchſten Sinne iſt, was es ſeyn kann, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/302
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/302>, abgerufen am 03.05.2024.